Donnerstag - Als Catherine mir in ihrer unmissverständlichen Art kundtat: «Ich werde heiraten, und Du wirst Dir zum Fest etwas Anständiges an den Ranzen werfen», da wusste ich: ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF.
«Ich habe nichts anzuziehen!», jammere ich bei Innocent am Frühstückstisch, als der wieder sein Dreiminuten-Ei auslöffelt und den Dotter so in seinem Schnauzer verschmiert, dass Letzterer arg vergackeiert aussieht.
«Sag mal etwas Neues», nuschelt es aus dem Eigelb hervor.
«Catherine geht vor den Altar. Sie ist meine zweitbeste Freundin. Und da will ich nett aussehen...»
«Sie geht ja nicht mit dir», mümmelt Innocent und taucht mit flutschigen Geräuschen Brotkrumen ins Ei. SO ETWAS STELLT JEDE MORGENDISKUSSION AUF «OUT», SAGE ICH EUCH.
Einfach: flutsch... glitsch. BRRRR...
Ich werfe Innocent eine Schachtel mit diesen feuchten Kleenextüchern hin, die Krankenschwestern bei Problempatienten immer mit sich führen: «Es geht darum, dass ich an der Hochzeit meiner zweitbesten Freundin nicht wie der letzte Mensch aussehen will...»
Innocent: «VERGISS ES. ES GIBT DIE CHANCE AUF EIN LEBEN NACH DEM TOD. DA SIEHT ALLES BESSER AUS. AUCH DU...»
NA BINGO!
Nun hat er mit dem Gelben vom Ei tatsächlich Tante Annis handgeklöppelte Feinspitzendecke bekleckert. UND WIE KRIEGT EINER SO ETWAS WIEDER SAUBER? In den Fernsehwerbungen geht das im Nu. Fleckenspray. Schongang. Dämpfen. Aber in der Praxis sieht die Spitze nach der Wäsche-Bügel-Prozedur aus, als hätte Göpfis beste Milchkuh das Ding wiedergekaut...
«MIT DIR KANN MAN NICHT REDEN!», erhebe ich mich genervt vom Frühstückstisch.
«Wenn Du schon stehst - drück mir noch einen Espresso raus!», soweit der Eikleckerer.
Er klopft mit dem Silberlöffelchen das zweite Ei an.
Für einen kurzen Moment wünschte ich, ich hätte den Löffel. Und er wäre das Ei.
Samstag - Der etwas dunkle, aber urgemütliche Laden von Signore Petrelli liegt in Modena. Genauer: an der Via Canale Grande.
Im Schaufenster funkelt eine Krawatte in diesem Pink, mit dem Paris Hilton Lippen und Zehennägel streichen lässt. Man nennt es das Hilton-Pink. Und dieses zog mich so magisch an wie der Misthaufen die Fliegen.
Signore Petrelli holt das prächtige Stück aus der Vitrine. Mit einem Schall von «ohhh... aaahhh... oioioi» hält er den pinkigen Fetzen an mich - und ist entzückt: «Das steht Ihnen squisito, caro mio, squisitissimo!»
Petrelli flötet um mich herum wie Tamino um die Königin der Nacht. Dann sülzt er etwas von einem passenden Hemd zur Krawatte.
Zum Hemd hatte er Kittelstoff. Zum Kittelstoff einen Hosenvorschlag. WAS FÜR BEGNADETE VERKÄUFERHÄNDE!
Jedenfalls verlasse ich das Geschäft nicht, ohne meine Traummasse zurückzulassen.
Innocent bekommt ein SMS:«ANZUGSPROBLEM GELÖST. STOP... BRAUCHEN EINEN BANKKREDIT.»
Dienstag - Bei der ersten Anprobe vor dem grossen Spiegel Signore Petrellis musste ich dann doch drei Mal tief durchatmen: «Ist die Farbe nicht ein bisschen - ähmm... auffällig...?»
Herr Petrelli verwarf hysterisch beide Hände: «Ma no, Signore... per carità... das ist der letzte Schrei... Donatella Versace selber hat es getragen und...»
ACH GOTTCHEN. DIE GUTE DONATELLA MUSSTE JA AUCH NICHT SO GRÜN INS BASLER MÜNSTER.
Als ich den kleinen Fetzen Muster-Stoff begutachtete, da schimmerte er nicht in diesem Froschgiftiggrün wie jetzt, wo alles wie eine Frühlingswiese auf Beinmass aussieht.
«BETRACHTEN SIE SICH IM TAGESLICHT», rief Petrelli hysterisch, weil ich nicht in Freude explodierte. «DAS IST HAUTE COUTURE. SO PFEFFERMINZGRÜNES GABS NOCH NIE!»
Das mit dem Tageslicht hätte er ALLERDINGS nicht sagen sollen. Als ich nämlich draussen in der grellen Sonne stand, wars, als hätte man ein Spinatbeet mit Aufheller verklärt - jedenfalls jagten sämtliche Bienen und Käfer, Schmetterlinge und Falter von Modena hypnotisiert in Richtung neuer Hose. «Da sehen Sie - was für ein Erfolg!», freute sich Petrelli mit den Bienen.
Der Kittel wirkt etwas dezenter: verwaschener Sandton. Und handbreite Grünstreifen, welche die farbliche Brücke zu all dem bauen, was unter dem Gürtel so blüht...
Will einer etwas über die Reaktionen von Herrn Innocent wissen?
Zuerst wurde er weiss wie die Schale vom Ei.
Dann schüttelte er sich in einem Lachkrampf, der aber abrupt endete, als ich ihm die Rechnung von Signore Petrelli präsentierte.
«Ja was hast Du Dir dabei gedacht...», heulte er nun.
«DONATELLA VERSACE TRÄGT ES AUCH...» - O.k. Das war nicht die passende Entschuldigung. Aber es genügte, Innocent einen Moment verstummen zu lassen - schliesslich flüsterte er: «Aber sooo kannst Du nicht ins Münster. Pfarrer Christ trifft der Schlag, wenn er einen Frosch in der dritten Reihe beten sieht...»
Immerhin - die Paris-Hilton-pinkige Krawatte kam auch bei Catherine und ihrem Bräutigam gut an.
«Tipptopp», sagten sie.