Von den falschen Zwillingen und den «Misèrables» am See...

Montag - Als diese wunderbare Einladung der Miserablen ins Haus flatterte, musste ich mich doch sehr wundern: weshalb ich? Hats nicht Miserables genug?
Dann freute ich mich aber doch. Und schrieb: Ich würde die Partie der stockbesoffenen Wirtin gerne singen.
Man schrieb umgehend zurück: Die Rolle sei schon besetzt. Ich solle doch einfach so an die Premiere kommen. Wenn möglich trocken. Denn nass könne es dann immer noch werden - der Zuschauer sitze nämlich unter freiem Thuner Sternenhimmel. Ob ich den schon bei Halbmond erlebt hätte?
Na danke. Habe ich. Da war ich keine 17. Und Ulrich hatte ein Segelboot. Er segelte immer. Und überall. Er segelt auch heute, 40 Jahre später, was die Maste halten.
Damals: ich auf dem Boot. Und Ulrich hatte alle Hände voll zu tun - dies nicht nur mit den Segeln. Das Boot schaukelte wie mein lieber Vater, wenn er nach acht Bierchen vom «Hopfenkranz» heimkam. Über mir das Sternenzelt. Unter mir der See schwarz wie Teer. In mir: das Kötzi.
Ich lag über der Bootskante und fütterte die Fische. Ulrich und ich hatten uns die Nacht auf dem See anders vorgestellt.
UND DA FRAGT MICH DIESES PRESSETUSSI, OB ICH DEN THUNERSEE BEI HALBMOND SCHON ERLEBT HÄTTE.
Ich habe ihn überlebt.
Doch segeln wir zum Anliegen der Miserablen-Dame zurück: Klar, Scheinwerferlicht wäre mir lieber gewesen. Aber man versprach ein VIP-Ticket. Da sagte ich zu. Insbesondere, da in Adelboden die Matratzen gekehrt werden mussten...

Freitag - Ein unglaublicher Zufall wollte es, dass meine beiden fitten Vettern Tom und Marc zur selben Zeit Ferien hatten, als ich in Adelboden das Bett auslüften wollte.
NATÜRLICH IST ES KEIN ZUFALL. DIE BEIDEN MUSKELBAUER MACHEN SICH BEI INNOCENT SCHLAU, WANN ICH LOSFAHRE. UND GEBEN DANN URLAUBSTAGE EIN.
So winkt ihnen die Pension «Vetter». Und Bemutterung rundum. Na ja: Betantung, wenn mans genau nimmt.
Als ich ihnen die Sache von den «Misérables» auftischte, ging das Theater los. Sie prügelten sich im Heu, bis ich die Kasse anrief und ein drittes Premieren-Ticket reservierte.
«DAS IST DANN ABER KEIN VIP!», jaulten beide. «WIR WOLLEN DOCH IN?GLANZ UND GLORIA?.»
Da rackert man sich jeden Tag drei Mal täglich mit Kalbsrollbraten, verlorenen Eiern und handgeraffeltem Birchermiesli ab. Und was will die Welt? Glanz und Gloria!

Sonntag - Zur Premiere trimmten sich Marc und Tom auf «Emil und die Zwillinge». Ohne Emil.
Sie warfen dieselben Klamotten an. Drapierten ihr spärliches Haar beide auf die linke Seite. Und gaben sich so kamerageil.
Da sie aber nicht wie die Zwillinge Faesch nur 300 Sekunden, sondern ganze 198 Wochen auseinanderliegen, gabs nicht dieselbe Wirkung.
Ich selber schälte mich in diesen pistachegrünen Seidenkittel, den mir Herr Mooshammer selig einst günstig überlassen hatte, weil das «Pistache» selbst ihm «etwas arg süss» war.
«So laufen wir nicht neben dir!», jaulten die Vettern. «Erstens ziehst du die Mücken an. Und zweitens könnten die Leute ja glauben, wir seien auch so...»
UND FÜR SO ETWAS HABE ICH DEN BRATEN GEROLLT!

Montag - Es war ein strahlender Tag am See. Wir waren umringt von Enten und bunten Vögeln - Letztere kamen vorwiegend aus der TV-Szene, weil das Schweizer Fernsehen das Miserable unterstützt.
Dieser Komiker der Schmirinski etwa - er verbarg sich hinter einer Sonnenbrille. Und glaubte an die Reinkarnation von Greta Garbo. Aber die Leute hatten eh nur ein Auge auf die Miss-Schweiz-Kandidatinnen, die da im Einheitslook vorbeiparadierten. Meine Vettern wurden gelb vor Neid: «Wie schaffen die das alle wie eineiige Zehnlinge auszusehen?»
«Sie haben mehr Haar!» gab ich mein Gift ab.
Gottlob haben wir dann inmitten des VIP-Reigens doch noch Helmuth Hubacher getroffen. Er stand vor der Toilette Schlange. Und zumindest ER kam ganz normal. Nicht mal die rote Krawatte hatte er umgebunden. Das «Thuner Tagblatt» hat ihn dennoch für die «Zu Gast an unserm See»-Seite geknipst. Und als dann noch George Gruntz auftauchte, wussten wir: Wir haben Mooshammers Grünes nicht umsonst angeworfen. ES IST EIN GROSSER ANLASS.
Die Aufführung war wunderschön bis zu dem Moment, als es à gogo zu schütten begann. Die pistachegrüne Seide löste sich auf wie all meine Hoffnung, in Glanz und Gloria unter den VIPs aufgenommen zu werden.
Die Vettern sahen aus wie gerupfte Hühner - nur auf der Bühne kämpften die Aufständischen tapfer singend weiter.
Im strömenden Regen fuhren wir wieder nach Adelboden zurück. «Wir könnten eine heisse Mitternachts-Suppe gut vertragen...», bibberten die falschen Zwillinge auf dem Hintersitz. Und tropften in die Aschenbecher.
Pension «Vetter» geschlossen - knurrte ich.
«Hast du deine Tage?», giftelten sie.
Da wusste ich, dass das Miserable auch in den eigenen Reihen spielt.

Donnerstag, 9. August 2007