Donnerstag - «Wenn du die Lichter des Paradieses geniessen willst, musst du die Fallas sehen!»
Das ist nicht Goethe.
Das ist Rufli.
In Spanien heisst Rufli RUFINA. Aber inBasel nennen sie alle Rufli. Als sie aus Valencia hierherkam, heiratete sie einen Schweizer Feuerwehrmann. Und wurde schweizerischer als das Matterhorn.
Rufli ging als fröhliche Wirtin in die Kleinbasler Beizen-Geschichte ein. Noch heute betreibt sie bei der Feldbergstrasse ein Etablissement mit Damen. Und kocht die beste Paella der Stadt. An einer Fasnacht ist sie 72 Stunden auf den Beinen: «... und das ist noch gar nichts. Wenn du die Lichter des Paradieses geniessen willst, musst du die Fallas sehen...!»
Damit wären wir wieder beim ersten Satz.
UND IN VALENCIA. BEI RUFLI.
«Natürlich gehst du in meine Wohnung. Unten ist eine Beiz und es stinkt immer nach verbratenen Calamares, weil Jose die einfach zu lange auf dem Grill verkohlen lässt - das reinste Krematorium, sage ich dir. Aber du bist dort in einem Quartier der Valencianer. Du hast die Fallas vor deinem Bauch. Und die Churrerias in der Nase...»
CHURRERIAS?
Natürlich wissen nur Spanienkenner und die Freunde von der Stimmungswelle in Mallorca was Churrerias sind. Bei uns wären es die Wurststände. In Spanien sind die Wurststände eben süss. Sie haben riesige Wannen mit brodelndem Öl. Und in dieses Öl tauchen sie nun Teigwürmer, die einen sehr spezifisch duftenden Fettnebel von sich geben (und es gibt nichts Schlimmeres als so einen Fettnebel auf nüchternen Bauch!). Schliesslich aber steigen köstliche Bratteigwürmer aus den brodelnden Goldblasen. Diese Churros werden in ein Zeitungscornet gesteckt, mit Zucker überstreut - UND DER REST IST EIN STÜCK ZUM WEG INS PARADIES. UND MEIN WEG WAR MIT TONNEN VON DIESEN CHURROS GEPFLASTERT.
Aber noch sitzen wir in diesem Billigflugzeug, das mein Übersetzer und Freund Benni aufgetrieben hat. Und das von Basel im Hui (pardon: im TUI) nach Mallorca fliegt. Dort steigt man nach Valencia um. Und ich muss zugeben: Die Hochzeitsreise nach St. Moritz war umständlicher...
Etwas beschwerlicher ist die Taxifahrt vom Flughafen zu Ruflis Quartier, das sie Malvarrosa nennen.
«Todo cerrado...», jammert das wild steuernde Männchen, «seit Anfang März feiern diese Idioten schon las Fallas. Sie verbarrikadieren die Strassen um ihre Riesenmännchen zu bauen. Wie soll unsereins noch Geschäfte machen, wenn man nirgends vorfahren kann... SIE MÜSSEN HIER AUSSTEIGEN!»
Daraufhin schleppen wir die Koffer eine Stunde lang durch Ruflis Quartier. UND DAS IST EIN GENUSS, SAGE ICH EUCH!
Wir können das Haus einfach nicht finden. Erst als ein penetrantes Duftgemisch von verkohlten Calamares und fetten Teigwürmern unsere Nasen kitzelt, wissen wir: HIER MUSS ES SEIN.
Überall lassen kleine Kinder Knallfrösche und Kracher zwischen unsern Beinen ab. Die Mütter lachen herzlich und die Väter küssen stolz ihre Söhne ab. Nur Benni, selber Spanier, aber von der Atlantik-Seite, wo die Galizier herkommen, meint verächtlich: «Diese Valencianer benehmen sich während der Fallas wie junge Hunde...»
Als Jose uns fröhlich in die Arme schliesst, ist dies einerseits sehr angenehm, da er rundlich weich und bauchig anzufühlen ist, andrerseits aber auch etwas seltsam, da er die Pulpo-Zange nicht aus den Händen lässt und Bennis weisse Hose bald einmal aussieht, als hätte er in Mary Popins den Kaminfeger zu spielen.
In der Wohnung trifft mich dann schier der Schlag: BASEL IN VALENCIA.
Das Münster grüsst, auf Gobelin gestickt, von der Wand, porzellanige Fasnachtsfiguren winken vom Buffet - und eine uralte Trommel ist ein allerliebster Kaffeetisch.
Nur neben einer Waggislarve hebt ein Heiliger in Öl segnend die Hände.
«Das ist Jose», sagt Jose. Der Wirt schaut stolz zu seinem Namensvetter: «Er ist unser Stadtheiliger. Überdies ist er für den Vatertag, die Zimmermänner und die Fallas verantwortlich...»
Jose (nicht der aus Öl) schaut uns neugierig an und zeigt dann auf den Waggis mit dem riesigroten Zinken: «Rufli sagt immer, dieser hier sei in Basel noch heiliger als San Jose... stimmt das?»
«Ein bisschen schon», sage ich. «Aber unser San Waggis brät Klöpfer und kocht Suppe aus Mehl - da gibt es weder Churros noch Tintenfische...»
Jose schlägt das Kreuz und linst den Larvenkopf nun etwas naserümpfend an: «Aha - sicher einer aus Galizien...»
Montag - Es ist eine Mischung aus Weihnachten und Fasnacht. In allen Strassen und Quartieren Valencias tanzen und funkeln Millionen von Lichterkompositionen. Und an jeder Ecke steht eine dieser berghohen Papier-Maché-Holzstatuen (meistens mit einem lokalen Bezug wie unsere Fasnachtszüge), die sie immer in der Nacht vom 19. März morgens um halb zwei Uhr mit Benzin übergiessen. Und verbrennen.
DA LODERT UND KNALLT DIE GANZE STADT.
Zu allem gibts Tanz mit Churros. Und bei Jose dann Calamares vom Grill.
Letztere verbrannt wie die Fallas...