Ernesto schleppte die Kühlkiste herbei. Im Schrebergarten dampften die Holzkohlen unter dem Grillrost...
ANNA STIERTE AUF DIE BLUTROTEN FLEISCHSTÜCKE, DIE ERNESTO JETZT LIEBEVOLL ZU MASSIEREN BEGANN...
Sie reagierte leicht stinkig: «Es ist mindestens 30 Jahre her, seit du m i c h so zärtlich geknetet hast!» ERNESTO GRINSTE: «DU MUSSTEST DANACH AUCH NIE AUF DEN ROST, ANNA!»
Vor 40 Jahren waren sie aus Sizilien in die Schweiz gekommen. Jung. Unbekümmert. Sie wollten hier ein fröhlicheres Leben haben. Pachino war zwar für seine Tomaten berühmt - es gab Tonnen davon. Aber keine Arbeit.
Anna fand schnell einen Job in einem Putzinstitut - Ernesto wurde Abwart in einem Wohnblock. Sie hatten bald drei Töchter. Und einen Occasion-Mercedes.
ES WAR KEIN SCHLECHTES LEBEN. DIE SONNE FEHLTE. UND MANCHMAL AUCH DIE SÜSSE DER TOMATEN VON PACHINO.
Ihr Plan war klar: Nach 15 Jahren wollten sie nach Sizilien zurück.
Natürlich kam alles anders. Die Töchter weigerten sich. Sie wollten bleiben. Hatten ihre Freunde hier. Später auch die Ehemänner.
Und wenn in den Ferien «tutta la famiglia» auf die Insel reiste, waren sie plötzlich die Fremden. «Die Schweizer kommen!» - wurde die Sippe im Dorf angekündigt. Irgendwie gehörten sie nicht mehr hierher.
Anna schaute jetzt grimmig auf die Fleischberge. Sie schüttelte den Kopf: «Das geht nicht, Ernesto - du kannst denen nicht eine Viehschau bieten. Sie mögen kein Schwein. Und überhaupt: Niemand isst so viel Fleisch.»
«MADONNA!» - jammerte Ernesto. «In Sizilien haben wir auf Weihnachten unser Schwein geschlachtet - und waren glücklich über ein Stück von der Wurst. Was wissen die hier denn vom Leben?!» Wütend knallte er ein Stück Huft auf den Rost, dass es Funken sprühte. «ICH WILL MEIN FLEISCH. ICH WILL MEINE WURST. UND DU WILLST AUCH, ANNA!»
Sie streichelte jetzt seinen Kopf: «Ich habe für die Jungen Gemüse am Spiess vorbereitet. Und Kartoffeln in Folie. So etwas mögen sie...»
Die Jungen zogen prompt die Arschkarte: «GEHTS NOCH GRILLFEUER MIT KOHLE?! Grillieren schadet dem Ozon! Und Folien um die Kartoffeln? F O L I E N! DIE UMWELT STIRBT, UND IHR SAUT MIT FOLIE HERUM!»
SO SASSEN DIE JUNGEN AN DEN CAMPINGTISCHEN. UND NAGTEN AN ROHEM GEMÜSE, DAS MARIO MITGEBRACHT HATTE.
Ernesto biss demonstrativ ins Steak!
Anna holte sich eine Bratwurst: So VIEL SOLIDARITÄT MIT IHREM MANN UND SIZILIEN DANN DOCH!
Mario hielt Ernesto ein Schälchen mit feurig roten Tomätchen hin: «Die kommen aus Sizilien. Von Pachino. Es sind die besten...» Ernesto schob sich eine der Tomaten ins Maul. Sie schmeckte fade.
«Opa weint» - flüsterte die Enkelin.