Donnerstag - Wenn mein lieber Erbonkel Rudolf, eine Seele von Nervensäge und rüstig auf den Beinen, aber wackelig im Zahn, wenn Onkel Nudelstadt also anruft und ins Telefon bellt: «Komm. Aber komm mit einem gewaschenen Auto - ich will mich nicht wieder blamieren!», so heisst das: «GEWEHR BEI FUSS!»
Deshalb ich: «Kommt die Tante auch?»
«Ja», knurrt er, «und du wirst dich anständig um sie kümmern. ICH HABE NÄMLICH ENORM ZU TUN. Dann stelle ich ihr noch Innocent zur Seite. Das kostet mich pro Essen eine Flasche mehr, aber die Freiheit ist mir dies wert?»
ES IST NICHT NETT, DEN LIEBEN INNOCENT MIT EINER FLASCHE AUFZUWIEGEN.
Freitag - Ich küble mit meinem Kleinstkarren durch Ligurien. Das Auto hat vor zwei Tagen noch einem afrikanischen Sandsturm auf der Insel standgehalten. Nun sieht es aus wie frisch paniert. Überdies stinkts nach diesen penetranten Toscani-Stumpen, weil Gianni, der Mann für jede und alles, meinen Polo auch für den Transport seiner Zitronenbäume nutzt. DABEI RAUCHT ER WIE DER FRISCH AUSGEBROCHENE ÄTNA.
Kurz: Das Auto sieht so aus, dass die Benzinwarte an den Tankstellen zuerst nach der Kreditkarte fragen.
Ich spienzle mit einem von diesen immer teurer werdenden Euro-Talern als Trinkgeld, wenn sie mir die Scheibe wischen.
WISCHEN WÜRDEN.
Sie verzichten dankend auf den üppigen Obolus und erklären, sie hätten keinen Spachtel im Haus.
ABER DANN WIEDER GEWERKSCHAFTLICH ORGANISIERT AUF DIE STRASSE GEHEN UND NACH MEHR LOHN BRÜLLEN!
Ich weiss, was ich nächstes Mal wähle!
Samstag - Vor meinem Onkel buckeln sich die Hotel-Pagen jeweils bei dessen Ankunft die Rücken krumm.
Ich komme auch. Aber keiner krümmt. Nein. Sie verkrümeln sich. Und lassen mich meine Bagage alleine aus dem Dreck stemmen.
O.k. - das Auto sieht ein ganz klein bisschen nach Apokalypse und durch den Wind gedreht aus - aber das ist noch lange kein Grund, die Flucht zu ergreifen und so zu tun, als wäre ich nicht da.
Onkel Nudelstadt tut dies auch nicht. Er macht sich sehr akzentuiert bemerkbar: «DU KANNST DIR DEIN ERBE DURCHS PASSEVITE LASSEN! DAS IST KEIN AUTO. DAS IST EINE FAHRENDE ABFALLMULDE!»
Ich beginne zu heulen, weil ich weiss, dass er bei seinen weinenden Sekretärinnen auch immer schwach wird.
LEIDER BIN ICH EIN 60-JÄHRIGES WRACK, DAS IN TRÄNEN AUFGELÖST NICHT MITLEIDERREGEND, SONDERN WIE EDAMER AN HUNDSTAGEN AUSSIEHT!
Der Onkel dirigiert einen der Livrierten, der vorhin noch das Weite gesucht hat, herbei: «Laver sö Soi Wuatüür la! Ma dallidalli? nu wulong allee a Grasse pour le Schmeggiwasser?»
Und «oui monsieur NÜDELSTADT? biensûr Monsieur NÜDELSTADT? toute de suite, Monsieur NÜDELSTADT», füdeln diese Weicheier herum. Und schleppen Eimer mit Laugen an.
«? und Du kümmerst dich mittlerweilen um die Tante. Geht zum Polo. Oder spielt im Casino. Ich habe zu tun. Treffpunkt in drei Stunden!»
«Ich dachte, er sei pensioniert», maule ich zu Ruthchen, als ich ihre Schuhpakete durch das Cannes von 40 klimaveränderten Graden trage.
«Dein Onkel arbeitet immer», erklärt sie huldvoll. Dann mit sträflichem Seitenblick auf mich: «Irgendeiner in dieser Familie muss ja den Rubel reinbringen?»
«Ich habe bereits ein Mimpfeli geschrieben», begehre ich auf.
«Ach Gottchen?», sagt die Tante.
Dann wird jeder Einwand von mir gegen ein sechstes Paar Stiefel eingetauscht.
Sonntag - Innocent, der mit Onkel und Tantchen angereist kam, liegt mit Bronchitis im Hotelbett.
NUN ALSO AUCH NOCH KRANKENSCHWESTER! Ich kaufe Nachthemden ein (weil jedes nach drei erwärmten Klimastunden bereits wieder tropenfeucht ist)? hole Erdbeeren und Bananen auf dem Marché, (um sie dann selber zu essen, weil es dem Bronchiter um Rührei mit frischem Spargel ist).
Ich putze alles Üble und spritze den armen Kranken so ab, wie die Hotel-Livrierten meinen VW Polo. In der einzigen freien Minute will ich mich kurz aufs Himmelbett werfen, da schellt das Telefon. Eine Frauenstimme gurrt. «Allo JouJou- Rüdolf, c?est toi? Ici ta petite chauve-souri?»
CHAUVE-SOURI? ICH BIN DA DIE FALSCHE NUMMER!
An der Rezeption treffe ich meinen Onkel.
«Allo JouJou!»
Er zuckt zusammen. Ich flöte: «Je suis ta petite chauve-souri?»
«Halt den Rand», zischt er. «Ein Wort zu Tantchen und du bist enterbt.»
Beim Nachtessen tätschelt diese ihm die welke Hand: «Du arbeitest einfach zu viel, mein Schatz!»
«Ja Ruthchen?», hüstelt er.
«Allo JouJou?», zirpe ich.
Onkel Nudelstadt wirft genervt das Weinglas um.
Die Kellner wedeln schon herbei.
Am andern Tag schleppe ich meine Koffer wieder alleine ins Auto. Keiner da, der wedelt!