Influenzer

Irmi sass bereits am Kuchen. Helga schüttelte missbilligend die Locken. Sagte aber nichts. Nur: «Du siehst prächtig aus...»

Irma seufzte. Und leckte sich den Rahm von den Lippen: «Es trügt. ALLES NUR PUDER. Nein. Ich bin total deprimiert. Und wenn ich deprimiert bin, muss ich etwas Süsses reinhoovern!»

Helga hielt den Atem an. Ihre Gedanken machten Sprünge: der Mann mit einer andern ab... oder schlimmer: Wolfi tot?

«Du Armes.» - Helga nahm Irmas Hand: «Wolfi? Ist er...?»

Irma zog nervös die Hand aus Helgas Fingern: « Quatsch, der Dackel ist pudelmunter. Der hockt im Hunde- salon. Nein es geht um Rolf. Mein Sohn ist jetzt Influenzer...»

Helga winkte ab: «Grippe macht die Runde Milch und Honig sind...»

«Nicht Influenza! I.N.F.L.U.E.N.Z.E.R. Oder mit anderen Worten: Rolf ist plötzlich Lobbyist»

Für einen kurzen Moment hat es Helga jetzt doch die Sprache verschlagen. Dann: «Mach dir nichts draus - mein Schwager ist auch schwul!»

Genervt hackte Irma auf ihr Erdbeertörtchen ein: «Du kannst manchmal echt die Doofnuss raushängen, Helga. Man möchte nicht glauben, dass du im Parlament arbeitest...»

Helga schwieg gekränkt. Gut. Sie stand nur an der Espresso-Bar, wo sie die Regierungsleute mit Cappuccino bediente. ABER IMMERHIN SCHÄTZTE MAN ES, WIE SIE HIER DAMPF ABLIESS! Da wurde nämlich jedes Tässchen vorgeheizt. Und wenn sie dieses alte Wrack von einer Kaffeemaschine endlich durch eine «Napoli 2» ersetzt bekäme, könnte sie ihre Kundschaft noch besser verwöhnen. In Zürichs Parlament dampfte schon lange eine «Napoli 2» und...

Irma tätschelte der Freundin den Arm: «Sorry. Ich wollte nicht grob sein. Aber ich verstehe einfach nicht, dass mein Sohn seinen sicheren Job als Umweltschutzsekretär hinschmeisst, nur um jetzt bei der Chemie als Lobbyist anzufangen»

Helga nippte am Espresso und stellte zufrieden fest, dass der ihrem an der Parlamentsbar das Wasser nicht reichen konnte: «...was tut denn so ein Lobbyist?»

Irma zuckte die Schultern: «Also, Rolf kennt doch das ganze Parlament. Nun lädt er die Ex-Kollegen zu Nachtessen ein. Und erklärt ihnen, dass Chemie für die Menschheit wichtig sei... als Influenzer muss er sie dazu bringen, dass sie an den Abstimmungen den richtigen Knopf drücken.»

«Aha», sagte Helga.

AM ANDEREN TAG FLÜSTERTE SIE DREI REGIERUNGSRÄTEN UND EINER GROSSRÄTIN ZU, DASS ZÜRICH PUNKTO ESPRESSO DIESEM PARLAMENT UM MEILEN VORAUS SEI.

Der Ankauf einer neuen Espressomaschine wurde so ohne Gegen stimme durchgewinkt. Und Helga: Influenzerin bei «Napoli 2».

Freitag, 10. Mai 2019