Von der schweren Geburt trauriger Weihnachtsgeschichten

Donnerstag «... und schreiben Sie uns eine nette Weihnachtsgeschichte!»
BLÖDE KUH!
Die Leute denken, ich sei vollgestopft mit Halleluja-Storys wie das Huhn mit Eiern. Computer an? Augen zu. Und ab!
ABER SO IST DAS NICHT!
Weihnachtsgeschichten kommen nicht einfach problemlos zur Welt. Das hat ja schon Maria bewiesen. ES SIND ZANGENGEBURTEN. Und man geht lange, lange schwanger damit.
Deshalb muss ich dieser Redaktoren-Zicke von der Limmat mal den Tarif durchgeben: «Kommen Sie nächstes Jahr? vielleicht ist dann etwas in mir gewachsen..., aber kommen Sie im Sommer. Denn Weihnachtsgeschichten werden im Sommer geschrieben, damit sie im Winter unter dem Baum liegen?»
«ICH BRAUCHE DIE STORY ABER JETZT, SIE KAMEL!»? Das war wieder die Limmat-Kuh.
«Ich bezahle den 3-fachen Tarif. Ich sag es Ihnen ganz ehrlich. Ihre Schnulze ist nur eine Notlösung. Geplant war etwas Tiefgehendes von Rosamunde Pilcher. Die hat mir nun aber im letzten Moment abgesagt. Grippe. Keine Krippengeschichte wegen Grippe? tolles Wortspiel. Aber ich damit in der Scheisse. Wenn meine Leser am Heiligen Abend nicht Rotz und Tränen heulen, kann ich mir die Kugel geben. Weihnachtsgeschichten sind der Sado-Stoff des Normi-Bürgers? Er leidet ethisch korrekt. Und er geniesst es ohne schlechtes Gewissen!»
Da die Redaktions-Tussi mir eine Jahreskolumne zum Thema «Iss dich froh» in Aussicht gestellt hat, kann ich nicht mal auf Primadonna machen.
«O.K.? wann brauchen Sies?»
«Vorgestern.»
Ich gehe alle meine Weihnachtsgeschichten durch. Es gibt kein Thema, das wir nicht ausgelutscht hätten. Aber vielleicht könnte man die Geschichte mit dem Hund, der den Seifen-Jesus aus der Krippe stahl und dessen Schnauze daraufhin schäumte wie ein Vollwaschgang, etwas umstricken? Ich versuche, die Limmat-Tussi auf die schäumende Geschichte heiss zu machen.
«Mir fällt da eine herrliche Story ein: junges Paar? er stellt die Auserwählte am Heiligen Abend seiner vornehmen Mutter vor? die Alte hat den Charme einer Leichenhalle und die Bitterkeit von zwei Magenkoliken? Das junge Mädchen bringt den Hund, einen jungen Schnauzer, mit. Dieser schleicht sich an den karg geschmückten Baum an... Unter der Tanne lächelt das Jesuskind seit Generationen aus handgeformter Seife (eine delikate Oberammergauer Nonnen-Arbeit aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg). Der Kleine liegt etwas abgegriffen und vergilbt in der Krippe? vor allem: ER MUFFELT GANZ HAPPIG.
Dies wiederum ist für den Hund sehr interessant? er schnappt sich das miefige Seifenkind. Beisst ihm den Kopf ab. Schäumt vor sich hin? und die Schwiegermutter tut es ihm nach. Natürlich schäumt sie ohne Kopf, dafür mit Zischlauten: «Das war eine Antiquität! Holt mir drei Kilo Rattengift für diesen Köter!» Der Waschlappen von Bräutigam versucht, die Mama zu beruhigen... Die junge Frau fängt den Hund ein und merkt gerade noch zur rechten Zeit, welches Weichei sie fast geheiratet hätte. Hund und Ex-Verlobte verlassen das Haus. Der Bubi sinkt Mutti heulend in die Arme.
Letztere reimt es sich von der verharzten Seele: «Bei Weib mit Hund / läufts niemals rund!»
ENDE
Am andern Ende des Hörers höre ich ein Schnaufen. Dann: «Diese Soap-Opera kommt mir irgendwie bekannt vor?»
Klar doch. Ich habe sie vor neun Jahren schon gebracht. Nur war der Schnauzer ein Pudel.
«Haben Sie denn nichts, das wirklich zu Herzen geht?»
O.K. Sie soll die Story von der allein gelassenen Mutter im Altenheim haben. Das Rührwerk ist zwar auch schon sechsmal publiziert worden. Aber ich werde aus der Mutti einen Transvestiten machen, der mit 78 sein Coming-out hat und vom 99-jährigen Vater, einem Ex-General, verstossen wird.
Das Happy End findet dann in der Heilig-Abend-TV-Schau «VERLORENE HERZEN» vor applaudierendem Publikum statt: Papi umarmt heulend seinen Sohn, der jetzt Ännchen heisst. Und das Schönste: Er schenkt ihm eine Nerzstola zum Fest!

Freitag Yvette Kolb und Jürgen von Tomëi haben mir ein Buch geschickt. Es ist eine Weihnachtsgeschichte. Und sie spielt bei meteorologischem Schneegang im Zolli. Dies gereimt. Und schön bebildert.
Yvette war zur Zeit von Orli Primaballerina und ein wunderbarer weisser Schwan.
Vermutlich hat sie aus dieser Schwanen-Zeit noch die Zolli-Erinnerungen? ich sauge mir also die Reime rein. Freue mich über den Witz und die lustigen Elefanten. Und rufe Zürich an:
«Also? ich hätte da eine Wahnsinns-Weihnachtsgeschichte: Es schneit. Im Zoo breitet sich Stille und ein weisser Teppich aus. Nur die Affen schreien rum, weil der Schnee sie schlaflos
macht?»
Nun wird die Limmat-Stimme aber sehr, sehr spitz: «Die Geschichte kenne ich.
Yvette Kolb hat sie mir auch geschickt. Wunderbar gereimt. Also verkaufen Sie mir keine Kopien? wir sind hier nicht am Strand von Rimini?»
PS. Die geplante Gastro-Serie «Iss dich froh» wurde von oben erwähnter Tussi dann unwiderruflich gestrichen?

Donnerstag, 13. Dezember 2007