Innocent schaut auf sein Handy. Es ist der Blick eines Dackels vor der Metzgerei: «...UND ICH DARF NICHT HINEIN!»
Innocent ist der Hund. Das Handy die unerreichbare Wurst. Denn wieder einmal ist der Internet-Empfang ausgefallen. Gejammer (ähnlich wie der Dackel, der grässlich aufheult, weil ihm das Paradies verwehrt ist): «Wir haben keinen Empfang!»
O.k. Das ist die News des Morgens. Aber es ist eine No-News. Denn wir hatten schon gestern keinen Empfang. Der liebe Gott und alle seine undefinierbaren Strahlen aus dem Himmel spielen ein Spielchen mit uns: Wir haben zwar Domizile an den schönsten Lagen. Aber wir haben nur ganz, ganz selten Internet-Empfang. Basel, Adelboden, die Insel - die Verbindung zur elektronischen Aussenwelt ist ein Vabanque-Spiel.
Beschreiben wir es so: Es ist, wie wenn man vor der Heiligen Mutter eine Kerze anzündet und auf ein Wunder hofft: ES KANN FUNKTIONIEREN. ABER MEISTENS IST SENDEPAUSE.
So. Ich versuche ihn zu trösten: «Denke an die Zeit, als das Telefon noch an der Wand hing...» Er wird gleich stinkig: «In euren Kreisen hing es vielleicht bei uns stand es auf Vaters Nachttisch neben dem Bett. Und es funktionierte immer...»
ZUMINDEST ETWAS, WAS IM SCHLAFZIMMER SEINER ALTEN FUNKTIONIERT HAT!
Wenn meine Putzerin Annick in Basel keinen Empfang hat, baut sie gleich eine Krise. Beginnt zu zittern. Und ihr Französisch wird gallig. Die Gute kann meine Pulitzer-Pokale nicht putzen, ohne das Handy zwischen Schulter und Ohr eingeklemmt zu haben. Während sie am Silber rumreibt, diskutiert sie mit ihrer Tochter Fanny über deren heisses Liebesleben. Tochter und Mutter sind nämlich immer auf Empfang - wir nicht. Irgendwie sind wir vom Schicksal auserkoren, in den Sendelöchern dieser Welt zu darben.
Drei Mal schon hat Annick wegen unseres Lochs gekündigt - und als ich lustig einen draufmachen wollte: «Mais Annick - chez nous on avez encore le téléphone à la Kuch müür!» blaffte sie genervt: «Vous étiez des sauvages » Annick kann zwar über Internet ein Ticket zur Papstaudienz bestellen - aber sie spricht kein Wort Deutsch.
Ich erhöhte also den Lohn. Sie blieb. Empfang hatten wir trotzdem keinen.
Wir klagen jetzt alle über diese schreckliche Zeit des Virus. Und dass es unser Leben verändere.
Okay. ABER STELLT EUCH EINMAL VOR, DAS VIRUS WÜRDE DAS INTERNET DIESER WELT LAHMLEGEN! So einen GAU darf man sich gar nicht ausmalen. Wir hätten alle kein geputztes Silber mehr!
Vor zwei Monaten hat uns der liebe Freund und Anwalt Klausi auf der Insel besucht. Als Erstes zückte er das Handy: «Wie ist euer Passwort?» Ein Passwort haben wir. Empfang nicht.
Der Freund zitterte leicht. Aber plötzlich hellte sich sein Gesicht auf: «Ist vielleicht ganz gut so - dann kann ich wieder einmal meinen Ovid lesen!»
«Am Hafen funktioniert es meistens», offerierte ich ihm noch. «Wir können gerne hinfahren...» Er kennt meine Fahrweise. Er kennt den schrecklichen Schotterweg mit den noch schrecklicheren Kurven. Deshalb: «Nicht nötig - Ovid ist ganz o.k.!
Als Klausi nach sechs Tagen wieder in die Schweiz zurückkehrte, sprach er fliessend Latein. Und verblüffte die Schweizerische Anwaltskammer mit der perfekten Rezitation von Ovids Metamorphosen in Hexametern.
ABER HALLO - DAS IST DOCH AUCH ETWAS!
Natürlich bin auch ich nicht gefeit - ich meine: wenn uns die Wellen gewogen sind und wir für einen kurzen Moment Empfang haben, logge ich mich sofort im Internet ein. Und schreibe meiner Freundin Kathy: «Brauchst du etwas aus Adelboden...?»
Aber erst vier Wochen später schicken mir die Himmlischen ihre Antwort durch: «NUSSTORTE UND BERGBUTTER. » Da bin ich jedoch bereits wieder in Friedborn in der Kräuterkur.
Kürzlich nun war so ein erhabener Moment der Empfängnis. Ich tauchte sofort ins Wirrwarr der Covid-Zahlen, da erschien plötzlich ein wunderschönes Mannsbild mit Wespentaille. Natürlich sind Männer mit Wespentaillen suspekt. Aber dieser hier wischte sämtliche Bedenken beiseite und strahlte: «AUCH SIE KÖNNEN DIESE TRIUMPHALE FIGUR HABEN - DANK UNSERES BODY-KORSETTS TARZAN.»
ABER HALLO! Da habe ich alle Vorsätze, ein Zalando-Pöstler komme mir nie auf die Schwelle, über Bord geworfen. Und den Panzer bestellt, ohne vorher den Nationalrat, das Militär-Departement und Bundesrätin Amherd zu informieren.
Natürlich ist er nie angekommen. Die Himmlischen haben die Bestellung durch «KEINEN EMPFANG» unterbrochen.
Und so sitze ich also wie Kläuschen vor meinem Buch. Es ist nicht Ovid. Sondern Agatha Christie. Und statt in Hexametern übe ich mich im Giftmord.
ÜBRIGENS AUCH NICHT SCHLECHT FÜR DAS EGO.
Sollte das nicht helfen, kann ich noch immer mein Silber putzen...