Donnerstag - Als Innocent uns in Monte Grotto, vor diesem schrägen Hotel-Kasten, dem eine optimistische Seele den Namen «Fango-World» gegeben hatte, auslud, da tippte er an den Hutrand. Gab Gas. Und düste in Panik weiter.
«Ihr Taxi?», schaute Ernesto, Kammerdiener, Concierge und Hoteldirektor in einem, dem alten Jaguar nach.
«Unser Chauffeur», strich Evchen dick die Butter aufs Brot. Und dann: «Eines sage ich Ihnen gleich, caro Ernesto - wenn ich wieder über den Schweinen schlafen muss, sind die schneller ihre eigenen Würste, als dass Sie Ihre Drittzähne angesaugt haben...»
«Va bene», strahlte Ernesto und machte das V-Zeichen zu Evchen. Er schaute sie mit einem langen Blick an.
NATÜRLICH WARTETE EVCHEN AUF EINEN CHARMANTEN KOMMENTAR.
Seit die einstige Catcherin der obern Pfundklasse sich nämlich einer Hungerkur unterzogen hat und mit knapp 60 Lenzen plötzlich vom Fleisch fällt, wie das abgehangene Huftstück nach 80 heissen Hundstagen, da erwartet sie, dass die Umgebung in Entzücken ausbricht: «JA SIND SIES ODER SIND SIES NICHT...?!»
Die Menschen lügen dann schamlos diesen Schmäh wie «Sie sehen aus, wie ihre jüngste Tochter» oder fragen etwas direkter: «Bei wem haben Sie absaugen lassen?» - aber Ernesto stierte nur: «DIAVOLO? - WO IST SCHÖNES FLEISCH GEBLIEBEN?» Als alter Schweinezüchter mit Fangobetrieb sind ihm fettlose Schinken suspekt. «Signora», jammert er nun zu Evchen, «SIE SO SCHÖNES FRAU. UND NUN AUSSEHEN WIE POMODORO SECCO...»
Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, liess ich meinen Bauch kreisen, wie es mir Fatima im orientalischen Nabeltanzkurs beigebracht hat.
«Si, si, Signore», winkte Ernesto müde ab, «eine alte Sau wird auch nix frischer...»
NA DANN RATET MAL, WER IN DER KUR NUN ÜBER DEN SCHWEINEN SCHLÄFT...
Samstag - Ernesto hat uns empfohlen, die «Vollpension» bei «Fango-World» zu buchen: «Schinken, Fango und Massage - alles inbegriffen.»
Das Prozedere sieht so aus: Mitten in der Nacht wirst Du geweckt. Allerdings hat eh keiner schlafen können, weil der Eber Grunzbrunstlaute sowie einen Moschus-Duft im Parterre von sich gibt, dass Du Dich nach Innocents pfeifenden Schnarcheltönen und nach seinem etwas säuerlichen Aktions-Nivea-Duft zurücksehnst.
Aber Innocent kurt einmal mehr im Luxus-Hotel.
DEM IST ABER KEINE SCHÖNE SZENE VORANGEGANGEN: «Jetzt, da wir amtlich registriert sind, habe ich auch das Recht auf Kellner mit weissen Handschuhen und einen Masseur, der nicht nur weiss, wie man eine Sau auseinander nimmt...»
Innocent machte sofort seinen Luxuskasten mies: «Ach weisst Du - die Kellner tragen dieselben Handschuhe auch für die Gartenarbeit. Und wir haben keine Masseure. Nur uralte Frauen aus dem Dorf, deren rissige Hände ganz fürchterlich kratzen und...»
NA JA - DER ALTE GEIZGURU WOLLTE MICH EINFACH NICHT. Er hasst es, wenn ich ihm in den Speisesälen neben seinem abgeschossenen, dunkelblauen Konfirmanden-Kittel in lindengrüner Seide die Show stehle.
So zog ich eben bei den Schweinen ein.
Hier werden wir nun also vor dem Hahnenschrei in diesen heissen Schlamm geprügelt, der direkt aus der Hölle kommt und himmlische Wirkung auf die galoppierende Arthrose haben soll. Graue Nebelwolken schlängeln sich von Monte Grottos schwarzer Erde in den kalten Sternenhimmel. Und Du würdest gerne mit ihnen aufsteigen, aber nein. Schon salben Ernestos Hände Dich mit der schwarzen Marinade ein, wie das Huhn mit Peperoncino. Entsprechend brennts auch. Später klatschen sie Dir dann noch kochenden Schlamm auf den Bauch.
Und jetzt versuche mal einer den Nabeltanz von Fatima!
So verpackt erinnerst Du an ein Filet im Teig - UND AB IN DEN OFEN. Nur dass das Filet weniger durch ist.
Endlich greift Ernesto zum Schlauch. Mit eisigem Wasser spritzt er dir alles Wüste vom Ranzen. Und weil er ein ganz mieser Sadist ist und nicht umsonst alle seine Schweine zur Sau macht, zielt er nun mit dem harten eiskalten Strahl bei den Geschlammten immer genau dorthin, wo selbst abgebrühte Fussballer die Hände davor halten.
NUN STELLT SICH AUCH FATIMAS NABELTANZ WIEDER EIN...
Wie Evchen dann beim Frühstück an einer Möhre kaut, nehme ich herzhaft von dem rosigen Schinken, der gestern noch mein Nachbar vom untern Stock war.
«Zielt er bei Dir auch immer mit dem Schlauch an die unmöglichsten Stellen...?», versuche ich Ernestos spritzige Machenschaften bei Evchen zu ergründen.
Sie: «Nein. Ich gebe ihm auch keinen Anlass dazu...» (das kam sehr spitz).
Mittags dürfen wir dann zuschauen, wie Luigi, Ernestos ältester Sohn, die Ferkel wäscht. Er tut dies mit warmem Wasser. Und er tut dies sehr zärtlich. Jeder wäre bei Luigi gerne ein Ferkel gewesen.
«Könnten Sie nicht mal Ihren Vater bei der Fango-Kur ersetzen?», schleimen Evchen und ich.
Luigi knuddelt eines der kleinen Schweinchen ab, so dass dieses herzhaft quietscht: «Tut mir leid, Signori - aber ich arbeite morgens als Masseur im Ritz. Da gibts genug zu tun...»
«Das kann ich mir denken...», sage ich eisig.
Und zücke mein Handy mit Innocents Nummer: «Hallo mein Lieber - die rissigen Hände Deiner uralten Masseurin rühren hier eben im Ferkelmist...»