Zimtsterne durchs Leben

Gestern habe ich die Wunschzettel vor den Fenstern meiner Göttikinder abgeholt. Als Kind hatten wir stets Wunschzettel. «Die Liste ist aber sehr lang?», tadelte Mutter. Und: «Um gierige Kinder fliegt das Christkind einen Bogen?»

Da haben wir den Wunschzettel also seufzend zusammengestrichen. Und am andern Tag lag ein Zimtstern auf dem Fensterbrett. Nie hat ein Weihnachtsgutzi besser geschmeckt. Als wir schon längst nicht mehr an die Weihnachtsküche des Christkinds glaubten, lag der Zimtstern dennoch regelmässig immer eine Woche vor Weihnachten auf unserm Fenstersims. «Ich bin bald zwölf und kein Kind mehr»? protestierte ich. Mutter lächelte etwas traurig: «Es geht nicht um die Jahre.? Es geht um das Glück?» Der Zimtstern erlosch erst, als auch Mutter diese Welt verliess. Damals habe ich auf die leere Fensterbank gestiert. Geweint? und gewusst, dass das Glück auch ein Himmel voller glitzernder Zimtsterne sein kann?

Heute lege ich selbst meinen Göttikindern funkelnde Zimtsterne vors Fenster? dorthin, wo ihre Wunschzettel liegen. «Ich bin bald zwölf», hat Ellen mir gestern gesagt, «du kannst jetzt damit aufhören?» Man erkennt das Glück oft erst dann, wenn es bereits erloschen ist?

Montag, 19. Dezember 2005