Von Fortuna in Gips und Liesels Besuch mit Kunst...

Donnerstag - Verflucht sei der Tag, als Innocent Liesel zum Abschied in seine Schwingerarme nahm, das Salzburger Jumbo-Knödel in die Weichteile kniff und ihr ins österreichisch verschmalzte Ohr flüsterte: «Und wann besuchst du deine lieben Buben auf der Insel?»
JA, HAST DU DA NOCH TÖNE?
ICH nicht.
MIR hats die Sprache verschlagen. Ein Rachegott hat all meine Wut in den Ellbogen geleitet, den ich einem gewissen Herrn Innocent ziemlich ungnädig dorthin rammte, wo dessen Taille sein sollte.
«Wouuuu?», brüllte das Weichei.
«Ja mei?», jubelte die Salzburger Alpen-Trine, «y frai my au? und y bring a ganz grossas Gschenggerl für mainer zwai Buaberln mit?»
«Wenn sie wieder mit ihrem überzuckerten Heidelbeerkuchen anreist, weiss ich, was die Möven fressen werden!»

Montag - Oh, hätte sie doch nur den Kuchen gebracht!
An jenem Tag, als das Unglück im Sportscabrio über den Berg jagte, wurde Innocent dann doch bleich.
«Juhuuuu?», winkte die Trachtenträchtige schon hinter dem achten Hügel. «Juhuuu? y hab wer dabei?»
Jetzt wurde Innocent aber echt flattrig. Er hatte fürs Nachtessen nämlich nur eine Sardine für drei Personen eingekauft. Und es war ganz klar, dass auf dem Beifahrersitz des Salzburger Schnellflitzers eine Dame in Weiss hockte.
«Was zu viel ist, ist zu viel», knurrte Innocent.
«? du meinst: ISST zu viel!», schleuderte ich Gift und Galle. «Ich habe dir gleich gesagt, du sollst zwei Sardinen nehmen - was machen wir jetzt??»
Innocent war dem Weinen nahe: «Wir gefrieren die eine ein und?»
«Die WAR schon gefroren - sonst hätte sie nicht nur 17 Cents gekostet!»
«Mach eine Sauce daraus?», jammerte er, «? und wir nennen die Sache dann?Spaghetti Nettuno?.»
In diesem Moment bremste Lieserl vor dem Tor. Sie streckte uns theatralisch beide Arme entgegen.
«Geh?», hetzte ich zu Innocent, «zieh sie vom Sitz. Das kommt davon, wenn man sein Auto um ein halbes Jahrhundert überlebt hat. Die kommt doch von alleine nicht mehr aus diesen Tiefen eines Rennschlittens hoch?»
UND DA HABE ICH ES GESEHEN!
Die Freundin auf dem Nebensitz war keine solche. Sondern eine Gipsfigur.
«Y hab euch mei neustes Kunstwerk mitbrocht?», jaulte Liesel. Ihr linkes Herz hatte sich im Rettungsgürtel verfangen und drückte nonstop auf die Hupe.
Ich nähere mich dem Gips alias Kunst. Das Ganze ist ein Zwischending aus trächtiger Seekuh und einem Igel, der die Masern hat.
«Is es net a wunderschaans Maderl??», keuchte nun die Künstlerin. «Y hobs?Fortunas Glück? tauft. Und waast, wos unser Kulturkritiker, der Herr Gschwätzig, im?Kroneblatt? von meiner Fortuna Liabs gschriiben hott...?»
Liesel nistelte in ihrer Gobelin-Handtasche mit dem Rosenmuster und streckt uns triumphierend den gedruckten Herrn Gschwätzig entgegen: «Daa - leests nur?»
Es waren zweieinhalb Zeilen: «Beim Anblick?Fortunas Glück? von Frau Liesel wird wohl auch dem Letzten klar, dass Österreich nie Fussball-Europameister werden kann?»
«Könntest du vielleicht mal die Künstlerin von der Hupe nehmen??», wandte ich mich eisig an Innocent.
Dann gab ich die Sardine in den Mixer.

Mittwoch - Jeden Morgen schweift nun mein erster Blick auf diesen Hügel mit den Feigenbäumen, deren Blätter so schrumpelig sind, wie das Dekolleté einer gewissen Nervensäge, die sich für Picasso hält. Und inmitten unserer verdörrten Artischocken steht im penetranten Weiss eines Eimers Frischmilch «Fortunas Glück» in Gips geschaffen.
Ihr Gesicht - so habe ich zuerst angenommen - sei von Disneys Dumbo, dem fliegenden Elefanten inspiriert gewesen. Es soll aber - so beteuert Liesel - Noemie Campell in Weiss sein.
DA WIRD SICH NOEMIE ABER FREUEN!
Immerhin hat die Kunst auch ihre schönen Seiten: Seit der Gips auf dem Land steht, ist keine einzige Wildsau mehr durch unsere Tomaten galoppiert. Und Gianni, nachdem er zuerst minutenlang das Holz vor Liesels Haus begafft und sich dann mit einem schweren Seufzer an den Schlitz gegriffen hat («Mortacci tuoi!»), widmete sich fast eine Stunde mit gerunzelter Stirn dem Studium unseres Glücks in Gips.
«A fescher Kerl?», gurrte Liesel kokett und wippte derart heftig mit den Hüften, dass sie abends von Innocent dann prompt wieder mit der hitzenden Kampfercreme gegen Hexenschuss eingerieben werden musste.
Endlich konnte sich Gianni von Fortuna losreissen und wir warteten gespannt auf den Kommentar. Er nickte Liesel anerkennend zu und erklärte, für seine Badezimmerdecke habe er genau denselben Gips angerührt?
Genüsslich habe ich Giannis Worte der italienischen Sprache unkundigen Künstlerin übersetzt.
Gianni hat mir den Tag gemacht. Denn was er gipst, hält nie länger als 20 Tage. Dann bröckelt alles - wie das Glück im Leben immer mal bröckelt.
Und Fortuna hoffentlich auch?

Donnerstag, 4. Oktober 2007