Donnerstag Natürlich hat Evchen wieder viel zu viel Gepäck bei sich.
Stets glaubt sie sich in Italien für einen Teller Spaghetti genauso aufbrezeln zu müssen wie Frau Berlusconi vor dem Faschisten-Ball: «Immerhin ist Italien das Land der Mortadellas und Armanis? da kann man nicht einfach so kommen!»
Weiss der Himmel, was sie unter «so» versteht.
Evchen pflastert jedenfalls meinen Kleinstwagen mit Tonnen von C&A-Gerüschtem voll. Daneben sind noch zwei Säcke mit Wolle und Garn.
«WAS SOLLEN DIESE GRAUENVOLLEN FÄDEN? UND DIE STRÜMPFE DANEBEN? KEIN MENSCH TRÄGT MEHR FLEISCHFARBENE STRÜMPFE!»
«Psst», hält Evchen geziert ihren manikürten Zeigefinger vor den Mund. Dann klaubt sie etwas aus der dritten Reisetasche hervor, das aussieht wie eine dieser letzten Schweizer Würste, die noch in Tierdärme gestopft werden.
«Seit wann benutzt du einen Dildo?!»
Evchen wischt das Dildo-Thema verärgert beiseite: «Das ist der Anfang einer allerliebsten Weich-puppe, du...! Die bekommt jetzt ein Gesichtchen? und Haare aus Wolle und Garn. Und dann biete ich das Ganze unter?Little Eva? weich und sinnlich? über eBay im Internet an...»
Ganz ehrlich? das Ganze sieht mehr nach Frankensteins Familie aus. Ich bin skeptisch: «UND SO ETWAS VERKAUFT SICH?»
Evchen packt beleidigt die Taschen wieder ein: «Wie glaubst du denn, dass ich meine Fangokur finanziere? Mit den paar Rappen, die der Staat einer Telefonistin abrechnet, kannst du dir ja nicht mal eine lauwarme Dusche leisten...»
Nun ja? im Journalismus ist das ähnlich. Vielleicht könnte ich meinen teuren Pralinenkonsum mit handgefertigten Laubsägearbeiten über eBay finanzieren?
Freitag Immer, wenn wir in Abano bei diesem Hotel mit dem rauchenden Schlamm im Vorgarten ansurren, winkt Evchen aufgeregt. «Alliallo? ich bin daaa... sono qui... la bambola di Basilea.»
Ich meine: Sie ist ja mit ihrer stattlichen Figur kaum zu übersehen. Und spätestens, wenn es über den Karmelienbüschen am heiterlichten Tag zappeduster wird, weiss der Portier des Zwei-Sterne-Hotels: Die Basler Bambola wirft ihre
gigantischen Schatten voraus.
Jedenfalls kommt Carlo, der Mann für jede und alles, über den Weg geschlurbt, schnallt sich den Gürtel satt und schleimt Evchen direkt ins Herz: «Ohlalala? la Signora bellissima...» Schon zupft la Bellissima einen Schein? dieses teure Eurogeld, das sie sich mit grässlichen fleischfarbenen Strumpfpuppen verdienen muss: «Ecco Carlo? die Schrankkoffer bitte in meine Suite, der Plastiksack in die Dépendance zu dem Herrn da...»
«Der Herr da» bin ich. Da wir den Laubsäge-Zusatzverdienst noch nicht gestartet haben, liegt nur die kleine Kammer über dem Schweinestall drin.
Montag Weshalb nimmt Evchen vier Koffer mit dem Volumen eines Kehrichtcontainers mit sich, wenn sie dann doch immer im selben «Hauskleidchen» rumlümmelt?
Das Hauskleidchen sind Leggings, in denen sich die Mutter meines liebsten Patenkindes wie ein paar übergesottene Blutwürste ausmacht. Über alles wirft Evchen das, was sie «mein Hängerchen» nennt. Das Ganze sieht aus, wie die Bauschutzwand über dem Balkon von Julia in Verona.
«Spritz dich um, wenn wir zu Innocent gehen...», rate ich Evchen mürrisch.
Innocent hat uns in seinen Luxuskasten zum «Dinner dansant» eingeladen. Er kurt im Nebenort. Und seit ihm diese livrierten Lackaffen mit den weissen Service-Handschuhen unser Erscheinen mit «Da wartet draussen eine Wanderzirkus-Gruppe auf Sie» angekündigt haben, lässt er uns nicht mehr ungekämmt in die Hütte.
«Meinst du, ich könnte dort mal meine?Little Eva?-Püppchen verholzen?»? Die Mutter von 25 Strumpf-Dildos schaut mich so erwartungsvoll an, wie die Dogge den Briefträger.
Obwohl Evchen sicher ihr Bestes gegeben und sich das klassische Schwarze angedonnert hatte, zeigte das Personal des Luxuskastens absolut null Verständnis für Strumpfkunst.
Liebevoll hatte meine Freundin die 25 Püppchen in der gotischen Empfangshalle des «Ritz» auf einem plüschigen Sofa drapiert, als die alte Principessa Farnese im Rollstuhl vor der Strumpfparade einen Stopp riss und schier aus dem Stuhl kippte: «Salve? salve.»
Die leicht Verwirrte wedelte mit der Hand zum Gruss den wollhaarigen Gestalten zu. Sie wähnte diese als eine Bande von Royalisten, die sie ins Parlament wählen würden.
«Packen Sie sofort diese Kinder-Überraschungseier wieder ein!», zischte der Chefconcierge Evchen zu.
Innocent, der eben im neusten Coolwool-Kittel zu uns stossen wollte, wurde kalkweiss, als er die Parade sah. Er machte rechtsumkehrt. «Ich esse heute auf dem Zimmer...», gab er dem Personal hastig Order.
«Ich auch», keuchte die Dame aus dem Rollstuhl, «und ich lade alle meine Wählerinnen und Wähler dazu ein!»
So wurden «25 little Evas» auf die Rechnung der Principessa gesetzt.
Morgen biete ich ihr meine ersten Laubsäge-Hampelmänner an...