Beschenkt werden ist schön.
Schenken aber noch schöner.
DIE ANDERN MÜSSEN «ACH WIE WUNDERBAR!» JAUCHZEN. Auch wenn sie sich über den Porzellan-Engel, in dessen betenden Händen eine Duftkerze steckt, grün ärgern («Wo entsorge ich diesen Gräuel!?»). Aber wichtig: DIR hat der Engel gefallen.
DU hast dich gefreut, als du ihn erstanden hast. Der Laden besitzer war ebenfalls glücklich: Endlich war der Schmetter weg und brachte 45.50 in die Kasse.
HALLO: WAS WOLLT IHR NOCH MEHR - WEIHNACHTEN IST DAS FEST DER FREUDE.
Okay. Dieses Jahr sieht alles ein bisschen shittig aus. Und über dem Tisch nebelt die Frage: «Darf man das Chinoise aus dem gemeinsamen Suppenba...?»
Ich würde sagen: Du darfst. Auch wenn mir in diesen Monaten nicht unbedingt chinesisch zumute war: Wer jetzt aber die Hände verwirft: «Wir schenken nichts - es ist schliesslich Corona!», der braucht bei mir gar nicht erst anzuklopfen.
Faule Ausrede. Der hat auch zur Schweinegrippe-Zeit nichts geschenkt. Und nicht während der Vogelgrippe. Und schon gar nicht, als ich Masern hatte.
Dabei: Die Geschäftsleute, die Wirtschaft und auch dieser kleine SVP-Bundesrat, dessen Name ich immer vergesse und der sich fürs Geschäft in unserm Land starkmacht, die alle wären doch happy, wenn der Laden endlich wieder einmal brummen würde.
Nun gut. Bescheidene Menschen wie unsereins können sich auch über den 24. Topf lappen freuen.
ABER DAS GANZE SOLLTE IMMERHIN SCHÖN VERPACKT SEIN. Mit Schleifchen, Kügelchen und Pipapo. Und nein: Es muss nicht immer eine Rolex sein. MÜSSTE SCHON... aber ihr kennt ja den alten Rappenspalter...
Ich verrate euch jetzt etwas: Innocent hat tatsächlich ein Päckchen - schmal und erlesen gewickelt - zwischen seinen Unterhosen (50er-Jahre!) versteckt. Seit Tagen gibt er geheimnisvolle Andeutungen wie ein Walfisch Luftblasen von sich: «Also, das Christkind hat mir geflüstert, es werde am 24. bei uns mal eine Runde drehen.»
ICH ZITTERE. ICH BEBE. ABER VIELLEICHT IST ES WIEDER NUR EIN DREHBLEISTIFT?! Ach Advent - du wunderbare Zeit der umnebelten Geheimnisse...
So. Man kann nun über unsere kleine Trämlersfamilie sagen, was man will: ABER IM SCHENKEN WAR SIE GROSS!
Die Kembserweg-Omi schrubbte Überstunden, um dann jedem von uns neben den handgestrickten Bettsocken noch ein Couvert zuzustecken: «Ihr habt es doch auch nicht leicht...»
Meine Mutter drückte die kleine Frau dann innerlich durchgerüttelt an die Brust: «ACH OMA - LASS DOCH DEN QUATSCH. ZUMINDEST DIE BETTSOCKEN KANNST DU DIR DAS NÄCHSTE MAL SPAREN!»
Daraufhin schenkte die Omi der lieben Schwiegertochter z w e i Paar davon. Und legte noch einen Fünfer ins Couvert drauf. Sie wollte sie einfach ärgern. Und das ist auch etwas Schönes am Schenken!
Ich möchte euch nicht zum 1000. Mal mit dieser grässlichen Geschichte langweilen, als Mutters Grossbase Irmgard beim Advent-Kaffee verkündete: «Keine Geschenke dieses Jahr - wir schicken das Geld in die Dritte Welt!»
Zuerst betroffenes Schweigen. Dann Murmelmurmel. Und zögerndes Zustimmen:
WER WILL DAS GUT MENSCH SEIN SCHON GERNE EINER LEDIGEN GROSSTANTE ÜBERLASSEN, DEREN EINZIGES PROBLEM BIS ZUM LETZTEN ATEMZUG DER STETS ETWAS ARGE MUNDGERUCH WAR!
Und dann der Heilige Abend: Glockengebimmel. Wir Kinder stürmen das Weihnachtsbaumzimmer. Wo sich sonst die Geschenkberge auf dem abgewetzten Afghan erhoben, waren nur die acht unförmigen Päckchen von Tante Finni aus Herisau.
Sie hatte die Sache mit der Spende in die Dritte Welt nicht mitbekommen. Und schickte wie immer fleischfarbene Unterwäsche für alle Nichten.
Wir Kinder stierten geschockt auf Weihnachten, die keine war. Unser Herz gefror - der Hass auf Irmgard loderte mit den Kerzen am Baum! Und gierig stürzten sich die Frauen auf Tante Finnis fleischfarbene... ZUMINDEST DAS!
Für mich als schöner, kleiner Bub war klar: VERGESSEN! VERGESSEN! VERGESSEN!
Und als sie mich aufforderten, mein einstudiertes Weihnachtspotpourri von der Flöte zu blasen, brüllte ich: «OHNE GESCHENKE GEHT DIE MUSIK NICHT AB!»
Daran habe ich mich bis heute gehalten.
Natürlich haben Geschenke unter dem Baum nicht immer nur Freude gebracht. Ich hätte gerne eine Puppe gehabt. Mit Echthaar. Schlafaugen. Und eingebautem Sprechmotor: «Susi ist Mammis Liebelieb!»
Ich riss alle Pakete auf (»Nicht so hastig, Hanspeterli!») - ABER DA WAR KEIN «LIEBELIEB!». Ich brüllte. Warf mich auf den Afghan und hämmerte auf diesen rein, sodass der Staub die Stube bewölkte. Der Vater nahm den Sohnemann liebevoll an der Hand: «Das Christkind hat dir die Überraschung hinter dem Vorhang versteckt!»
EIN PAAR SKI!
An jenem Abend flötete ich auch nicht!
Ich hätte so gerne den Erwachsenen grosse Geschenke gemacht: einen Staubsauger für die Kembserweg-Omi statt des schweren Parkett-Blochers... für Papa das rote Cabriolet, das er bei Nachbar Gygax stets neidvoll bewunderte... und für Mamma Perlen-Ohrstecker. Auch wenn sie stets behauptete: Sie mache sich nichts aus Perlen. Die würden Tränen bringen.
Mit 20 machte ich die einzige Erbschaft meines Lebens - die Schwester meines Grossvaters, ledig, mit einer Affinität für Sonderlinge, hinterliess mir etwas Barschaft. Keine Millionen. Aber immerhin so viel, dass ich es auf Weihnachten hin krachen lassen konnte.
FÜR DIE ANDERN! DENN DAS SCHENKEN HAT M I R SCHON DAMALS AM MEISTEN FREUDE BEREITET!
P.S. Okay - für Vaters Cabrio-Wunsch hat es nicht gereicht - aber immerhin für eine Puppe mit Schlafaugen, die das Christkind ihm hinter dem Vorhang versteckt hat...
Illustration: Rebekka Heeb