Donnerstag - Als ich bei Gianni den Garten bestellte, habe ich mir das natürlich blumig vorgestellt: Ich wandle mit einem Weidenkorb zwischen Zucchini-Beeten und Tomatenstauden. Und zwicke dann von diesen neuartigen Melanzane (die auf Deutsch den schrecklichen Namen EIERFRUCHT tragen - MAN STELLE SICH DAS VOR!) ich zwicke also eine dieser neugefärbten Melanzane im zarten «HUCH, DU KANNST MICH MAL»-Rosaton ab und erwäge, die Eierfrucht als Tischmilieu zu den gelblichen Kaki-Früchten zu drapieren.
SO HABE ICH MIR DAS ERTRÄUMT.
Die Wirklichkeit sieht anders aus und ist mit Problemen verknüpft.
Das fing schon an, als ich Gianni von meinem Gartentraum erzählte. Ich hätte ihm ebenso gut eine Reise auf den Mars vorschlagen können. Er sperrte die Augen entsetzt auf, kratzte sich am Kreuz und seufzte schwer, als er merkte, dass ich kein Witzchen gemacht habe: «Sie können die Tomaten von Rom per Taxi auf die Insel transportieren lassen - und es kommt immer noch billiger, Signore!»
Nun ist es einfach so, dass Gianni keiner aus dem Stamme der «ARBEITSBIENEN» ist. Gianni wurde auf dieser Insel geboren. Sein Grossvater war Gärtner. Sein Vater war Gärtner. Gianni ist Gärtner.
Da hier nie etwas anderes wächst als da und dort ein stachliger Kaktus oder Feigenbaum, so knorrig wie die alte Anna, die am Hafen vor einem Kübel mit welken Pflaumen hockt und auf kurzsichtige Touristen hofft, da hier also der Boden so fruchtlos ist wie die Idee eines Fasnachtsmuseums, HABEN GÄRTNER IMMER PAUSE!
Es ist somit ein schöner Beruf. Jedenfalls holt sich da keiner ein Burn-out oder schmutzige Hände. Hände, die im Schosse ruhen, haben keine schwarzen Fingernägel.
Man kann sich also vorstellen, was mein Vorschlag bei Gianni auslöste: zuerst unglaubliches Staunen. Dann ein Zittern. Und schliesslich Panik. ER SAH SICH SCHON AN DER HARKE.
Nun wurden Hunderte von Gründen ins magere Feld geführt, weshalb hier ein Garten ein Ding der Unmöglichkeit sei:
Wir haben kein Wasser... der Boden ist karger als das Haupthaar von Berlusconi... die Erde ist keine solche, sondern ein Steinbruch...»
UND DANN HAT DIESE NATTERZÜNGIGE GIFTSCHLEUDER DEN LETZTEN TRUMPF AUSGESPIELT: «... und Tomaten ziehen alle Schlangen, Wildschweine und Giftkröten an...»
Doch: Der Traum vom Weidenkorb mit den Eierfrüchten ist stärker als aller Unbill dieser Welt?
Samstag - Wenn der liebe Gott für die ganze Erde sieben Tage braucht, so hatte Gianni für zwei Beete mit Gemüse acht Jahre. Aus allen Nachbarinseln und weit runter bis nach Civitavecchia hat er Schwarzarbeiter aufgeboten. Vom Liegestuhl aus dirigierte er das Anlegen von Tomatenbeeten und Melonenfeldern. Und als alles endlich fertig war, sagte er grossspurig diese Worte, die er bei seiner amerikanischen Trine aufgeschnappt hat: «OK!»
Er entliess die Ostleute. Und döste weiter im Stuhl, so dass die erste Ernte als Dörrgemüse an den Stauden hing.
Bald einmal habe ichs geschnallt: Wenn ich eigene Tomaten haben und damit dick angeben wollte («darf ich euch einen Insalata Caprese aus dem Garten servieren - die Pomodori wurden vor einer halben Stunde sonnenwarm gepflückt»), wenn mir also nach Gartengeplänkel war, so hatte ich nun meinen müden Arsch selber zu bewegen!
Statt eines Weidekörbchens habe ich Hunderte von Plastikzubern getragen - DENN DIE NATUR BESCHENKTE UNS REICHLICH.
Eines Tages erwachte ich und dachte, die Sozialisten hätten auf unserm Gartenland zur Demo aufgerufen. Es war jedoch nicht der Rat der Linken. Es war das Rot der Tomaten. Die Pomodori waren über Nacht alle auf einmal rot geworden.
Fairerweise muss ich sagen, dass Innocent beim ersten Zuber angepackt hat. Aber er hatte es sofort im Kreuz und musste dann bei sommerlichen Hitzetemperaturen die Medima-Rheumawäsche anwerfen.
Nun ist die Ernte das eine. Aber was machst du mit all den Tomaten, wenn Liesels Ehemann aus Salzburg erklärt: «Na - Paradaiser saans aanzige, wo-n-ny net maag» und Innocent nachdoppelt: «Und ICH bekomme Aften von Tomatensäure! Da kann ich kein Wort mehr reden?»
Seltsam, dass die Weinsäure bei ihm nie etwas Ähnliches hervorgerufen hat! Es wären friedliche, stille Jahre gewesen?
Seit Tagen stehe ich nun am Herd. Schnipsle Tomaten. Und sehe ROT. Das Ganze ist zur wilden SUGO-ORGIE ausgeartet.
Als gestern unerwartet Besuch aus Basel kam, war keine einzige Tomate mehr am Strauch. Ich habe trotzdem «Insalata Caprese serviert: «Geht nichts über gartenfrische Tomaten?»
«Die hat er vom Supercenter?», musste Innocent natürlich seinen Senf dazugeben.
Ich lächelte süss. Kickte ihn unterm Tisch ans Schienbein. Und schmuggelte ein bisschen Pomodoro-Sugo unter seine Pasta - von wegen der Aften?