Von Hakan als Krippenfigur und der heiligen Familie aus Zucker...

Donnerstag Innocent ist nicht das, was man einen Weihnächtler nennt.
DA TRENNEN UNS WEIHNACHTSBAUMHOHE WELTEN!
Während ich bereits nach den Sommerferien mit «Oh du fröhliche» rumpfeife und schon mal die Kugeln aus dem Keller hole, macht mein lieber Freund auf Nörgelstufe 10: «Was soll der Scheiss? Weihnachten ist Weihnachten. Und nicht eine Glamour-Revue-Show, die du monatelang vor der Premiere inszenieren musst. Also pack den Jesus wieder ein!»
Den Jesus ist gut. Ich besitze gut zwei Dutzend vom lieben Kind. Mal glorienumreift in der Krippe, mal winkend an Marias Brust? es lächelt von der Salzburger Kugel und ist auch schon mal aus eingefärbtem Delikatess-Zucker.
In Modena verkaufen sie in dieser kleinen Markthalle (von der wir in der Schweiz als Konsumenten nur träumen können) ganze Krippenspiele in farbigem Zucker. Selbst der ansonsten immer so grimmige Josef, der sich als junger Vater so unfit auf den krummen Holzstock stützt, sieht in Zucker gehauen zum Anbeissen aus.
JEDENFALLS BEISSE ICH IMMER AN. Und wenn ich dann aus Italien in Basel einfahre, jammert sich Innocent alle Passions-Töne aus dem gemarterten Herzen. «JA, DU MEIN LIEBES HERRGÖTTLEIN? MÜSSEN ES GLEICH 30 ZUCKER-KRIPPEN SEIN? WEISST DU NICHT MEHR, WIE LETZTES JAHR DIE AMEISEN ÜBER UNSERE LIEBE MUTTER GOTTES HERGEFALLEN SIND?»
Stimmt. Sie machten sich derart wollüstig über die Krippenfiguren her wie ein gewisser Fussballverein über ein 15-jähriges Groupie. Und dies nur, weil wir Maria nicht eingebüchst haben. Ansonsten überdauern Zucker-Krippen nämlich Generationen und haben kein Verfalldata (bei Groupies ist das anders).
Und als dann meine Freundin Evchen anrief: «Du glaubst es nicht? aber in Neapel haben sie jetzt auch Hakan Yakin?», da wusste ich: Den Hakan muss ich unterm Baum haben. Auch wenn er nicht aus Zucker ist!

Feitag Neapel ist eine wunderbare Stadt. Sie ist berühmt für einen Vulkan, dessen Blutdruck wie der von Onkel Alphonse immer auf tausend ist. Ferner sind die Neapolitaner berühmt für ihren Kaffee. Der kommt in derart heisse Tassen, dass deine Lippen am Porzellan zischen wie die Spiegeleier auf dem Feuerstein? jedenfalls ersparst du dir so ein teures Aufspritzen à la Hollywood und siehst auch ohne kostspieligen kosmetischen Eingriff aus, als wäre der Airbag zwischen Nase und Kinn explodiert.
UND DANN EBEN: DIE KRIPPEN.
Neapel hat eine Strasse, wo selbst im Hochsommer Krippenfiguren geschnitzelt, getönert und gepinselt werden. Die meisten Jesuskinder allerdings kommen aus China, dem Land der Heiden? aber die bringen ihn am preisgünstigsten zur Welt. Wenn er dann in der Krippenstrasse liegt, fragt keiner der vielen Touris: «Wo kommt denn der Jesus her?» Die Antwort auf diese heikle Frage hat Maria schliesslich auch immer offen gelassen.
Das Wunderbare an der neapolitanischen Krippenstrasse sind diese Krippenfiguren, die im gut traditionellen Sinne nicht unter den Baum gehörten. So ist beispielshalber Berlusconi immer wieder gern gesehen? bei den einen gart er als Satansbraten in Teufels Küche, bei den andern ist sein Glorienschein noch grösser als beim Engel der Verkündung. Und nun kündet mir Evchen also auch Hakan in Neapel an.
ICH MUSS HAKAN HABEN!
Und weil es ja preiswerter ist, engelsgleich mit EasyJet nach Neapel zu düsen, als mit einem Taxi von Binningen nach Bottmingen zu fahren, habe ich hurtig alle Ständlein in der Krippenstrasse abgeklappert und leider eine Pleite erlebt; aus eidgenössischer Sicht gabs nur DJ Bobo und eine kleinfingergrosse Eierfrau, die unserer Mutter Calmy-Rey glich. ENTTÄUSCHUNG! ENTTÄUSCHUNG!
Als ich bei den Händlern aufbegehrte, wir Eidgenossen hätten auch noch ein paar Promis für unter den Baum zu bieten, meinten die nur: «Das müssen Sie halt den Chinesen sagen!»
Und so bin ich reumütig nach Modena zurückgekehrt. Und habe 36-mal Maria in Zucker genommen.

Samstag Natürlich vibriert mein ganzes Haus schon heute im Strahlenkranz. Was AKW können, kann ich schon lange. Und die ganze Stadt strahlt mit.
«Es ist einfach ein Unsinn», wäffelt Innocent beim Frühstück. «Da redest du ständig von Energie sparen und wetterst gegen die Strahlungen deines Handys am Ohr? aber unser Haus verbraucht wegen deiner dekadenten Adventshow die Leuchtkraft einer Kleinstadt. UND WAS DAS DANN NOCH KOSTET!»
Ach Kinder? wer soll uns in diesen düstern Zeiten sonst einen Lichtblick ins Jammertal bringen? Das TV-Programm? Die Börsenkurse?
Evchen jedenfalls ist begeistert: «Das Haus sieht aus wie eine Anflugspiste?» Dann tut sie zerknirscht: «Apropos Anflugskiste? tut mir leid, dass es mit Hakan in Neapel nicht geklappt hat. Aber hier?», nun strahlt Evchen wieder, «ich habe dir das als Entschädigung mitgebracht. Sie haben die ganze Nationalmannschaft!»
Daraufhin schälte ich Hakan aus einem Seidenpapier. Der Fussballer wird als Kerze gleich neben der Zucker-Krippe leuchten?

Donnerstag, 29. November 2007