Von Ja-Sagern und was man sich damit einbrocken kann...

Donnerstag - Ich habe Ja gesagt.
Ich sage viel zu leicht Ja. Vermutlich aus Bequemlichkeit. Und weil Ja immer netter tönt als Nein.

So habe ich mir Innocent eingehandelt. Sechs Häuser. Und auch eine Erst-August-Rede.

Das mit Innocent dürft ihr nicht in den falschen Hals kriegen. Das war ein frohes Ja. Ich meine: Als er nach 36 Jahren auf seine wundervolle Art bei einem Drei-Minuten-Frühstücksei um meine Hand anhielt, war das Zuckerwatten-Kulisse pur.

NEIN - IHR KLUGSCHEISSER! DAS WAR ES NICHT.

Er rührte hinter seiner Zeitung im Espresso, schlürfte, dass die Wellensittiche erschrocken mit ihrem Gepiepse aufhörten und keuchte sich den Schleim aus der Gurgel: «Wir sollten chuächächuä... am Montag chuächuächuä... dann unterschreiben... chuächuächuä... um zehn auf dem... chuächuäächuäää... Standesamt!»

Der Rest aller Romantik ging dann in einem Hustenanfall unter. Und ich jagte zum Notarztschränklein wegen der Tropfen.
MEINER TROPFEN.
BALDRIAN.

Nach so etwas sagt man nicht Nein. Sondern gar nichts. Und als der liebe Beamte dann in seinem Büro die Bedingungen einer Partnerschaft runterbetete, als er mich scharf ins Visier nahm: «Ja oder Nein?», da wollte ich keine Oper daraus machen, besonders weil ich ein Hüngerlein verspürte und wusste, dass draussen die lieben Freunde mit den Silserli warteten.

«JA!».

Aber ich kurve mal wieder am Thema vorbei und das Thema heisst «Ja-Sager».
Nun bin ich also einer. Als mein Vater auf dem Sterbebett flüsterte, wirst Du «Adelboden» behalten, da konnte ich nicht Nein sagen.
Ich wusste, wie sehr er an der alten Hütte hing und dass er nicht selig in die andere Welt rüberschweben könnte, wenn er wüsste, dass nun ein Fremder seine Zwiebeln im Vorgarten zupft.

Deshalb: «Ja!».

Reine Feigheit. Denn die Hütte ist ein Klotz am Bein wie auch die Hütte an der Birmannsgasse und die Trutzburg auf der Rigi, die kleine Wohnung in Rom und das, was unsere Putzfrauen «la Villa» auf der Insel nennen, aber nicht mehr ist als ein Hühnerstall.
Ich bringe unsern Häuserpark logistisch schon lange nicht mehr auf die Reihe. Aber immer wenn mich Innocent mit seinem zitternden Schnauz und den tropfenden Bernhardiner-Augen anschaut: «Du willst es doch behalten, so lange es geht...», da kapituliere ich.

«Ja...»

Wieder hat sich der kleine Feigling durchgesetzt. Und zeigt dem tapfern Nein-Sager in meiner Brust den Stinkefinger.
So geschehen bei der 231. Anfrage: «Könnten Sie für unsern guten Zweck nicht ein Nachtessen stiften?». Ja.
Bei: «Herr -minu, unser Altersheim würde sich so freuen, wenn Sie die lieben Leutchen mal mit Ihren Geschichten unterhalten würden. Kommen Sie?»
«JA!» Und eben: «Wir hätten in Röschenz wirklich den Plausch, wenn Sie die 1.-August-Rede halten könnten und...»
ERST-AUGUST-REDE!? IN RÖSCHENZ?
Jeder weiss, dass dort ganz spezielle Süppchen gekocht werden. Und dies nun mit mir als Alternativ-Koch?
Was soll dort so eine unpolitische Kuh wie unsereins schon Zündendes erstaugusteln?
Deshalb: «Leider habe ich bereits eine Einladung nach Salzburg angenommen und...»

«Ohh... Dann aber im nächsten Jahr?»

«JA!!» Irgendwann kann man nicht mehr Nein sagen.

Dienstag - Das Ja in Röschenz hat mich auf den Fussballplatz geführt. Dort kamen dann all diese Menschen, die es einfach nicht begreifen konnten, dass ein politisches Weichei bei so einer heissen Anfrage nicht Nein gesagt hat. Röschenzer sind mutiger. Sie sind die geborenen «Nein»-Sager, wenn ihnen etwas gegen den Strich geht.
Also, alle wollen sich wundern, und es werden immer mehr, sodass dem Fussballclub, der für die Gaumenfreuden vor der grossen Rede verantwortlich ist, das Fritten-Öl ausgeht. Die erste Tuba vom Musikverein muss hurtig noch einen offenen Denner aufsuchen, damit die Pommes wieder dampfen können. Doch ohne Tuba keine Musik. Ohne Musik kein Beginn. Und so kam die Rede erst, als es bereits dunkelte und meine müden Augen nur noch Mus auf dem Manuskript sahen. Sabotage?
Egal. Ich hab mein Ja-Wort gehalten und eine Doppelflasche feinen Burgunder bekommen.
Als Innocent den Tropfen zu Hause entdeckte, holte er mit zitterndem Schnauz (und diesmal wars keine Rührung!) den Zapfenzieher: «Wir wollen darauf anstossen!»
Ich eiskalt: «NEIN!»
Es war das delegierte «NEIN» seines Arztes. So ein Nein geht leichter von den Lippen.
Daraufhin hatte er wieder die tropfenden Bernhardiner-Augen.
«Na ja», habe ich geseufzt.

Und ihm die Flasche eigenhändig geöffnet...

Denn Ja-Sager haben HERZ. Und sagen Sie jetzt nicht: «Nein!».

Donnerstag, 16. August 2007