Donnerstag - Innocent schaut düster zum Fenster hinaus: «Es wird regnen!»
ER MACHT ALSO AUF WETTERFROSCH.
Und dann auf Unke: «Die Klimaveränderung hat unsern ganzen Keller überschwemmt.»
Gut dass man heute alles dem veränderten Klima in die Schuhe schieben kann (Gestänker der Redaktion: Hallo Dummi - wie sehen die Schuhe eines Klimas aus? - DIESES BILD IST FALSCH!).
Innocent rührt heftig in seinem Gesundheitsdrink, den er sich aus gepulverten Vitaminen, getrocknetem Eiweiss und einigen künstlichen Geschmackswolken in einem Schüttelbecher schaumig gehoppelt hat. Seit seine Smokinghose an den Festspielen von Garsington mit einem leisen Zischen die unschöne Hinterfront frei gegeben hat, ist er auf Pulverdiät.
Das in Garsington war folgendermassen: Er wollte in der Pause so einer adligen Trine, die ihm ihre Klunker und sämtliche Blaublutadern auf dem Händchen entgegenstreckte, die Nagelspitzen küssen. Verbeugte sich tief. Und da eben: RATSCH!
Die Hose, die er zur silbernen Hochzeit seiner lieben Eltern (gleich nach dem Krieg, als Churchill mit dem V-Zeichen durch London fuhr) in der Portobello-Road secondhand gekauft hatte, war zwar gute Vorkriegsware. Sie überlebte spielend die Mondlandung wie die Königin Mutter und zwei Generationen-Bush-Präsidenten - ABER BEI INNOCENTS ERDNUSS-BAUCH WARF SIE DAS TUCH. UND ERGAB SICH SEUFZEND, RITSCHRATSCHEND.
Mit Erdnussbauch meine ich: WESHALB KANN ER EIN BIER NICHT EINFACH SO RUNTERSTEMMEN? WARUM MUSS ER IMMER GLEICH KÜBELWEISE VON DIESEN GESALZENEN ERDNÜSSEN NACHWERFEN?!
Doch wir schreiben uns da vom Hundertsten ins Tausendste, dabei geht es um die Klimaveränderung und das Wasser im Keller.
Damals, als dieses schreckliche Unwetter über Basel kam und mein fitter Vetter sich vor dem Fernsehkübel irgendeinen fühligen Schleimer mit der Kulisse «TRAUMSCHIFF» reinzog, da wurde sein hoch empfindliches Gemüt von einem Donnerschlag durcheinandergerüttelt, sodass er das Traumschiff sinken liess und in den Keller eilte, wo das Wasser so hoch stand, dass selbst eine Flotte von Ozeandampfern problemlos vor unsern Einmachgläsern hätte ankern können.
Die ganze Kraft des Vetters steckt in den Waden, in den Oberschenkeln und eventuell noch irgendwo dazwischen - aber der Rest ist lahmgelegt und hier insbesondere diese grauen Hirnzellen, die den IQ und das «Gscheitle im Menschen» ausmachen.
Die Feuerwehr, die er weinend herbeirief, lachte ihm in den Hörer: «Guter Mann, ihr Keller ist nicht der einzige Jachthafen dieser Nacht!» - und so holte er die Schneeschaufel der kalten Tage. Er grub damit stundenlang Wasser ab. Dann rief er jammernd auf die Insel an: «Das Haus ist Venedig - und mein Traumschiff habe ich auch nicht fertig sehen können...»
MIT ANDERN WORTEN: DAS TRAUMSCHIFF IST IN VENEDIG UNTERGEGANGEN!
Es dauerte drei Tage, bis all das viele Wasser im Keller den Weg in die Dohle und somit nach Rotterdam, wo alle Wasser dieser Baslerwelt mal hinfliessen, gefunden hatte. Jetzt aber zeigte sich, dass die Wellen auch sämtliche Etiketten von den algerischen Rotweinflaschen, die Innocent bei einer Denner-Aktion zum Essig-Preis im Dutzend hamsterte, weggespült hatten. Die Weine sind keine Algerier mehr. Sondern einfach rote Flaschen. Denn Allah ist gnädig - so hat er aus dem billigen Algerier plötzlich einen teuren Bordeau gemacht, den unser sparsamer Freund jetzt mit viel Getue und Gesums («ganz spezieller Tropfen») den Gästen entkorkt.
ALSO DIE KLIMAVERÄNDERUNG HAT SO GESEHEN AUCH GUTE MOMENTE!
Leider hat das Wasser im Keller auch vor meinen letzten roten Messesäcken nicht haltgemacht. Es hat sie zerfetzt, zermatscht, zerfleddert - wie kleine Blutlachen sollen die purpurnen Papierfetzen in der Flut obenauf geschwommen sein (wenn man den Schilderungen des Vetters glauben schenken mag) -, Tatsache ist, dass die Klimaveränderung nun auch noch die letzten Erinnerungen an jene wunderbare Zeit, als die Welt noch einen roten Messestand mit roten Papiersäcken hatte, weggespült hat.
OH JAMMERTAL!
In unserm Keller keuchen und pumpen nun seit Tagen irgendwelche asthmatische Kästen. Sie sollen das Nass aus den Böden und Wänden ziehen. Sie haben das auch schon teilweise geschafft - und die Wassertropfen in kleine Silberfischlein umgewandelt. NA, DANKE!
«Gegen die Naturgewalten kommt keiner an!», seufzt Innocent. Und kippt nochmals tapfer einen Schluck vom Vitamin-Cocktail in sich rein. «Der Mensch ist weniger als so viel...»; er schnippt mit den Fingern, was wohl das «so viel» bedeuten soll.
Ich denke an die Silberfischlein im Keller, die es nun dank der Klimasituation gut haben. Und ich schaue aus dem Fenster und sehe eine schwarze Wolke, die sich langsam über der Antoniuskirche ausbreitet. Bereits zuckeln ein paar Blitze.
Ich bin froh, dass mein fitter Vetter jetzt irgendwo, mit Kopfhörern von dieser ungemütlichen Klimawelt abgeschirmt, auf einem Stahlross hockt und seinen Arsch hart strampelt. Er stiert auf einen Bildschirm, der ihm verlorene Kalorien und gewonnene Stärke anzeigt - er ist gegen die Klimaveränderung immun.
«Es wird regnen», sage nun auch ich zu Innocent.
Und stelle im Keller mal die Schneeschaufeln bereit...
Von den Fluten im Keller und dem Klimawandel
Donnerstag, 5. Juli 2007