Quartierfasnacht

Timur schaute die Kindergärtnerin finster an:

«Meine Leyla nicht trommeln …Leyla sein Frau …nicht Bub. Frau nicht trommeln…»

Myggy seufzte.

Sie wünschte, Bea wäre hier.

Die kannte sich in sowas aus.

Bea war die «politische» der beiden Kindergärtnerinnen. Immer auf der SP-Liste. Während Myggy insgeheim SVP wählte.

Die Probleme an den Elternabenden, ob ihr gekochter Hammel halal oder andersrum war, hatten ihr in den letzten Jahren Gallensteine angerollt.

MUSS SICH ALSO KEINER WUNDERN!

«Herr Timur», seufzte sie jetzt freundlich und spürte, wie ihre Steine rasselten, «bei uns alle Frauen gleich wie Männer… kein Unterschied zwischen Leyla und Timur… verstehen?»

«GROSSES UNTERSCHIED, KLEINES FRAU!», knurrte Timur.

Myggy fuhr unbeirrt weiter: «Fasnacht ist unsere Kultur, Herr Timur … S i e haben schöne Kultur in Antalya … wir schönes Trommeln in Basel…»

«FRAUEN NIX TROMMELN!», knurrte Herr Timur noch einmal bestimmt.

Da öffnete sich die Türe. Eine Frau in düsterem Rock und geblumtem Kopftuch kam herbeigerauscht. Sie nahm Herrn Timur kurzerhand am Arm – und seufzte zu Myggy: «Er sein Mann… er sein dumm… NIX ZU SAGEN…»

SO WURDE HERR TIMUR ABSERVIERT…

Myggy erzählte Bea vom Happening: «…die Frau hatte Haare auf den Zähnen… ein grossartiges Weib!»

Die Kollegin schaute scharf: «Hast du ihm Tee angeboten?»

Myggy schüttelte schuldbewusst den Kopf.

«Erstes Gebot: zuerst Tee anbieten! DAS IST SEINE KULTUR, MIRIAM…»

Die beiden Frauen waren Kindergärtnerinnen mit Leib und Seele.

Sie machten aus ihrem Fasnachts-Umgang ein Ereignis, das die Kleinen ein Leben lang im Herzen tragen sollten.

Den Kindern wurde beigebracht, was ein Sujet bedeutet… wie man Larven macht… was ein Piccolo ist…

AM SCHLUSS HATTEN ZWÖLF NATIONEN IM CHOR GESCHRIEN: «WIR WOLLEN TROMMELNDE WAGGIS SEIN!»

Die Larven waren gemalt. Die Kostüme gebügelt (die Mütter der indischen Aamani und von Damba aus Uganda hatten die Waggishosen geschneidert) – Probleme gab’s bei den Trommeln. Bea war zwar geschickt. Aber ihre Konstruktion aus Waschpulverkartons mutierte immer wieder zum Ei.

Die Kindert waren verzweifelt – ein Herr Andreas hatte ihnen gezeigt, wie man die Schlegel richtig hält. Jetzt wollten sie loslegen.

LEYLA ERZÄHLTE ZU HAUSE DAS TROMMEL-PROBLEM.

Die Mutter schleppte ihren zeternden Alten wieder zu Myggy: «Timur hat goldenes Hände… er machen Trommel für Leyla und alle anderes…»

«Darf ich Ihnen einen Tee anbieten, Herr Timur…», sagte Myggy sofort. Unter der Türe hob Bea den Daumen hoch.

ES WURDEN TRAUMTROMMELN!

Der Kinder-Fasnachtszug wurde von einer richtigen Clique angeführt – zwölf Nationen zogen geeint durchs Quartier. Und Bea dachte: «Wenn Integration doch immer so einfach wäre…»

DIE LEUTE STANDEN VOR DEN HAUSEINGÄNGEN. APPLAUDIERTEN. LACHTEN.

Hinter den trommelnden Kindern stolzierte Herr Timur mit. «IST GUTES TROMMELN… TROMMEL BEI UNS TRADITION… VORNE IST MEINES LEYLA… BEI UNS AUCH KLEINES MÄDCHEN TROMMELN… »

Die Helfer wurden dann von Bea und Myggy mit einem Mittagessen belohnt.

«HAMMEL-RAGOÛT – ZUM DANK FÜR DIE ARBEIT!», lächelte Myggy zu Herrn Timur.

«Gutes Frau», nickte der anerkennend, «Schönes Trommel-Tradition …ist Hammel halal?!»

«Halal ist Tradition!», nickte Myggy.

Freitag, 1. März 2019