Vom Adelbodner Vogellysi

Donnerstag - In ADELBODEN bekommst du Vögel.
KANN ICH DIR SAGEN.
Das geht so: Mein Vater war der absolute Vogel-Fan. Es gibt ja das wunderbare Lied vom Vogellysi, und schon meine Mutter, die Gute, hat immer wieder gesagt: «Das Vogellysi muss ein Vogelhansi gewesen sein - so wie dein Vater drauf ist...»
NAJA. SEI ES WIE ES WOLLE - Tatsache ist, dass Vater die ganze Vogelei erfand und die Spatzen wie Spechte, Drosseln und Elstern alle mit Namen kannte. In den Bäumen unseres Gartens hingen winzige Miniaturchalets, die er mit Vogelfutter und Speckschwarten auffüllte.
«Die Schweinerei, die sie immer hinterlassen!», tobte Mutter vor dem Haus. Aber Vater schaute versonnen den Meisen zu, die ihre Schnäbel in die Speckschwarte schlugen und (wie Vater versicherte) ihm dankbar zugenickt hätten.
Na ja - jeder hat seinen Vogel.
Mutter jedenfalls, die Pierens Lysettes Babettli, eine einäugige Katze im Tigerlook mit Wurstmöggeli und «Milchi-Milchi-guudiguudi», herbeizirpte, ging ihrem Angetrauten herzhaft an die Eier, als dieser mit einem Blasrohr auf Babettli zielte, die mit einem herzzerreissenden Miauzer das Weite suchte.
«DIE VERSCHEUCHT MIR DOCH ALLE VÖGEL!», tobte Vater.
«Musst dich nicht wundern, dass wir Mäuse haben», jaulte Mutter zurück.
«Ich habe noch nie eine Maus gesehen!», brüllte der Gatte.
«WEIL DU NUR SIEHST, WAS DU WILLST», kam es eisig zurück.
So viel zur Harmonie einer Ehe, die auf Vögeln und Babettli basierte...

Freitag - Ich muss nochmals auf die Vögel zurückkommen. Die habe ich nämlich von Vater geerbt - zusammen mit 89 Kilo Vogelfutter und 23 Zwergenchalets, die hoch in den Ästen hängen und dringend einer Reparatur bedürfen.
Nun bin ich ja nicht unbedingt der Vogel-Typ. In jüngsten Jahren haben Freunde mich wohl hin und wieder mit «mein Pinguinchen» oder auch mit «mein lieber Schwan» betitelt.
Innocent nicht.
Als Innocent kam, war es aus mit Kosigem. Für ihn war ich «die Ratte». Wobei gesagt werden muss, dass Ratten wunderbar schöne und gescheite Tiere sind, auch wenn Herr Innocent in ihnen etwas Hinterlistiges und total Verfressenes sieht.
Wie ich nun heute Morgen den letzten Schnee vom Kuenisbergli, das einmal (Chuenisbärgli und dann wieder Kuonisbergli heisst) - wie ich also vor dieser saftigen Grünmatte, auf welcher der schwierigste Riesenslalom der Welt durch die ersten Osterglocken pfiff und wo dieses Wunder von Bern und Berthod mit dem Slalomsieg noch immer die Erde wie Basel nach alternativen Bohrungen beben lässt - wie ich also vor dem Haus sitze und den letzten Schnee von den ersten Männertreu weghauche, da nebelts plötzlich.
«EINE GEWITTERWOLKE!», ruft Innocent aus der Stube, wo er eben die zweite Flasche Dôle köpft.
Und dann sehe ich es: Ein Riesenharst von Dohlen fliegt wie die letzte Militär-Jet-Staffel über unsere Bäume. Die Vögel krächzen aufgeregt über einem dottergelben Lieferwagen. «SCHMIDS BROTLAUBE» steht darauf. Und da kommt auch schon dieser Herr Schmid in kölsch gemusterter Bäckerhose und einem T-Shirt mit Aufschrift «I?m the Boss»: «Wo soll ich die Säcke abladen?»
«Welche Säcke?»
«Altbrot - Ihr Vater hat immer unser Altbrot für die Dolen aufgekauft und...»
NA BINGO!
Pierens Lysettli hat mich später aufgeklärt: «Du musst es klein schneiden. Der Edi leiht dir seine Kettensäge. Dann weichst du die Brote ein - und die Dohlen werdens dir tausend Mal danken...»
Na und jetzt dürft ihr mal raten, wer sich zwei Hände wundig gesägt und drei Finger vom Knochen gekratzt hat!
Innocent erscheint mit seiner Flasche Dôle unter der Türe: «Sollen wir das Wasser mit Rebensaft verbessern... die armen Vögel brauchen doch auch mal einen Joint - Dôle für die Dohlen, hähä...»
Doll, was ihm immer wider einfällt, damit der Zapfen ab ist.

Montag - ENDLICH WAREN AUS 58 KILO ALTBROT KRUMEN GEMACHT!
Diese wurden in Zubern eingeweicht und auf die Weide gestellt.
DA WAR DANN ABER DER TEUFEL LOS!
Oeschters Göpfi kam über die Matte gerannt.
«HAUSIPÄÄTER!» - fluchte er unsubventioniert.» DIE UHUEERE VÖÖGEL VERSCHYYSET MIR JA S GANZE LAND.»
Es ging dem Göpfi weniger ums Land als um seinen neuen BMW, den er darauf abgestellt hatte. Dieser nachtblaue, porenfreiglänzende Vierradantriebler stand nach 10 Minuten Vogelfreude total bekackt und beknackt im grauen Dohlen-Dünnpfiff-Lack auf der Heide.
«Prost» - schwenkte Innocent das Glas zu den Vögeln. «Zu eurer Verdauung kann unsereins nur gratulieren...»
Nur Göpfi tat sehr verstopft: «S Outoo laa-ny de uff dyner Chöschte wäsche...»
Abends hat auch Trudy aus Basel angerufen: «Wann holst du endlich das alte Brot ab? Ich habe ein Jahr lang gesammelt. Dein Vater holte es immer - er hatte noch ein Herz für Vögel...»
Adelbodens Vogellysi und Vogelhansi sind im Himmel - aber sie haben uns die Vögel dieser Welt zurückgelassen...

Donnerstag, 25. Januar 2007