Donnerstag München ist der Genuss, DER GENUSS ganz gross geschrieben, sage ich euch! IN MÜNCHEN GEHE ICH NÄMLICH UNTER «KLEINE GRÖSSEN».
Als der liebe Gott den Bauch des Mannes und die stämmigen Oberarme des Weibes geschaffen hat, muss er an München gedacht haben. HIER IST DAS SO ETWAS VON NORMAL. Kein «Du solltest fitten»-Gemecker. Null «Der Speck muss weg»- Theater.
IN MÜNCHEN HAT JEDER EIN RECHT AUF SEINEN BAUCH.
Selbst «mai Sauhaxerl» ist hier ein Kosewort. Und tönt liebevoller als «Salü Gnaagi».
Kommt dazu, dass die Münchner denselben dialektischen Charme wie die Wiener haben. Vielleicht etwas weniger zuckerbäckerisch klebesüss. Dafür von Herzen. Und das Herz in München ist immer mindestens so gross, wie der Bauch.
«Ja grüass Gott...», schmettern sie einem wie die Posaunen von Jericho entgegen.
Und wenn unsereins dann geziert «Hallöchen» winkt, stoibert dies die Armen schon arg aus der hirschledernen Bahn. Dann knallens dir aber herzlich und heftig die Hand auf die Schulter, diese tortenplattengrosse Pranke, mit der ein Becker auch ohne Racket jedes Match gewonnen hätte: «... ja, ja, der orme, olte Moosi. Des dös so hart kommen musste?»
Dem Modeschöpfer Rudolph Moshammer und seinem kleinen Daisy-Hund trauert München noch immer nach? dort wo einst Seidenrosen, die Memoiren seiner Mutter und Krawatten mit dem Ende von der Grösse einer Gartenschaufel im Fenster drapiert waren, liegen nun irgendwelche nichtssagenden Schreibutensilien. Die Maximilianstrasse hat ihren König verloren und München einen Teil seines mooshammerhaften Glanzes.
An Kartenständern erinnert Moosi wie auch König Ludwig noch an die Glanzzeiten von München? an eine Epoche als man unter Würstel und Haxerln nicht nur Kulinarisches aber dennoch Genuss verstand.
Als Drittes ist die Sissi im Kartenregal. Gut, sie war a bayrisches Dirndl. Aber was die Kaiserin neben dem Bierlachen vor dem Hofbräuhaus zu tun hat, ist nicht ganz klar. Da würde die Postkarte dieses bayrischen Torwarts mit dem Mund wie ein aufgerissener Baggersee besser passen.
Und wenn wir schon beim Hofbräuhaus sind: SOLLTEN SIE NICHT VERPASSEN! Zwar sind die stämmigen Bierhumpen-Maaderl, welche zu Franz Josefs Zeiten bis zu 16 Mass an ihren massiven Busen drückten, durch serbische, kroatische oder kosovo-albanische Kellner ersetzt worden. Diese tragen zwar wohl die lederarschige Tracht des bayrischen Freilandes aber sehen darin genauso falsch aus wie Berlusconi mit seinem verrosteten Haar-Implantat oder die Queen im Tanga. Überdies tragen sie nur zwei (2!) Mass. Und wenn in München niemand mehr Mass halten will, so sollen die Bierbäuche froh sein, dass die Grenzen wie die Dampfnudeln aufgegangen sind (Ja klar. Danke. Dieses Bild ist falsch. Die Dampfnudeln gehen nach oben auf und die Grenzen öffnen sich weit, wie der Eiskasten wenn ein unruhiges Hüngerlein über uns kommt).
Apropos Dampfnudeln, solche bieten sie im Hofbräuhaus auch an. Und ich habe sofort an Tante Trudchen denken müssen, bei welcher diese im Düpfi vor sich hinkugelten. Im perlenden Dampf der Milch gingen die Kugeln auf wie meine liebe Mutter nach der Bade- und Tortenkur in Bellingen.
NICHT SO IN BAYERN.
Eine bayrische «Dampfnaudel» hat die Konsistenz eines Dachziegels und ist nichts anderes als ein aufgewärmtes Stück Süsszopf über das böhmische Kochhände eine Sauce geschmettert haben, die an verspritztes Unaussprechliches erinnert. UND AUCH SO SCHMECKT.
Mit Dampfnudeln war somit nix.
Da ist mir gottlob der Dallmayr eingefallen. Ich meine: dort ist doch immer dieser nette Herr von der Werbung, der durchs Schaufenster guckt. Die Verkäuferin lächelt ihm etwas verzagt (da er von besserm Stand) aber doch mit einem mokkatässchen-grossen Funken Hoffnung entgegen. Dann lässt sie vor Aufregung die Bohnen auf den Tisch fallen. Das Werbefenster sagt uns, dass dies PRO DOMO war, also aufs Haus geht...
DAS WOLLTE ICH AUCH ERLEBEN!
Überhaupt hat mich Innocent am Telefon gelöchert, ich solle ihm beim Dallmayr von der groben Leberwurst mit den Rosinen drin mitbringen. Aber man kennt ja sein Cholesterin. Und wenn er jetzt auch auf dem Velo rumfittet, so ist das noch lange kein Grund, punkto Essen Rosinen im Kopf zu haben.
Man muss schon sagen: die Bedienung bei Dallmayr ist noch rundum deutsch? kantig gestärkt von der Schürze bis zum Kragen. Die Bedienerin sieht noch genauso aus wie unsere Köchin von damals, wenn wir je eine gehabt hätten:
«Was dorfs denn saan, der Herr?»
Ich winde mich zapfenzieherisch: «Da kommt doch immer dieser nette Mann vorbei und schaut ins Fenster. Den möchte ich haben. Sie müssen ihn gar nicht einpacken...»
Daraufhin hat das deutsche Fräulein dem andern deutschen Fräulein den Ellbogen in die Hüften gerammt, auf mich gezeigt und geseufzt: «Da will schon wieder einer den Röster...»
Die Kollegin baute sich vor mir auf: «Den gibts hier nix die Bohne... den haam wir schon für uns gemahlen!» Dann kicherten die beiden wie junge Backfische, obwohl sie bestimmt Herrn Dallmayr noch persönlich die Windel gekehrt haben.
UND DAS IST EBEN DAS FRÖHLICHE AM FREISTAAT.
Vom Kaffeemann bei Dallmayr und wie Moosi vermisst wird
Mittwoch, 30. April 2008