Von unterbrochenen Verbindungen und Schwingern

Donnerstag Die SBB verarschen uns. WUNDERBAR.
Da fahre ich gleich wieder mal auf 100! Kommt so: Es gibt zwischen dem italienischen Iselle, drei Handflächen oberhalb von Domodossola, und Brig einen Tunnel, das Simplon-Loch. Und dies noch im vorletzten Jahrhundert gelocht. In 20 Minuten suttert einer von Italien durch den Tunnel nach Brig. Und das Schönste: Der Zug nimmt huckepack auch deine Karre mit. Und dies alles für lausige 25 Hämmer.
Also: umweltfreundlich. Nervenschonend. Schnell.
Es gab diesen wunderbaren Zug schon, als ich noch mit dem «L» auf dem Arsch im Verkehr rumkurvte. In Brig fuhr der Autozug weiter nach Kandersteg? dies alles nochmals eine gute Stunde. Und sagen wirs mal so: Von Adelboden bis Italien brauchte der Autofahrer auf dem Zug knappe zweieinhalb Stunden.
NA, IST DAS NICHT WUNDERBAR?! Eben. Irgendwann ist dies dann alles eingeschlafen.
Die Wege der SBB sind wunderbar. Doch nicht immer geradlinig. Jedenfalls konnte mir nie jemand sagen, weshalb in einer Zeit, wo jeder das Halleluja-Lied des Schienenverkehrs und die Verdammnis der Abgase draufhat, die Öko-Variante «Kandersteg?Iselle im Huckepack-Style» im öffentlichen Verkehr nicht mehr griff.
UND JETZT DIE GROSSARTIGE ÜBERRASCHUNG: Ich klinke mich bei www.sbb.ch ein. Und wische mir die Tränen der Freude aus dem Auge: Im Fahrplan ist Iselle?Kandersteg wieder angegeben. Ab Iselle fährt in etwa jede zweite Stunde ein Zug. Deshalb, «Innocent? sattle dein Portefeuille. Wir fahren huckepack. Und müssen kurz nach drei Uhr mittags in Iselle sein?»
Innocent wie immer: «Was das kostet!»
Ich: «Es kostet weniger Nerven. Kein Benzin. Und ist immer noch billiger als ein Taxi von Basel nach Oberwil?»
Innocent: «Na gut, wenn du mich ruinieren willst?»
Wir sind pünktlich in Iselle angekommen. Der Zug wartete schon. Wir hoppelten auf die Eisenbahnwagen. HANDBREMSE ANZIEHEN. Und 20 Minuten später kamen wir in Brig an. IST DAS NICHT EINE FREUDE?!
«? und wo ist jetzt der Zug nach Kandersteg?», fragten wir die nette SBB-Kassenfrau.
Diese: «In Goppenstein?»
«GOPPENSTEIN?!»
«Ja klar, dort fährt alle 20 Minuten ein Autozug nach Kandersteg?»
«Und weshalb steht im Internet-Fahrplan der SBB: Iselle?Kandersteg, 115 Minuten?»
«Da müssen Sie den Herrn Internet fragen?»
ALSO DA WAR ICH ABER SCHON ESSIGSTINKESAUER! Da jagen dich die SBB also durch dieses öde Wallis, wo man jede dritte Minute an einer Ampel verdampft? wenn du dann noch in den Stossverkehr kommst, ist es wie die New Yorker Rush-Hour ins Kleinstmass gezoomt. Doch mit derselben Dichte. Und demselben Nervenkrieg?
Okay. Es ist machbar. Aber ich kapiere hier die SBB nicht. WO BLEIBT DER UMWELTGEDANKE «ab auf den Zug»? Wo bleibt der Service public? Wo bleiben wir Dummies, die alles glauben, was im Internet-Fahrplan steht? Vermutlich ist eben alles nur schien(en)heiliges Gerede?

Samstag Die Schweiz geht mir gleich in den ersten drei Tagen wieder tief ins Herzlein rein. Innocent schickt meine Basler Post nach Adelboden. Er überwindet sich zu einem A-Post-Tarif. Heute, nach vier Tagen, ist die Post noch immer nicht da. So viel zum Service public Nummer zwei.
Abends ziehe ich mir die Idée suisse des «Swiss Award» rein? Hollywood im Appenzeller Format. Oder eben: wenn der Schweizer Käse den Duft der grossen, weiten Welt von sich gibt?
Wenn das Zürcher Fernsehen und der «Blick» zusammen die Nacht der Oscars spielen, ist das wie Pippi Langstrumpf in der Primadonnen-Robe einer Netrebko. Ich meine: Die musikalischen Donnerfanfaren wie auch die grosslettrigen Vorankündigungen lassen Welttheater ahnen. Doch nach den Fanfaren geht allen die Luft aus? und es wird so dünn wie diese Mannequins, die man demnächst an einem Schnürchen über den Laufsteg führen wird, damit sie nicht davonschweben.
Die Einzige, die es am Swiss-Award-Abend in sich hatte, war die Moderatorin. Und doch: Als dann dieser Männerchor seine «Ewigi Liebi» sang, da wurde es einem wirklich warm ums Herz. Spätestens jetzt ahnte jeder, dass der «Schweizer des Jahres» aus dem Sägemehl auferstehen wird? Und wenn dieser Schweizer des Jahres auch nicht von Hollywood, sondern ab der Halden kommt, so dürfen wir auf dem helvetischen Bergplaneten doch stolz sein: Fanfaren hin, Fanfaren her? es sind immer die Schwinger, die den unterhaltsamen Schwung dieses Landes ausmachen?

Donnerstag, 31. Januar 2008