Ich hatte es auf dem Badezimmer-Spiegelkasten deponiert. Soll mich keiner fragen, weshalb gerade dort. Ich habe es auch schon auf den Tiefkühl-Erbsen im Gefrierfach gefunden. ES SIND DIESE MOMENTE GEISTIGER UMNACHTUNG, DIE MAN NIE GENAU HINTERFRAGEN UND EINFACH MIT EINEM GENERVTEN HIMMELFAHRTSBLICK («Also du bist mir ja wieder einer!») HINNEHMEN SOLLTE. Natürlich ist ER schuld. So macht sich der Himmelsvater auch einen Plausch daraus, mich stundenlang Schlüssel suchen zu lassen. Weshalb ER sie allerdings ausgerechnet im Tumbler deponierte, ist genauso geheimnisvoll wie die Sache mit dem Wein an der Hochzeit zu Kana.
Gut. Ich greife also zur Spraydose, um das wenige, aber wirre Haar zu bändigen. Die Gase sind umweltfeindlich - danke, dass ihr mich darauf aufmerksam macht. Aber wenn ich die Haare nicht spraye, bin ich für die Umwelt ebenfalls ein Desaster. Zumindest optisch: Katastrophe.
Und eben wie ich nun die Dose am Bauch fasse - TATSCH! DAS GUTE HANDY KOMMT VON OBEN MIT. Es lag unter der Dose (nicht mich fragen, weshalb. Fragt IHN!) Und jetzt knallt es direkt auf die steinernen Badezimmerkacheln.
Ich war ja immer gegen diese Fussbodenheizung. Sie macht dir Füsse so aufgedunsen wie gefüllte Gummibettflaschen. ABER ES M U S S T E JA DER NEUSTE HIPP SEIN. Jetzt habe ich heisse Füsse, aber ein eiskaltes Handy: Die Panzerscheibe darauf sieht aus, als hätte einer reingeschossen. Obwohl ich krampfhaft eine Nachricht mit Fingerdruck öffnen will, macht der Apparat keinen Mucks. Mausetot! Dabei will mir Sheila das Tageshoroskop durchgeben.
W i r hatten das Telefon noch an die Wand genagelt. Es fiel nur runter, wenn die kratzbürstige Gygax, Nachbarin zur rechten, ihren sternhagelvollen Alten verdrosch. Die Gygax donnerte den Gatten wie einen Squashball 49-mal an die Schlafzimmerwand. Sie holte ihn an der Krawatte zurück, schlug wieder zu: Und da unser Haustelefon genau gegenüber diesem Squash-Match angebohrt war, kam es schon mal vor, dass der Apparat zusammen mit Herrn Gygax zu Boden ging.
Zurück zur Katastrophe: Adelboden hat keine Reparaturstelle für gesplittete Handys. «Do muesch de öbbe nach Thun...», sagt Nachbarbäuerin Christine. Das Reparaturhaus für elektronische Äpfel findet man im «Bälliz». Der Verantwortliche nimmt den zertrümmerten Patienten mit dem eingefrorenen Sheila-Horoskop entgegen: «In einer Stunde ist alles wieder auf Trab. Amüsieren Sie sich seither in unserer schönen Stadt!»
Natürlich ist Thun eine Augenweide: Ich meine, diese wunderbare Holzbrücke mit den Geranien... die gummiverpackten Boys, die auf der brausenden Aare Kunststücke auf dem Surf hinbrettern... UND DANN DIESES SCHLOSS! Dornröschen über der Aare...
«Ich will ein Bier!» - Innocent reisst mich aus allen Märchengedanken in die schäumende Realität des Lebens zurück. «DIE RESTAURANTS SIND GESCHLOSSEN, MEIN HERZ! NUR DIE TERRASSEN HABEN OFFEN. ABER HEUTE IST TERRASSENWIRTESONNTAG!»
Ich zeige ihm alle die Beizer-Stühle, die draussen an Ketten liegen - dies, obwohl die Bienen jauchzen und die Pollen uns erröten lassen. «Der dort trinkt auch ein Bier!» - Innocent streckt den Finger zu einem Penner, der sich den Inhalt des Fläschchens den ungewaschenen Hals runtergurgeln lässt. Ich gehe seufzend zu dem Mann: «Wo haben Sie das Bier her?»
«Beer to go», grinst er. Und zeigt auf einen mobilen Kiosk. Ich pulvere den Tipp mit einem Fünfliber auf - und er spuckt auf den versilberten Tell: «Noch einen Zweier drauf - und ich bekomme einen Bäzi zum Bier!»
Zehn Minuten später gurgelt es auch bei Innocent. Samt Bäzi. «Weshalb trägst du eigentlich diesen Stoff-Maulkorb - und lässt dein Handy ungeschützt?»
Natürlich hat er recht! Ich schütze alles - nur nicht meinen Kleinstapparat mit dem eingefrorenen SMS von Sheila. ABER ICH MAG DIESE SCHUTZMÄNTEL GENAUSO WENIG WIE BODENHEIZUNGEN. Deshalb: «Wenn mein Handy einmal runterfliegt, dann »
«EINMAL? ES IST DAS S E C H S T E MAL!» Sein Langzeitgedächtnis funktioniert blendend! Nach dem dritten Beer to go ist auch der Patient wieder auf Empfang: Man hat ihn nigelnagelneu gepanzert. Mit dem Geld für die Operation hätte ich den Penner für ein Weekend ins Regina-Palace einladen können. «Wir verkaufen auch wunderbare Schutzhüllen «, sagt der i-Phone-Onkel und schiebt das Gerät über den Tresen.
«Danke - ich habe es lieber natür», flüstere ich. Und öffne Sheilas Tageshoroskop: «SCHÜTZE DICH UND DEINE UMWELT...», gibt sie mir das Wort zum Tag aus dem All durch. Für diesen Spruch, den sie beim BAG abgekupfert hat, bleche ich dieser Blutsaugerin 15 Franken pro Monat. Ich beschliesse, das Abo («...und die Sterne haben immer recht!») zu kündigen.
«Geben Sie mir in Gottes Namen doch eine Schutzhülle...», sage ich zum i-Phone-Doktor.
«Na also», sagt der.
«Warum nicht gleich», sagt Innocent.
Illustration: Rebekka Heeb