Sonne. Und das Meer blau wie ein Korb voller Zwetschgen. Paradies perfekt. Es sind dann immer Gianni und Lida, die uns aus diesem Paradies vertreiben. Sie stehen grantig am Tor: «Alle Rosen haben den Tau das Warmwasser funktioniert nicht und der rote Kater hat bei einer Wildsau-Attacke den Weg über den Regenbogen angetreten.»
MEIN ROTER KATER!
Ich habe ihn als kleinen Wuschel aufgepäppelt. Er war der einzige Mann, der je Zutritt ins Schlafzimmer hatte. UND JETZT MAUSE!
Ich schaue Gianni scharf an: «Er war sehr, sehr gut im Schuss - wie konnte das mit der Wildsau passieren? Oder habt ihr ihn fürs Pfingstfest geschlachtet?»
Gianni tut beleidigt: «Ihr Nordlichter glaubt noch immer, dass wir im Süden Katzen braten! Wir fangen auch keine Vögel; es hat eh keine mehr.»
Stimmt. Es sind weniger Vögel. Weniger Leuchtkäfer. Weniger Schmetterlinge. Alles ist weniger - und es scheint, dass die Wildschweine auch über den Weinkeller gekommen sind.
«Ich hacke dem Gianni die Eier ab», brüllt Innocent. «Wenn sie wenigstens den billigen Joli für die Gäste weggesoffen hätten - aber nein! Meine teuren Flaschen, die mir Eduard zum 80. geschenkt hat. Alles weg!» Ich beschwichtige: «Pssst - verärgere die beiden nicht! Wer macht dir am Arsch der Welt sonst die Betten? Und wer repariert den Boiler und das kaputte Dach?!»
Nun gut - der Fehler liegt bei mir, als ich Gianni und Lida mit der Geste eines grosszügigen Alleinherrschers erklärt habe: «Es ist euer Haus - tut so, als ob ihr hier daheim wäret!»
SIE HABEN ES SEHR WÖRTLICH GENOMMEN.
Gemeint war eigentlich: «Schaut so gut zu dieser Baracke und dem Garten, als sei es euer eigenes Heim!»
Nun sitzen wir also vor der Hütte. Schauen, wie das hohe Gras sich braun dörrt. Warme Wäsche findet mithilfe eines Tauchsieders statt.
Und vom offenen Dach aus grinsen uns beim Nachtgebet die Marder ins Gesicht.
Ich schweige, weil Ausbrüche nichts helfen. Aber die Toblerone, die Innocent zum halben Preis erstanden hat, bleibt vorerst unausgepackt. NEIN. KEINE SÜSSE GRATIFIKATION FÜR DAS PERSONAL. Sondern schweigendes Missfallen. Hier herrscht noch Gerechtigkeit - und nicht die Gewerkschaft!
«Die Oma ist tot!», versucht nun Lida Mitleid zu schinden.
Wegen ihrer toten Oma bringt mich keiner zum Weinen. Die ist schon siebenmal gestorben.
Unter uns nannten wir so etwas die «Mortadella-Oper». Wir konnten das Lied von der Omi, die alle ihre Lieben am Sterbebett haben wollte, nicht mehr hören.
WIR SIND JA NICHT BLÖD!
DOCH. DAS WAREN WIR! Denn ich schluckte meine Protestschreie zu den anderen Magengeschwüren runter. Auch hier siegte die Überlegung: «WO SONST BEKOMMST DU IN DIESER WILDNIS EINEN NEUEN BESEN HER?»
Ich also etwas stimmbelegt: «Das mit der Nonna tut mir leid, Lida. Aber wir sollten dennoch die Betten frisch beziehen; es kommen Gäste.
Und die Laken sind feuchter als die Pampers im Altenasyl.»
Lida snifft: «Morgen ist das Funerale. Sie kommen doch beide? Die Nonna Maria hat euch stets diese wunderbare Fischsuppe gekocht.»
Hat sie - und dafür den Preis von sechs Langusten verlangt, obwohl sie immer nur Tiefkühl-Merluzzo verwendete.
Natürlich weiss Lida, dass ich Beerdigungen so mag wie den Schimmel auf der Wurst. Aber dummerweise hat sie die Rechnung ohne Innocent gemacht.
Der lässt keine aus. Auch wenn es nur die Schwiegermutter des Briefträgers ist. Stets winkt da ein Gläslein nach der Gruft. Innocent steht dann schon am Buffet, wenn die Trauernden noch immer den Rosenkranz beten und die Erde auf den Sarg würfeln.
Deshalb: «LIDA, WIR KOMMEN. DAS SIND WIR DER GUTEN NONNA SCHULDIG.»
Mit aufsteigender Freude sehe ich, wie unsere Putzperle bleich wird. Sie wirft Gianni einen fragenden Blick zu. Schon verschwinden die beiden hinter die Olivenbäume. Wild reden sie aufeinander ein.
Gianni brüllt Unverständliches in diesem arabisch-toskanischen Dialekt, der stets tönt, als sei der Fernseher kaputt.
In der Kirche war es wie auf dem Basar. Die Heulweiber jammerten für bares Geld. Es ist Tradition, dass hier die Toten unter den schrillen Schluchzern der Chorfrauen ins Jenseits begleitet werden. Dito gilt für Mädchen vor der Hochzeitsnacht. Es ist immer das Drama um ein verlorenes Leben.
Alles beugte sich nun über den Sarg. Es gab auf Kopfhöhe eine Scheibe. Die wurde eifrig geküsst. Es war das hingeschmatzte Adieu an Nonna Maria.
Ich hauchte auch. Obwohl - es war unappetitlich. Die Scheibe war vollgeschmiert von Lippenstift und Nasenabdrücken. DANN SAH ICH ES: «Das ist nicht Nonna Maria! Diese Alte hier hat uns nie Fischsuppe gekocht!»
Lida nahm meine Hand. Und schaute traurig zur Mutter Gottes: «Die Krankheit hat sie stark verändert, Signore »
Innocent stand bereits bei den Weingläsern.
Der Tropfen war edel. Und natürlich: aus unserem Keller.
NATÜRLICH HABE ICH WIEDER ALLE PROTESTE RUNTERGESCHLUCKT - DENN IRGENDWANN MUSS JETZT DAS DACH REPARIERT WERDEN!