Vom «Aus» mit TomTom und «vincero» auf der Autobahn...

Freitag - Nein. Ich werde mich nicht mehr über den TomTom auslassen.
DIESES THEMA IST AUSGESTANDEN.
Hier habe für einmal ICH das letzte Wort gesprochen.
Es war vor Verona, als uns dieser sprechende Wegweiser von der Autobahn weg auf eine Nebenstrasse dirigierte. Grund: STAU.
Ich: «Hören wir nicht auf den alten Miesmacher - fahren wir trotzdem geradeaus?!»
Innocent: «Sofort nimmst du die Kurve? wir tun, was er sagt. Ein Computer irrt nie?»
Ok. Computer werden von irgendwelchen göttlichen Unbekannten gefüttert. Man steht in ihrer Macht. Sie führen einen zum Absturz. Sie führen einen zum Zusammenbruch. SIE FÜHREN EINEN ZUM WAHNSINN.
Ich also weg von der Autobahn. Rauf auf die Nebenstrasse. «? und fahren Sie nun 174 Kilometer immer geradeaus», soweit Herr TomTom.
Vor mir aber steht ein Lastwagen. Ich sehe Rot - es ist das Rot, das auch der arme Stier sieht, wenn er in die Arena kommt. Es ist das Rot, auf welches sich sämtliche Wut konzentriert. Und mein Rot sind die Stopplichter eines Lastwagens, der vor mir alle zwei Sekunden auf die Bremse geht.
Ok. Der Lastwagen kann nichts fürs Bremsen. Er kann aber sehr wohl etwas für diese Abgase, die er bei jedem Anfahren in meine Nase pufft. Trotz herrlichstem Sonnenschein stecke ich in tiefster Nacht. WESHALB WIRD UNSEREINEM DAS NUGGELN AN EINER ZIGARRE VERBOTEN, WENN DIESE BRUMMIS HIER EINEM PASSIV MITGASEN LASSEN??
Es geht nichts. Nur der Auspuff des Vorderlasters geht. Und mit ihm sämtliche Auspuffe all dieser Vor-Vorderlaster, welche von Herrn TomTom ebenfalls vorsorglich von der Autobahn weggeführt worden sind.
Herr TomTom, der uns sowie alle andern Verirrten dieser Welt in solches Elend geführt hat, erklärt seelenruhig: «BEI DER NÄCHSTEN STRASSE BIEGEN SIE LINKS AB?»
Die nächste Strasse liegt Stunden entfernt. Ich haue mit der Faust auf den Apparat an der Autoscheibe. Innocent jault auf: «BIST DU VERRÜCKT? PASS AUF? DER LAAAASTER?»
Da hat es gekracht. Die Vorderscheibe sah aus wie das frisch gecrashte Eis, das die Italiener GRANITA nennen.
Herr TomTom, der sich an die Scheibe angesaugt hatte, rutschte sanft vom Glas. Und meldete: «Bitte wenden Sie? bitte wenden Sie.»
Es war sein letztes Wort.
Als erstes habe ich den Computer in weitem Bogen ins anliegende Feld geworfen.
Als zweites den Lastwagen-Chauffeur begrüsst: «MIRACOLO! So ist es doch noch Tag geworden. Wer hinter Ihnen fährt, erlebt nämlich nur dunkelste Nacht!»
Und als drittes habe ich den ohnmächtigen Innocent mit einem Schluck Grappa wieder in die Realität eines Beifahrers zurückgeholt. «Pavarotti ist tot - und du machst wegen eines eingestauchten Kühlers gleich eine Oper?»

Samstag - Der Huckepack-Laster hat dann unsern Schrottkäfer samt 23 Tragtaschen mit aufgeweichter «Cailler Nuss», zwei gefälschten Louis-Vuitton-Säcken und Innocents Apnoe-Schlauch nach Modena transportiert. Im Hotel Canale Grande gab man uns das Notzimmer - und dies auch nur, weil ich dort die Portieri immer mit den neusten Swatch-Uhren besteche. MODENA WAR NÄMLICH TOTAL AUSGEBUCHT. Die Trauerfeier von grande Luciano hatte die Menschen aus aller Welt in die Stadt des süssen Essigs herbeigetrommelt. Und weil ich schon früher immer der Stimme von Luciano nachgereist bin, habe ich das Ganze als Wink von oben betrachtet. Und Herrn TomTom verziehen.
Natürlich kamen wir nicht in die Kathedrale rein. Das war für Prodi-Berlusconi und Co. Aber sie haben die Zeremonie auf dem Dom-Platz übertragen. Hier hat Bocelli alle zu Tränen gerührt. Selbst Innocent weinte. Ähnlich geweint hat er nur noch, als er die Rechnung für die Autoreparatur in den Händen hielt?

Montag - Gut - wir sind am Appennin auch ohne TomTom in einen Stau gekommen. Ein Lastwagen ist gekippt. Und Tausende von Plastikflaschen, gefüllt mit Mineralwasser «frizzante» haben die Strasse versperrt. So sind wir zwei Stunden im Plastik stecken geblieben.
«Da hast Dus!», nickte Innocent klugscheisserisch. Ich schob eine CD in den Player: «Die schönsten Arien Pavarottis». Luciano schmetterte sein unvergessliches «vincerooo».
«Lauter!», rief der Wohnwagenfahrer vor mir.
Ich drehte voll auf.
Luciano sang für alle.
Auf der verstopften Autobahn lächelten die Menschen. Und schauten mit geschlossenen Augen himmelwärts?

Donnerstag, 27. September 2007