Von Fischgestank und saurer Milch

Illustration: Rebekka Heeb

DER GESTANK WIRFT DICH UM. Ich meine: Du öffnest den Kofferraum. UND DANN KOMMT DIR DIESER DUFTSCHWALL ENTGEGEN, DEN DU VON FISCHMÄRKTEN NACH EINEM LANGEN, HEISSEN TAG KENNST.

Nein, noch schlimmer: Es ist, als hätte einer in der Sahara einen Sack Crevetten vergessen. Erinnert ihr euch noch an die Kabeljau-Schnitten, die unsere Grossmütter im heissen Öl zu Tode frittierten? Das ganze Zehnfamilienhaus stank danach. Es war dieses Parfum, das dich nie mehr Fisch essen liess. Gottlob kam Herr Frionor. DER HERR PREISE SEINEN PIONIERGEIST UND DAS FISCHSTÄBCHEN! VOR ALLEM DAS PANIERMEHL DRUMHERUM! Jetzt war Fisch plötzlich geil. Besonders, weil er nur nach gebackenem Paniermehl schmeckte.

Also - die Freitags-Düfte von damals in den dunklen Hausfluren waren ein zartes Lüftchen dagegen. SOOO GESTUNKEN HAT ES NIE. Und das muss mir heute in einem Jahrhundert passieren, wo der Fisch sowieso ausgestunken hat. Wie auch das Lamm. Oder Gitzibraten - alles schmeckt nach n i c h t s. Und so mit a l l e m.

WO IST DAS HERRLICH BÖGGELIGE ... DAS UNVERWECHSELBARE FISCHLICHE? Ich meine: Da können wir ja auch Trutenbrust in die Pfanne hauen. Und sie als Flundern im Ei verkaufen.

Zurück zur Katastrophe.

Innocent liebt Spaghetti (neri) an Fischsauce. Ich schmettere da stets fein geschnittene Stückchen vom Dorschrücken, Salm und Crevetten dran. Dazu viel Zwiebelchen, Zucchini-Lamellen, Peperoni-Splitter, Knoblauch - nun ja: das übliche Theater. Alles wird mit Weisswein abgelöscht. Und mit dem dicken Rahm von der fröhlichen Kuh meiner Nachbarin Christine abgeschmeckt. HALLOHALLO - DA KNURRT AUCH VEGETARISCH WALLENDEN ENGELN DER MAGEN.

So. Ich hatte mich mit der Fischsauce dann übertan. Wie immer. Ich koche nämlich auch an Einladungen immer zu üppig - kommen 15 Leute, wird bei mir die halbe Stadt satt. Ich mag nicht, wenn Brötchen abgezählt und die Reiskörner pro Stück gewogen werden.

Die zwei Liter Restsauce schütte ich also in einen Behälter, der ganz auf Umwelt getrimmt ist. Er wurde aus Palmblättern gepresst. LEIDER HÄLT DER UMWELTFREUNDLICHE DECKEL NICHT. Wegen dem Geholper auf der Autobahn ist es wohl passiert. Bei der Ankunft hat sich der Fisch noch still verhalten - aber nachdem die Karre sechs Stunden im Parkverbot und der prallen Sonne gestanden hatte, waren die Duftknospen nicht mehr zu bremsen. Sie öffneten sich im Zeitraffer wie die Blumen in einer Natur-Doku...

«Es stinkt gewaltig...», jammerte ich der armen Frau Zannini, Seele für alles in meiner Lieblingsgarage, die Ohren voll. «WASSI?» - «Der Wagen stinkt, dass selbst der heisseste Zöllner sich abwendet...», seufze ich. NICHT SCHON WIEDER!», schreit es geschockt. «Milch?»

«Schlimmer - Fisch! Und wie wir alle wissen, stinkt der Fisch vom Kopf her. ABER HIER DUFTETE ER, ALS HABE MAN DIE KÖPFE IN EINER VIERER-SAUNA VERTEILT!»

Vor vielen Jahren ist es mir mit Milch passiert. Auf der Insel. Ich war zeitlich knapp dran. Warf die Einkäufe hinten auf die Kunstlederbank. Und da hat sich eine der Milchtüten selbstständig gemacht: Sie rutschte unter den Fahrersitz. War nie mehr gesehen. ABER UMSO MEHR GEROCHEN, ALS SIE DANN NACH SECHS SONNIGEN WOCHEN SÄUERLICH UNTER MEINEM FETTEN HINTERN BEI 40 GRAD IM SCHATTEN EXPLODIERTE.

Ihr Lieben - alles bekommt ihr raus! ABER SO ETWAS NIE! Mit offenen Fenstern sind wir wochenlang durch die kühle Nachtluft gekurvt. Nichts konnte diesen säuerlichen Geruch wegwinden. Innocent versprühte Mundspray, Liesel drei Fläschchen von Frau Chanels Nummer 5.

ES MACHTE ALLES SCHLIMMER. Der säuerliche Milchgestank erinnerte an Onkel Alphonse und jene Hochzeitsfeier, als er statt seiner Julia nur noch die Kloschüssel umarmte - es war derselbe Sauermief, der damals die Toilette des Reinacher Landgasthofs umwehte. NUR: AM ANDERN TAG WAR ALLES VORBEI. MEIN SAUERMIEF HIELT SICH SO KRAMPFHAFT AM AUTOTEPPICH FEST WIE POLITIKER*INNEN (wir wollen es genderisch richtig kleben) AN IHREN SESSELN.

Unsere Freundin Örsi, die mit den Auto-Ölungen, liess von ihren Fachmännern die Sitze gar mit einem Spray, den sie auch bei Leichentransporten durch die Wüste anwenden, einsprühen. NICHTS KONNTE HELFEN - WEDER WEIHWASSER NOCH MEISTER PROPER. Wir haben das Auto «s Kötzi» getauft. Aber das war auch keine Lösung.

UND JETZT FISCH MIT SAUCE! Ich weiss nicht, wie wir das wieder hinkriegen. Die Einzigen, die sich an den Düften freuen, sind die Fliegen aus dem Missionsgarten. Alles andere macht um die Karre einen Bogen - sogar der Millionenschwarm der Killermücken. Und Polizeipatrouillen.

«Weshalb nimmst du nicht einfach ein Konfitürenglas für den Transport?», blafft meine Freundin Cathy. Klugscheisserin! Im Nachhinein sind wir alle schlauer. Bis zum nächsten Mal.

Illustration: Rebekka Heeb

Dienstag, 18. Mai 2021