Von der Flucht auf die Insel und Presslufthämmern...

Donnerstag An jenem schrecklichen Tag? UND ICH HABE EUCH DAVON BERICHTET, WIE ES WAR, ALS DER BETONBOHRER MEINE MEISSEN-ENGELCHEN SO ERZITTERN LIESS, WIE TANTE MARTHA, WENN SIE SICH DIESEN VIBRIERENDEN HÜFTGÜRTELAPPARAT ANSCHNALLT? an diesem grauen Donnerstag also, als die Arbeiter wie die Ameisen über unsere Wohnung hereinbrachen, nur um bei Innocent drei Zentimeter mehr Terrasse aufzupflastern (UND WOZU DAS ALLES, WO ER GEGEN FRISCHLUFT SO ETWAS VON ALLERGISCH IST?!), wie die Arbeiter da also einbrachen, bin ich zusammen-? und dann ausgebrochen.
Koffer zu und weg!
«Das halte ich nicht aus», jammerte ich mein Zetermordio. Warf mich Innocent zu Füssen (diese Rühreiszene habe ich mal aus «Kleopatra» von Liz Taylor abgebackert). Und versprühte Tränen wie die WC-Ente ihren Putzfusel ins Klo.
«Du kannst nicht wollen, dass ich wegen dieser Presslufthämmer einen Hörsturz erleide. Schon zwei Piccolos genügen? UND DAS HIER IST EIN GANZES TROMMELKONZERT.»
Wieder Kleopatra am Fuss: «O Herr erbarm? dich meiner? ich bin reif für die Insel!»
Innocent hätte mich nun im Film als Cäsar aufrichten sollen. Seine goldberingten Finger hätten in Cinemascope mein Haupt mit dem üppigen, schwarzen Haar gestreichelt. Und seine Lippen (es waren eigentlich die von Richard Burton) hätten geil vor Gier lächeln müssen. «Oh, Cleo? ohne dich ist mein Leben wie Nussschokolade ohne Nuss...»
NICHTS VON ALLEDEM!
Da sagt dieses Trockenveilchen doch ganz eisig: «Fahr? aber lass die Kreditkarten hier!»
DA WÄRE ICH GERNE KLEOPATRA GEWESEN. DENN LEIDER WAR BEI UNS GERADE KEINE SCHLANGE ZUR HAND!

Freitag Auf der Insel schlängelten sie dann zum Willkomm. Aber die lustigen Vipern waren das Einzige, das da schlängelte.
Gianni schnarchte in der Hängematte? MEINER HÄNGEMATTE! Derweil das kostbare Wasser aus der Zisterne via Gartenschlauch ins Nachbarland der Guccis rinselte. KUNSTSTÜCK HAT DIESER LEDERTASCHEN-HEINI DIE GRÖSSERN KARTOFFELN ALS ICH!
«Oh, Madonna!», japste unser Hilfsgärtner. Und schlug hastig das Kreuz, als wir ihn aus dem geknüpften Netz kippten. «Sie wollten doch erst in einem Monat kommen, Signore!»
«Signore» sagt er nur, wenn er ein schlechtes Gewissen hat. «...Was stinkt hier so, dass Gott erbarm?», tobte ich.
«Es ist die Jauche, o Herr!»
Gianni hat nun den Boden unter den Füssen und wieder Oberwasser: «Sie haben mir gesagt, dass die Jauche abgepumpt werden muss. Heute ist der Pump-Tag. Dort unten sind die Herren am Schlauch...»
Der Mist der Monate wird in eine gigantische Blechtrommel abgesaugt. Sein Duft ist ungeheuerlich? die Einzigen, die sich das wie Koks reinziehen, sind Milliarden von surrenden Fliegen.
UND DIES, WO ICH MICH AUF SPAGHETTI VONGOLE IM GARTEN GEFREUT HABE!
Ich zücke mein Handy und schluchze nach der Art von Ruth Leuwerik in der Trappfamilie: «Ach Innocent? du fehlst mir... wenn du nicht da bist, läuft alles durch den Wind...»
«Bitte?? Ist das ein Notfall?»? Eine Frauenstimme versuchte sachlich cool zu bleiben. Ich hatte mich verwählt. Und statt Innocent das Insel-Spital am Apparat...

Dienstag Im Berlusconi-Land findet die Schweiz bildschirmmässig und auch sonst nicht statt. Wenn ich hier die Kiste anwerfe, bekomme ich Berlusconi auf RAI 1. Berlusconi auf RAI 2. Berlusconi auf RAI 3. Und dann Berlusconi auf allen Berlusconi-Sendern. Alternative ist eine Nonne auf dem Bibel-Kanal. Und der Segen von Herrn Ratzinger.
«Ich will endlich eine Schüssel!», fauche ich Gianni an. «Schon seit zehn Jahren predige ich, man soll hier eine Schüssel aufstellen, damit wir endlich alle Sender haben. Ich will wissen, was in der Schweiz so läuft und wie unser Liedlein am Grand Prix Eurovision abschneidet. Dann will ich wissen, wie es mit Mister Schweiz und seinem Rübenzuckerdialekt weitergeht. Überdies kommt am nächsten Sonntag Greta Garbo als russische Zarin auf Vox. Und keine trägt das Diadem so wie Greta, wenn sie in die Taiga schaut und «es gibt mehr Borkenkäfer an den Birken als Brot in den Häusern» haucht».
«Dimetrio kommt», grunzt Gianni. «Aber auf Ihre Verantwortung... Sie kennen Dimetrio!»
Klar. Dimetrio ist der Fernsehgott dieser kleinen Inselwelt. Er pflanzt hier Antennen und Parabol-Schirme wie die Friedhofsgärnerei die Begonien aufs Grab.
«... Seine Frau ist abgehauen!», sagt nun Gianni genüsslich. «Man sieht ihn nie unter 3,5 Promille!»
Das bedeutet: keine Pflanzzeit für Parabolschüsseln. Und keine Greta Garbo mit Diadem.
Immerhin ist die Jauchegrube leer? und wir können mit dem ganzen Mist wieder von vorne anfangen.
Abends wähle ich richtig: «Du fehlst mir...»
Innocent hüstelt: «Du hast die Kreditkarten doch mitgenommen!»

Donnerstag, 15. Mai 2008