Donnerstag Nächstes Jahr möchte ich den Heiligen Abend wieder mal daheim verbringen.
Daheim ist eben doch daheim. Ich meine: Mit den Bläsern, und der Predigt von Franz? mit meiner Freundin Bethchen, die neben mir auf dem Münsterplatz kreuzfalsche Töne ins «Stille Nacht» schmettert und dann das Erwachen mit (oder natürlich: wegen) den Kurrendesängern.
Kurrendesänger erinnern mich immer an ein kleines Schyssdräggziigli, das früh an einem Dienstagmorgen durch die Gassen zieht? es sind Grüsse von einem andern Stern. Wunderschön.
HIER NICHTS VON ALLEDEM!
Einziger Weihnachtslichtblick: Gianni hat mir die Olivenbäume mit Glühlampen-Girlanden behängt. Die Wildschweine schütteln unwillig den Kopf über so viel verstreute Energieverschwendung. Und selbst meine holländische Nachbarin, die Königin, hat ihre Neujahrsbotschaft per Bote und Pferd überreichen lassen: «Think ecologically.»
Dann ist Reiter mit Pferd wieder in die königliche Villa ans Meer zurückgetrabt? diese Villa, wo ein Dampfkochtopf pfeift, das Haus aber mit 100 000 Volt abgesichert und kugelsicher ist. «Zügle deine spitze Zunge», hat Innocent mich abgemahnt, als der königliche Bote sich schnaufend vom Pferd bügelte und? Schreck lass nach!!? seine Hose riss.
Ich hatte nämlich eben eine lustige Bemerkung wie «Wer reitet durch Toskanas Wind? the Royal News, ich glaub die spinnt!» drauf, als Innocent losschleimte:
«Königlicher Besuch... so eine Ehre...»
«Es ist nur das Ross», flüsterte ich, «und seine Hose hat auch einen Reisser... ausgerechnet dort...»
Tatsächlich kann ich seit jenem unschönen Moment beschwören, dass Hollands Königshaus «Intimo Versace black» darunter trägt.
Freitag Weshalb glauben die Leute auch immer, ich sei auf Süsses versessen?
JA SEHE ICH DENN SO AUS?!
Jedenfalls rollen vor Weihnachten Tonnen von Anisbroten, Christstollen und diesen kleinen Stängelchen mit den Nüssen drin an. Letztere nennen sie «Totenbeinchen». Eigentlich sollten sie «Totenzähnchen» heissen. Jedenfalls fegen sie meine Jacket-Kronen raus, wie der Presslufthammer die Pflastersteine.
Wären nicht diese Prothesenkiller, so wäre bei uns an Weihnachten überhaupt nichts los gewesen. So wars zumindest die linke Vorderschaufel. Sie schaukelte nach einem herzhaften Biss wie Ugos Fischerboot bei Wellengang zwölf.
Für ein bisschen Unterhaltung haben neben Sissi 1 und 2 («Mamma!») die Carabinieri gesorgt.
Am Weihnachtstag sind sie einfach da gestanden? Gianni hat sich sofort verdrückt. Innocent versteckte sich in einem Weinfass. Und da war ich mit den Herren mutterseelenalleine? mehr Mutter als Seele, wenn man so will.
Sie: «Signore? da ist doch eine Garage gebaut worden...»
Ich: «Möchten Sie vielleicht ein Anisgutzeli... un Biscotto di Natale?»
Die Carabinieri gehen mit keiner Silbe auf mein Süsses ein. Sie bauen sich vor mir auf, wie eine Ikea-Kastenfront, wippen in den Stiefeln und ich frage mich heimlich weshalb Carabinieri öffentlich in Reithosen und Stiefeln rumdüsen, wenn sie dann doch in einem «Lancia automatic» rumreiten.
«Wir haben in Ihrer Garage einen Kronleuchter, ein Badezimmer sowie Toiletten entdeckt...»
Ich lächle zuvorkommend: «Mein kleiner VW ist undicht... er liebt das Gemütliche... sind Toiletten in Garagen ein Verbrechen?!»
Ich sehe wie Innocents Hände aus dem Fass hinter dem Haus beschwichtigende Bremszeichen geben. Er kennt mein Gemüt. Und weiss: der Sturm ist im Anmarsch.
Nun wippen die Carabinieri synchron auf den Stiefelabsätzen: «Sie haben die Bewilligung für eine GARAGE? nicht für ein EINFAMILIENHAUS, Signore...»
Sie knipsen mit strengen Mienen den zugegebenermassen etwas üppigen Leuchter an.
«Huch!», rufe ich, «Miracolo... ein Weihnachtswunder... jemand hat die Garage in ein Schloss verwandelt!»
Die Obrigkeit schaut eisig: «Dieser Jemand wird das aber sofort wieder zurückzaubern? wir tolerieren hier keine Gesetzesüberschreitungen. Wir sind nicht in der Schweiz!»
ACH BLOCHERCHEN? HAST DU DAS GEHÖRT!
«Die andern haben ihre Garagen auch in Wohnungen umtransformiert...», murre ich nun.
«Die andern sind keine Ausländer... es sind Italiener! Da kann man mal ein Auge zudrücken...»
Na ja? in Italien bedeutet dies: der eine drückt das Auge zu, der andere das Portemonnaie auf? «wie viel?», frage ich seufzend.
Aus dem Weinfass ertönt ein entsetztes Rumpeln.
Nun werden die beiden Carabinieri aber ganz scharf: «Diese Zeiten sind vorbei? mit Bestechungsgeldern und Tangenti läuft in Italien gar nichts. GAR NICHTS! Wir sind hier doch nicht im hintersten Busch-Land...»
Schliesslich haben sich die Herren aber doch noch zu einem Anisbrot und einem Schluck hausgemachtem Lemoncello durchgerungen. Nach dem dritten Glas, war auch die Sache mit dem Kronleuchter o. k.
«Wir lieben das Gespräch...» klopften sie mir auf die Schenkel. Und sattelten wieder ihren Lancia.