Donnerstag - «Das ist sie» - Innocent wedelt mir mit einer Liste entgegen.
Dann zieht er die Brauen hoch: «Ich hoffe, Du hast auch eine gemacht?»
ICH MAG NICHT, WENN ER DIE BRAUEN HOCHZIEHT. ER SIEHT DANN IMMER EIN BISSCHEN AUS WIE DIESER LANGOHRENMANN IN DER SERIE «ENTERPRISE».
Natürlich habe ich eine gemacht. Jedes Jahr gibt es sie neu. Und immer ist es die alte Leier:
VORSÄTZE:
Ich werde mich nicht mehr darüber ärgern, wenn sie die Namen aus dem Klatsch streichen und einfach cool bleiben und tun, als ob nichts wäre (nicht wieder mit Telefonbüchern schmeissen).
Ich werde mich nicht mehr darüber ärgern, wenn einer sagt: «UMSHIMMELSWILLEN - NIE UND NIMMER WILL ICH IN DIESEM KLATSCH ERSCHEINEN! (und dann dem Verlag erbost schreibt, Aenishänsli schreibe man aber mit «ae»).
Ich werde mich nicht mehr darüber ärgern, wenn mir Innocent wortlos die Visa-Card-Rechnung mit drei Ausrufezeichen aufs Bett legt (die Ausrufezeichen machen den Betrag auch nicht weniger?).
Ich werde innert vier Tagen keine 120 Nespresso Vanille mehr reinkippen (und dann literweise Sanalepsi schlucken, um überhaupt eine Runde Schlaf zu haben).
SCHOKOLADE IST OUT (das ist natürlich ein Witz).
Ich werde mich nicht mehr darüber aufregen, wenn Annick meinen neuen Cashmere-Pullover (ein Weihnachtsgeschenk, das ich mir selber machte, weil niemand drauf kam) im Schnellgang spült, sodass er nun aussieht wie eine alte Fasertapete.
Ich werde keine Kaugummiblasen mehr blasen (INNOCENT HAT DREI STUNDEN LANG DAS AUTO RAUSGERUBBELT, WEIL ALLES ROSIG VERKLEBT WAR).
So, liebes neues Jahr - das wärs.
Freitag - Eigentlich habe ich mir als Mann einen Heiratsantrag romantischer vorgestellt. Jetzt mal ehrlich - von Mann zu Mann: Da sollte sich der Partner doch etwas Nettes einfallen lassen, etwas, das man immer zur Hand hat (ich denke an einen Ring oder diese wunderbare Rolex-Uhr), und einen Rahmen, der die Sterne vom Himmel holt (ich denke an diese Restaurants, wo die Köche Sterne kochen).
Man sitzt gemütlich vor einem netten Teller, tätschelt einander die abgeschlafften Hände und dann kommt es: «Könntest Du Dir vorstellen, den Rest Deines Lebens mit mir zu teilen und mit mir alt zu werden??»
ALSO SO HABE ICH MIR DAS IRGENDWIE VORGESTELLT.
Die Realität ist ein Fackel, den das Zivilstandsamt freundlicherweise auf eigene Kosten zugeschickt hat und den Innocent mir nun genervt entgegenstreckt: «Jetzt sag endlich, wie alt du bist? und schummle nicht?, ist amtlich. Ich muss das da zurückschicken. Wir wollen uns ja registrieren lassen?»
REGISTRIEREN?
Dieses Wort habe ich doch schon gehört, als man die kleine Suckel-Susi auf der Strasse aufgabelte und der Polizist sie vorwurfsvoll anschaute: «Aber gutes Ding, Sie sind ja bei uns gar nicht registriert?»
«Registrieren ist nicht romantisch», sage ich spitz. Und dann: «Jahrgang 59!»
Innocent bricht in höhnisches Gelächter aus (bricht ein liebender Mensch in höhnisches Gelächter aus, wenn der treue Partner sich um zwei Jahre vertan hat? Na also!)
Nun wieder ich (einrenkend): «Im Übrigen habe ich für den feierlichen Anlass nichts, ABER AUCH GAR NICHTS anzuziehen!»
Innocent geht hoch, wie von der Tarantel gestochen: «Die Sache dauert 10 Minuten - da brauchst du nichts anzuziehen!»
OHGOTTOHGOTTOHGOTT.
Man stelle sich den armen Beamten vor, wenn ich in Natura auftauche - obwohl: In Don Carlos tun sies auch und so viel haben wir noch lange zu bieten.
«ICH BRAUCHE EINEN GRÜNEN BLAZER MIT GOLDENEN KNÖPFEN - GRÜN FÜR DIE HOFFNUNG. GOLD FÜRS GEMÜT!»
Innocent steckt den Registrier-Bogen in ein Couvert. Dann klopft er mir auf die Schultern, die schlaffen: «Mein Lieber - nach 38 Jahren machen wir kein Affentheater mehr!»
38 Jahre?
Er muss mich mit 12 Jahren kennengelernt haben?
Samstag - wie immer hält Innocent seine Neujahrsvorsätze im Ordner «AUSSERGEWÖHNLICHE VEREINBARUNGEN» aufbewahrt.
Natürlich ist so eine Abmachung mit dem neuen Jahr seine ureigene Angelegenheit - und ein bisschen die des lieben Gotts.
Es ist ganz klar, dass ich nicht an diesen Ordner gehe, weil ich auch im registrierten Zustand seine private Sphäre respektiere. Und achte.
ABER WESHALB MUSS ER IHN AUCH EINFACH AUF DEM SCHREIBTISCH RUMLIEGEN LASSEN??
Ich blättere - und da ist es:
NEUJAHRSVORSATZ 2007:
«ICH WERDE MICH ÜBER IHN NICHT MEHR AUFREGEN?»
P.S. Dieser Vorsatz geht bis ins Jahr 1969 zurück.
Eben damals, als ich zwölf war?