Von einer ausziehbaren Kuchenform und einem Stummfilm...

Illustration: Rebekka Heeb

Ich bin noch stinkig. ABER SO WAS VON!

Also - natürlich hatten wir abgemacht: NULL GESCHENKE! Wir sind keine Kinder mehr nun ja, das übliche dumme Geschwätz.

UND NATÜRLICH ERWARTET MAN DANN TROTZDEM ETWAS!

I c h jedenfalls habe Innocent mit allerlei Unnützem zugemüllt: gefütterte Bettsocken (er friert im Alter an die Zehen und fühlt sich so mit einem Schritt bereits im Grab)... rosa Zahnseide, die nach Vanille schmeckt... ein Kistchen Ricola-Pastillen (er ist süchtig)... 20 Schokoladenmäuse (jede einzeln verpackt und beschleift) - so waren es dann 40 Geschenke.

Und e r: E I N Geschenk!

Okay. Ich habe k e i n Diadem erwartet. Aber dann das: EINE AUSZIEHBARE BACKFORM VON BETTY BOSSI!

Ich backe nie! ABER JETZT K O C H E ICH.

Seit Heiligabend ist Stummfilm. Und der zog sich auch über Silvester hinweg: nach der gezwungenen Lustigkeit an den Bildschirmen bin ich um 22 Uhr heulend ins Bett gefallen. Und wünschte mir eine bessere Welt.

Gestern nun war Dreikönigstag. Er kam mit der Papierkronentorte zum Frühstückstisch.

Eigentlich wollte ich sie schmollschweigend ignorieren. ABER DER SPIELTRIEB IST ZU STARK.

Also reisse ich eine der Kugeln ab.

Beisse hinein.

UND HALLO - ICH BEISSE AUF DAS HARTE LOS. ES IST IM ZEITALTER DER GLEICHBERECHTIGUNG EINE K Ö N I G I N.

Jetzt habe ich klar Oberwasser - der Stummfilm ist gerissen. Das Wort zum Tag gross geschrieben: «...DU WÄSCHST DAS GESCHIRR DER LETZTEN SIEBEN TAGE!»

Die Geschirrwaschmaschine hat nämlich ausgerechnet an Neujahr mit einem gurgelnden Keuchen den Geist aufgegeben... SIE IST ERST FÜNF JAHRE ALT... ABER HEUTE HABEN NUR NOCH TROCKENFLEISCH UND POLITIKER KEIN VERFALLSDATUM.

Jedenfalls: alles voll mit Gläsern, Party-Gäbelchen und von Mayo angekleisterten Tellern. Aber eben: aus die Maus!

Da wir nach der ausziehbaren Cakeform nur noch das Nötigste miteinander reden, überlassen wir das halb gewaschene Geschirr schweigend seiner Lauge. Und stapeln neue, verdreckte Teller auf der Spülablage. DAS SIND DÜSTERE AUSSICHTEN AUF EIN UMWELTSAUBERES NEUES JAHR!

Jetzt also: i c h Königin. E r Sklave.

Die Queen legt sofort zur Thronrede an: «Wie kommst du dazu, mir vor 14 Tagen eine ausziehbare Cake-Form unter den Baum zu werfen...? DIE TAUSCHST DU SOFORT UM!»

Schweigen.

Er ist noch immer säuerlich, dass ich ihm vor Begeisterung über die back feste Ziehbackharmonika von Frau Bossi nicht um den Hals gefallen bin.

Ich trompete nach: «Was hast du dir eigentlich dabei gedacht... du Grosshirni?»

Er räuspert sich: «Wir hatten abgemacht: keine Geschenke...»

«DAS MACHEN WIR JEDES JAHR SO AB. UND IMMER HABEN WIR ETWAS!»

Wieder Schweigen. Ich schlage nach:

«Von m e i n e r Seite kamen 40 Geschenke - von deiner: Betty Bossi!»

Gekränktes Seufzen. Dann er: «Ich fühle mich mies. Ruf im Geschäft an, ich hätte Migräne...»

«BIN I C H KÖNIGIN ODER D U!?» - tose ich.

Aber was will man machen? Ganz Frankreich streikt!

Frau Muttiger, die gute Seele in der Advokatur nimmt es gelassen: «...er drückt sich nur, weil hier die Auspackerei vom Umzug ansteht. Cathy und ich geben unser Bestes - sagen Sie ihm: Bis morgen haben wir auch seine Nappaliege frisch zusammengebaut. Dann kann er wieder hier pennen...»

Die guten Seelen. Hoffentlich hat Innocent sie zum Jahres ende auch schön beschenkt. Deshalb frage ich zögernd nach:

«Ich hoffe doch sehr, der Senior hat sich grosszügig gezeigt...»

«Ich backe nie...», sagt Frau Muttiger leicht frostig. «Aber ich werde die Form im Frühling als Blumenkistchen verwenden...»

«Er hat euch doch nicht auch...?»

«Doch - sogar der Putzfrau, allen Technikern und auch dem Friseur im Parterre!»

Ich jage zum verdunkelten Schlafzimmer: «Innocent - was war das mit diesen Backformen?!»

Er schliesst gequält die Augen: «Es war Aktion im Internet! - Deshalb kann ich sie auch nicht umtauschen. Ab fünf Stück gabs eine gratis!»

Ich trug noch immer das Krönchen, als der Mann von der Waschmaschinenfirma kam:

«Aha - herzlichen Glückwunsch zur goldenen Krone. Jetzt können Sie den königlichen Haushalt gleich mal mit einer neuen Waschmaschine aufpolieren... die hier ist jedenfalls hinüber!»

ER SCHAUTE AUF DIE NEUE BACKFORM, DIE NEBEN DER SPÜLE STAND: «Ohhh - genau die gleiche habe ich meiner Frau auf Weihnachten geschenkt! Und auch meiner Schwiegermutter, meinem schwulen Freund Hans-Maria, unserer tamilischen Putzfrau und unserer Nachbarin, der alten Gygax - es war Aktionspreis ab fünf...»

WIE SOLLEN WIR DIESE WELT VERÄNDERN, WENN DEN MÄNNERN NICHTS ANDERES EINFÄLLT, ALS AUSZIEHBARE BACKFORMEN ZU VERSCHENKEN...?

Dienstag, 7. Januar 2020