Vom reichhaltigen Horoskop und Bleigiessen

Donnerstag Als ich am Neujahrsmorgen in diesem Hochglanzheft des Klatschs und der Freude blätterte, stiess ich auf ein Horoskop, das mir Grosses verhiess: «Ein schöner Freund mit viel Geld wird Ihren Weg im neuen Jahr kreuzen!» Ich schnitt die Verheissung sorgfältig aus und verletzte so den Kopf von George Clooney auf der Rückseite. Aber der Schnitt war taktischer Natur und vonnöten. Ich legte ihn nämlich wie zufällig auf Innocents Frühstücksteller, nachdem ich ihn mit gelbem Leuchtstift angestrichen hatte.
«Was ist denn das?», nahm der Ahnungslose meine Zukunft mit spitzen Fingern auf.
«Och?», sperrte ich die Augen auf, «das muss jemand liegen gelassen haben? Ist es etwa ein Horoskop?» Innocent warf mir einen Blick zu, der alle Stubenfliegen sofort mausetot umkippen liess und giftelte: «Hast du dir nicht fürs neue Jahr vorgenommen, nie mehr zu lügen?»
«Nein», log ich. «Ein solcher Vorsatz wäre sinnlos. Pinocchio log schon, dass sich die Balken bogen? und er war ein glückliches Kind!»
Innocent seufzte: «Pinocchio wäre sicher Starjournalist geworden. Und was soll dieser Mist mit dem Horoskop hier?»
«EIN SCHÖNER FREUND MIT VIEL GELD WIRD IHREN WEG KREUZEN!», raunte ich.
Innocent strich sich fingerdick Butter auf den Zopf. Gelassen gab er noch einen Klacks Mayo und vier Wursträdlein drauf: «Mein Lieber? erstens sind Horoskope die Verdummung für eine NULL-Ganglien-Gesellschaft. Zweitens: Hast du schon mal einen schönen Reichen gesehen? Und drittens: Wenn er deinen Weg kreuzt, wäre er schön blöd, ausgerechnet bei dir stehen zu bleiben?»
Das Gift hat Innocent von seiner lieben Mutter. Sein Vater mit dem schönen, weissen Haar, das er jeden Sonntag mit Wella bläute, war die Weichwelle in Person. Aber die Mamma hats in der Giftklasse mit jedem Fliegenpilz aufgenommen. «Weshalb soll unsereins im neuen Jahr nicht auch mal Glück und etwas Schönes haben?», jammere ich. Und baue die aufgeschichteten Lyonerscheiben auf meinem Zopf wieder ab (ein Neujahrsvorsatz war nämlich: «Du sollst nicht mehr als zwei (2!) Wurstscheiben aufs Brötchen legen!»).
Innocent biss ungerührt in seine Stulle: «Erstens bist du fürs Glück nicht geschaffen, weil du nur zufrieden bist, wenn du jammern kannst. Und zweitens müsste ein schöner, reicher Mann ja direkt von seiner eigenen Star-Operation kommen, wenn er bei dir stehen bliebe?»
MAN BEMERKE DIE KONDITIONALIS: müsste? bliebe. Der Weg der Unglücklichen ist mit Konjunktiven gepflastert. Immerhin? als wir am Silvesterabend Blei gossen und Hugo Mozzarella mir unser schönstes Tischtuch mit einem heissen Klumpen Blei, das einst eine Sau und gegossen schliesslich der Eiffelturm war (dies zumindest sah Mozzarella in ihm und schloss eine Paris-Reise im Oktober 08 daraus), als Hugo diesen glühenden Klumpen dann vom Löffelchen fallen liess und mein handgewirkter Damast ansengte, diese Pracht, die mir Aennchen lochlos von seiner Grosstante Huberta, die noch im Kloster Blattstich gestickt hatte und für ihre Engel-Muster berühmt war, vererbt hatte? MEIN GOTT KOMME ICH WIEDER MAL VOM SATZ AB, WIE UNSERE ABFAHRER VON DER IDEALLINIE? ABER WAS WOLLTE ICH EIGENTLICH SAGEN? ACH JA: Beim Bleigiessen also habe ich ein Figürchen aus dem Wasser gezogen, das einen Schwan zeigte, den meine liebe Freundin Maria-Esther sofort mit «gute Nachricht und Geld kommen auf dem Meeresweg» deutete! Innocent, dieser neidelige Hammel, macht mir den Schönen natürlich schon mies, bevor er da ist: «Er mag vielleicht schön sein, aber ganz sicher schön blöd, wenn er deine Kreditkarten bezahlt!»
«Aha. Und weshalb hast du denn genau vor einem Jahr zu all meinen Kreditkarten-Rechnungen vor dem Standesamt Ja gesagt?»
Und noch bevor der Satz zu Ende ist, werfe ich mich schluchzend über die Butter:
«DU HAST UNSERN HOCHZEITSTAG DER GESETZLICHEN PARTNERSCHAFTSREGISTRIERUNG VERGESSEN?»
Innocent nimmts gelassen: «Ich sag dir ja? du bist nur glücklich, wenn du jammern kannst!»
Dann holt er grinsend ein kleines Paketchen aus dem Hosensack. «Ist sicher wieder eine Eieruhr?», wäffle ich schluchzend. Innocent tätschelt meinen Arm: «Jawohl, eine Uhr, wie du es dir immer gewünscht hast?»
Es war dann ein Reisewecker. Darauf lag ein Werbespot der UBS: «DAS NEUE JAHR TICK? NICHT SO GRASS, DAS HOFFT FÜR SIE: the U & S»

Freitag Im heutigen Horoskop des «Tirreno» steht: «Träume sind da, um gelebt zu werden!»
Ihr Lieben? falls Ihr irgendwo einen schönen Reichen kennt: Ihr habt ja meine Adresse?

Donnerstag, 3. Januar 2008