Das Verkaufen liegt unserer Familie in den Genen, Das heisst: Es rollt durchs Blut der Mutterseite. Wir stehen in London vor Harrods und wissen, wie wir ihn besser eingerichtet hätten. Oder wir geben dem Hühner-Max tausend gute Tipps, wie er die Hennen besser über den Tresen bringt.
Urmuhme Krimhilde Meyer (mit Ypsilon - denn das Ypsilon der Meyers ist wie das ckdt der Burckhardts) - Oma Meyer also betrieb in Aesch-bei-Gott einen Bestattungsladen. Im Hinterzimmer bot sie die «grüne Fee» an. Connaisseurs wissen, dass es sich dabei nicht um ein Callgirl, sondern um einen (damals) verbotenen Schnaps aus dem Jura handelt. Bei Oma Meyer wurde fröhlich gestorben. Das Geschäft boomte. Nach der «grünen Fee» war auch die letzte Sparbremse bereit, ein Begräbnis Klasse A - mit Mahagoni-Sarg und Marmor-Engeln - springen zu lassen. Krimhildes Tochter Lucifera hat während des grossen Kriegs Benzin geschmuggelt. In Güterzügen. Später hat sie in Nähmaschinen investiert - doch dann kamen die indischen Kinder! Das war der Ruin von Lucifera...
Meine eigene Mutter drehte ihrem Nachbarbauern Oeschter dreissig Fass Rotwein an, um dafür ein grünes Stück Land fürs Adelbodner Chalet überschrieben zu bekommen. Der Tropfen war miesester Schnitt aus Malaga. Ich meine: Wen wundert es, dass sich das Kind eher im Geschäftsleben als etwa auf der politischen Bühne oder gar - GOTT BEWAHRE! - als Rampensau mit schmalzigen Weihnachtsgeschichten sah.
Schon als Kind habe ich sehr oft «Verkäuferlis» gespielt: Da gab es einen Holz-Verkaufsladen. Dieser Laden hatte Maggi-Fläschlein, Paidol und Ovo-Büchsen in den Regalen - alles kaum so gross wie ein Fingernagel. Fragte der Vater nach seinem Jungen, dann hiess es: «Ach, der hockt sicher wieder vor seinem Spiel-Laden...» DIES WAREN NICHT DIE PLÄNE, WELCHE DER GUTE MANN FÜR SEINEN STAMMHALTER SCHMIEDETE. Als typischer Sozialist waren ihm Unternehmer aller Arten ein Dorn im Auge. Deshalb: «Schnall dir eine reiche Frau an - und lass ihr Geld für dich arbeiten, Bub!»
Als ich etwas grösser wurde, verschacherte ich bei Herrn Sütterli das Porzellan, das zu Hause vor sich hin staubte: eine Rauch verzehrende Eule etwa. Der Vogel kämpfte in unserer Stube vergeblich gegen die fetten Marylong-Wolken meiner Mutter an. ALSO STAUBTE ICH IHN HEIMLICH AB! Im übertragenen Sinne... Zusammen mit einer Rosenthal-Zuckerdose und Vaters Militär-Kompass verschacherte ich die Ware in dieser Grümpelbude, die Herr Sütterli grössenwahnsinnig «meine Brocante-Boutique» nannte. Er kaufte alles für einen Fünfliber. Und zeigte bei einer Tasse auf das Zeichen mit den zwei Schwertchen: «Wenn du so einen Service auftreibst, bleche ich einen Zehner!» Daraufhin fragte sich Omama Lucifera ein Leben lang, wo zum Teufel ihr altes «Mokka-Meissen» hingekommen sei.
Mit fünfundzwanzig Jahren verkündete ich der Welt: «Ich will einen Mäss-Stand am Petersplatz!» Freundin Eva war gleich Feuer und Flamme: «Ich ziehe mit... Ich verkaufe meine handgestrickten Puppen. Die sind Kunst!» Formlose Textilpuppen mit schielenden Knopfaugen und Simpelfransen aus brauner Wolle waren jetzt nicht unbedingt das Highlight, welches ich mir an einen roten Samtstand mit Weihnachtsvögeln und Antiquités vorstellen konnte. Da hat Eva noch ein Biedermeier-Nageletui aus Elfenbein, eine moosgrüne Galle-Vase und ein 800er-Fischbesteck aus der Belle Époque hinzugesteuert. Also wollte ich mal nicht so sein. Wie Evas Tante Martha dann aber unerwartet zur Eröffnung des Standes am Petersgraben auftauchte, da warf meine Freundin käsebleich ihren handgewirkten Batik-Shawl über das angelaufene Silber. So wurde mir klar, dass wir an diesem Traumstand «heisse Ware» vertickerten. Das «Heisse» war dann auch sofort weg. Nur die wollenen Knopfaugen-Puppen wollte keiner haben. Eva wurde säuerlich: «Der Menschheit fehlt es am guten Geschmack!»
Meine Mutter schaute dem Mäss-Stand-Treiben ein paar Minuten zu. Dann gab sie ihre Bedingungen durch: «In unserm Keller vergammeln 600 Glas Quittenkonfitüren aus den letzten drei Jahrzehnten. Morgen bringe ich sie zum Verkauf. Alle frisch abgestaubt. Das Datum neu etikettiert. Und alles mit Stofftüchlein bemäntelt - mein Preis: 4 Franken pro Glas!» Sie konnte bei gutem Wind eine sanfte Mutter sein. DOCH EINE GESCHÄFTSTÜCHTIGE RAPPENSPALTERIN WAR SIE ALLEWEIL.
Es darf gesagt werden: Die Quittengläser gingen weg wie Cannabis im dunklen Park. Nach drei Tagen waren wir ausverkauft. Geblieben sind nur Evas Strickpuppen mit den braunen Wollfriesen. Und so hat meine Freundin auch noch die Vitrine ihrer Taufpatin Hannelore geplündert...
Weil Herr Sütterli dann die römische Münzensammlung von Evas Grossvater sowie zwei antike Porzellan-Laufpuppen (Limoges) für alles in allem 20 Franken erstand und ein riesiges Theater darum machte («Ihr bringt mich noch an den Bettelstab!»), haben wir ihm drei Glas von Mutters Quittengelee draufgegeben. Nun gut - wir haben gesagt, es sei «Quittenkonfitüre». Aber es war nur billiger Johannisbeergelee. So geschäftsschlau ist unsere Familie dann doch...
Illustration: Rebekka Heeb