Vom Rauchverbot in Italien und drei beerdigten Gatten...

Donnerstag SHIT. SHIT. SHIT.
Natürlich geht jetzt gar nichts mehr. Früher haben sie dich in Italien in den Hotelzimmern mit einem Mimosensträusschen sowie einer Flasche Chianti begrüsst? heute mit dem Plakat: VIETATO FUMARE.
Das war ja die grösste, NEIN, DIE ALLERGRÖSSTE Enttäuschung: Meine sonnigsten Nachbarn vom Stiefel, die sich mit herzlichem Lachen über irdische Steuergesetze und biblische Beischlaf-Sünden hinwegsetzen, haben am Tag des Herrn den Zigarettenstummel ausgedrückt.
Und erklärt: «NIE MEHR!».
Dann haben sie für alle verpafften Sünden noch hundert «Gegrüsst seist Du Maria» runtergerattert. «Ave Maria? Ciao Marlboro!»
NA IST DAS NICHT SCHÖN, DASS SICH ITALIEN SO DUNSTFREI ZUM BESSERN WENDET?
Man hat zwar momentan keine Regierung und den Dreck am neapolitanischen Hals? dafür schliessen die Tabacchi-Läden so rasant wie die Omi die Sonnenstoren an Hundstagen. DAS EINZIGE, WAS IN DIESEM LAND NOCH RAUCHT, IST DER VESUV. UND AUCH DER NUR ZU TOURISMUSZWECKEN...
Und nun hocke ich also in diesem Turiner Hotelzimmer. Die Aschenbecher sind daraus verbannt, wie die teuflische Seele aus dem Weihwasser. Dafür liegen nun überall Mundpastillen herum, mit denen es sich küssen lässt, als wäre die Zunge im Eukalyptus baden gegangen.
Die Mundfrischer sind bereit? aber leider nichts zum Küssen. DAS WAR MIT DEN ZIGARETTEN SCHON SCHÖN ANDERS. Die waren immer zur Hand.
Ich nehme also seufzend mein Päckchen mit den Zigarillos. Und pflanze mich mit zwei anderen Süchtigen vor den Hoteleingang. Die einfühlende Direktion hat hier nämlich zwei Riesenvasen aufgestellt. Es sind gigantische tönerne Urnen, in denen man problemlos die Asche von Hannibals Elefantenherde hätte beisetzen können.
Die Gefässe sind mit so etwas wie weissem Strandsand gefüllt. Ganz oben im Sand stecken gut acht Dutzend Zigarettenstummel? ähnlich wie an der Spiaggia von Rimini die Sonnenschirmstecken ohne Schirm. Daneben: (fast exotisch) zwei dunkle Zigarillo-Hälften (von mir? vor zwei Stunden) und das abgekaute Ende einer Davidoff.
Es ist schön zu wissen, dass die Davidoffs nicht nur noch an den Swiss Indoors dampfen...
Die Frau neben mir drückt nun ihre halbgerauchte «Vogue» ziemlich energisch in den Vasensand, so dass der Stengel eine genervte S-Form macht. Die Lady steckt in einem Gucci-Frühlings-Tailleur und Schuhen von Prada. Um ihren Hals hat sie mehr Goldketten aufgerüscht als meine Linda an unserem lustigen Weihnachtsbaum? und ihr scharlachroter Mund zittert ein bisschen, wie sie mich taxiert: «Sie auch?».
JA. ICH AUCH.
Wir sind die Schande dieser Welt. Unsretwegen haben die Eisbären kein Eis, und die Böcke keinen Bock mehr. WIR sind es, welche die Krankenkassenprämien nach oben schiessen lassen. Wir sind am Tode unserer Nachbarn, dem Asthma des Metzgerhunds und am Hinsiechen aller Honigbienen schuld.
Das Wüste dieser Erde geht auf unsere Kappe, und wenn man die Zigarettenpackungen anschaut, wo uns zur Abschreckung verteerte Lungen entgegen keuchen, wissen wir, weshalb die Welt auch in Turin eine Riesenurne und ein Plakat mit einem Raucher drauf vor dem Eingang aufgestellt hat: «... und ich darf nicht herein!»
Wir Raucher, die uns vor den Hotel-, Restaurant- und Bahnhofseingängen dieser Welt treffen, sind eine verschworene Familie geworden. Wir brauchen uns nicht lange zu erklären? denn wir kennen einander bis auf den letzten Zug. In den ersten Jahren war es noch dieses verklemmte Lächeln beim ersten Rencontre? ein «Du also auch?!»-Blick, wie wenn das Ehepaar Meister seine Nachbarn im Swinger Club an den Ketten antrifft.
Aber die Zeit hat uns daran gewöhnt, dass wir unter den Geächteten auf der Stufe von Kindsmissbrauchern, Geldeintreibern und Kampfhundehaltern stehen.
«Wie viele?»? fragt das Gucci-Kostüm nun. Und schüttelt sich aus einem goldenen Etui noch eine dieser dünnen Vogues, welche mich stets an die Ärmchen magersüchtiger Mannequins erinnern.
«Sechs», lüge ich. Denn es sind zwölf (und auch das ist gelogen). «Aber ich rauche sie immer nur zur Hälfte...» (das hingegen stimmt? sie beissen nämlich am Schluss auf der Zunge, wie Onkel Ewald, wenn er in Ekstase war).
Die Lady lächelt. «Sie brauchen mich nicht anzulügen. In meinem Alter kennt man die Welt und ihren Rauch...» Dann zeigt sie auf ihren glimmenden Dünnststängel. «Da? sie sind zwar nur dünn. Aber ich schaffe zwei Päckchen am Tag...»
«Aha», sage ich.
«Ja? und dies seit meinem 18. Lebensjahr. Ich werde jetzt 89...»
«Ohhh», sage ich. Und denke, dass Frau Ardens Anti-Aging-Creme hier wohl in Zentnern angerieben wurde.
«Jetzt staunen Sie!», pafft nun die Dame den Rauch genüsslich aus. «Drei Männer habe ich beerdigt? alle jünger als ich. Und alles Nichtraucher... »
In ihren Augen funkelte der Humor der passiven Killerin, die alles überlebt hat...

Donnerstag, 6. März 2008