Filet nach Landfrauen-Art

Susi zupfte an einer Serviette.

Sie war nervös. Immerhin ging es heute Abend um Paddys berufliche Zukunft. Der Job des Direktors war vakant. Und Unternehmer Bitterli hatte sich zum Nachtessen angemeldet.

Er war schon vorher bei verschiedenen Bürokollegen von Paddy zum Essen gewesen (alles hoffnungsvolle Kandidaten). Und immer mit den Worten «...so können wir einander einmal ungezwungen kennen lernen!».

JA, HALLO - W O DEN UNGEZWUNGEN?

Paddy hatte Susi mit Direktiven vollgebellt: «Kein Parfum er ist allergisch auf Düfte keine Schminke und keine roten Fingernägel das ist ihm ein Gräuel vor allem aber ist Herr Bitterli ein Gourmet und stell schon mal ein Gefäss bereit: Er bringt allen Frauen ein Boquet mit weissen Calla nimm die grosse Jugendstilvase... und...»

UND... UND... UND...

Susi war so was von sauer.

ERSTENS MOCHTE SIE KEINE CALLA. FÜR SIE WAREN ES TOTENBLUMEN. UND ZWEITENS WAR SUSI ALLES ANDERE ALS EINE BEGNADETE KÖCHIN.

Sie hasste es, am Herd zu stehen. Susi war Bio-und Mathe-Paukerin. Sie musste abends ihre Stunden vorbereiten. Also kochte der Ehemann. Susi war eh mehr der «Spiegelei mit Schwarzbrot»-Typ. Es gab nichts Besseres, als die Brotkrume im Dotter einzutunken. Und alles reinzuschlürfen...

«Kannst nicht d u kochen ich kann nur Ei?» Paddy hatte die Augen verdreht: «Herr Bitterli ist von der alten Garde, Susi... Frau am Herd... seine Alte soll eine grossartige Köchin sein... ein Mauerblümchen... was macht das für eine Falle, wenn da der künftige Direktor am Ofen steht?»

Sie beschloss, es mit Filet auf Niedergarmethode zu versuchen. Eine der «Landfrauen» hatte es im Fernsehen vorgemacht. Schien kinderleicht. Dazu Spinat.

Es konnte nichts schiefgehen.

GING DANN DOCH!

Frau Bitterli erschien aufgedonnert wie eine Dragqueen. Von wegen Mauerblümchen. Ihr leicht aufgespritzter Mund hatte das Rot der Cocktailkirsche. Sie duftete nach einem Chanel-5-Bad. Und «wie kann die mit grünen Fingernägeln kochen?», dachte Susi.

Herr Bitterli streckte ihr dann ein kleines Büschelchen mit Parmaveilchen entgegen. Die Blumen tauchten mit leisem Gurgeln in der bereit gestellten Jugendstilvase unter.

Das Drama: ALS SUSI IHR FILET AUS DEM OFEN ZIEHEN WOLLTE, DAMPFTE DA EIN VERKOHLTES SCHEIT. DAS FLEISCH WAR EIN FURZTROCKENES STÜCK ERBARMEN.

Man hätte jeden Feind damit erschlagen können. Entsetzt schaute Susi auf den Temperaturanzeiger: 280 Grad!

«Ach leck mich...», jaulte sie.

Am Tisch machte gemütlicher Small Talk die Runde. Frau Bitterli erzählte eben: «...immer bringt Max den Gastgeberinnen Calla die gehören doch aufs Grab ich habe ihm erklärt, dass dies einfach unmöglich...»

DANN SAGTE FRAU BITTERLI: «OOOHHH!» Auch Unternehmer Bitterli sagte: «Ohhh!»

Und Paddy schloss gepeinigt die Augen.

«Spiegeleier mit Spinat» - erklärte Susi auf ihre bestimmte Art, mit der sie auch ihren Schülern den Pythagoras beibrachte.

Als jeder serviert war, flüsterte Frau Bitterli: «Sie haben nicht zufällig Schwarzbrot im Haus...?»

Natürlich hatte Susi. Fünf Minuten später tauchten sie alle das Brot in den Dotter. Man hörte nur noch Schlürfen.

«Es gibt nichts Besseres... ich nehme noch zwei», seufzte Frau Bitterli. Ihre aufgespritzten Lippen waren dotterverschmiert.

Drei Tage später bestellte Bitterli Paddy ins Büro. Er streckte ihm einen Strauss Calla entgegen: «Bringen Sie die Ihrer grossartigen Gattin. Passt besser in Ihre Vase.

Der Abend war umwerfend - nach 15-mal Filet Landfrauen-Art» bei den andern waren die Spiegeleier eine Erlösung...»

Dann grinste er: «Gratuliere, Herr Direktor...»

Freitag, 17. Januar 2020