Von Postpaketen und 164 gusseisernen Brätern...

Illustration: Rebekka Heeb

Das Mail der Paketzustellung machte mich stinkig. Aber bitte - lest selber: «Wir bitten Sie, den Betrag über 1.98 Franken per Creditcard zu überweisen, damit die Sendung ausgeführt werden kann...»

Gehts noch! 1.98 Franken! Wo sind wir denn? - Im kleinkarierten Gnomien? Oder beim Finanzdepartement?

Innocent schüttelt den Kopf: «Zzzz - das kommt davon, wenn einer alles übers Internet bestellt...»

Das sagt der Richtige! - Kürzlich wurde es zappenduster vor unserem Haustor. Zwei Camions karrten drei Paletten mit Gusseisentöpfen vor den Eingang. GUSSEISEN! Der Hallodri hatte die Dinger in einer seiner schlaflosen Nächte per Telefonanruf bestellt.

Es ist schon erstaunlich: Er kapiert nicht mehr, wie das mit der Zahnseide funktioniert. Und redet manchmal stundenlang auf die Fernbedienung unseres Fernsehers ein, weil er glaubt, es sei sein Handy. UND DANN DIES - EIN HELLER MOMENT IN DER NACHT. UND SCHON HABEN WIR 164 GUSSEISERNE BRÄTER IM HAUS!

«Es war ein Sonderangebot! Bei über hundert Stück: 40 Prozent Rabatt. HALLOHALLO. Man hat nie genug Bräter!» - «WIR ESSEN VEGETARISCH!» - «Musst du eigentlich immer das letzte Wort haben?»

Zurück zum Postpaket. Ich bin keiner, der übers Internet bestellt. Ich brauche den Rausch des persönlichen Einkaufs. Da bin ich eine Konsumsau. Ich muss den Käse riechen und am Verkäufer schnuppern können - d a s erst bringt mir den Shopping-Kick.

Unser Paketpöstler Schnurrli lobt mich entsprechend und jammert synchron dazu: «Sie wissen gar nicht, wie das ist: zuerst all diese Zalando-Pakete von Haus zu Haus zu karren. Und später wird alles wieder per Post zurückgeschickt so viel zum Thema Nachhaltigkeit der Heute-Generation.»

Herr Schnurrli kam früher mit einem Velo. Jetzt hat ihm die Post ein Rennmotorrad sowie einen Helm zur Verfügung gestellt. An den Töff sind sechs Anhänger gekettet. Herr Schnurrli sieht auch im Juli aus wie der Weihnachtsmann auf Tour.

Zur Bubenzeit haben wir im Ferienlager sehnsüchtig auf den Pöstler gewartet. Und auf das Päckli der Kembserweg-Omi. Es war sechsmal verschnürt. Und gefüllt mit Glück wie: Studentenfutter, Kondensmilch zum Nuggeln, Marmorcake und einem in Toilettenpapier gewickelten Zweifränkler. Da ging dann wirklich die Post ab!

UND JETZT? Alles dieselben vorgekotzten Klötze, ohne Schnur zurechtgefaltet - und mit einem Karton, der schon sechsmal im Recycling-Bad neu aufgepeppt worden ist.

«Wir müssen an die Umwelt denken!», mahnen die Greenhorns dieser Welt. Ja, schon. Wer aber denkt an den armen Postmann Schnurrli, der mit seinem Motorrad auf dem Trottoir herumeiert, weil sein Paketberg in Schieflage gerät? Pöstler haben heute einen Fortbildungskurs in Gokartfahren zu absolvieren. Das sind Schicksale, die in keinem Rosamunde-Pilcher-Film vorkommen.

Zu meinem Päckchen. Es soll mir zwölf Dosen von einer Gesichtscreme bringen, die es nur in Italien gibt. Und die einen Hauch von 100’000 Rosenblüten versprüht. D e s h a l b: übers Internet.

UND JETZT MUSS ICH 1.98 FRANKEN ÜBER MEINE CREDITCARD NACHBEZAHLEN, DAMIT ICH ROSIG DUFTEN KANN!

Ich gebe also alle meine Daten ein. ABER NICHTS PASSIERT. Das Päckchen aus San Remo kommt nicht an. Dafür ein SMS von meiner Bank: «BITTE ZURÜCKRUFEN - DRINGEND!» (Na klar - wieder mal rote Zahlen. Wenn sie jetzt nach Garantien fragen, kann ich aber mit 164 Gusseisenpfannen auftrumpfen).

Die Dame vom Zürcher Callcenter ist so was von nett: «Darf ich Sie zuerst kontrollieren... Wie heisst Ihr Hund? Wie schwer sind Sie? Wo lassen Sie die Zähne richten?»

Ich bin geduldig. Und sie ist es auch.

Schliesslich die Gretchenfrage: «Haben Sie vorgestern in Hongkong 4300 kunstseidene Haarschleifen für 6799 US-Dollar gekauft?»

«Ich war in Frutigen!» Stille. Dann der Seufzer: «Das habe ich mir gedacht - ein Gauner hat Ihre Creditcard geknackt. Haben Sie kürzlich jemandem den Sicherheitscode durchgegeben...?»

Ich schweige. Atme tief, tief durch: «Ähhh» da kam so eine Aufforderung von der Paket-Zulieferstelle da musste ich eben meinen Code angeben und hmmm...»

DIE FRAU SCHWEIGT. ABER ICH WEISS, WAS SIE DENKT: «MAN MÜSSTE DIE ALTEN IN EINEN WIE FIGHTE ICH MICH DURCH DIESE BÖSE WELT?-CRASHKURS SCHICKEN.»

Sie seufzt nach innen - und ist aussen sofort wieder fröhliches Callcenter: «Wir schicken Ihnen eine neue Karte! Die alte sperren wir sofort...»

Ich lege dankbar schluchzend auf.

Die zwölf Döslein Rosencreme hat Pöstler Schnurrli mir drei Tage später ins Haus gebracht. Ich war überglücklich. Und habe ihm als Trinkgeld einen gusseisernen Bräter zugesteckt. WIR HABENS JA!

Illustration: Rebekka Heeb

Montag, 21. März 2022