Herr Pumpel

«Herr Pumpel muss mit!»

Der alte Mann sass in der leeren Küche. Und polterte noch einmal mürrisch: «Herr Pumpel muss mit!»

Herr Pumpel sass auf Eds Schoss. ÜBER 60 JAHRE LANG HATTEN FRED UND HERR PUMPEL HIER GELEBT.

Und jetzt: alles vorbei!

Lucie schüttelte unwillig den Kopf: «Es ist immer schwer, Opi. Aber alle Menschen müssen einmal der Vergangenheit «adieu» sagen.

Dann: «Du hast es gut dort…»

Fred knurrte wieder: «Herr Pumpel muss mit!»

Lucie hüstelte jetzt unwillig:

«NIEMAND HAT ETWAS GEGEN DEINEN HERRN PUMPEL, OPI … ABER BIS ANHIN HAST DU DICH AUCH NIE UM IHN GEKÜMMERT…!»

Fred schloss die Augen.

Als ihm seine Grosstochter vor einem Jahr klarmachte, dass es für ihn besser sei, die grosse Wohnung endlich aufzugeben und ein «sicheres Plätzli» (ihre Worte) in einer betreuten Alterssiedlung zu beziehen, dachte er: «Die stiert das durch … die hat meinen Grind… ich sortiere vorsichtshalber schon mal meine Dinge!»

EIGENTLICH WAR ER NIE DER SAMMLER-TYP GEWESEN.

Lore war es, die einfach nichts wegwerfen konnte.

Erst als sie tot war, bewahrte auch er all die Dinge auf, die an sie erinnerten. Und warf nichts mehr weg.

ALS ER DANN AUF DEM ESTRICH DIE STAUBIGEN KISTEN UND KOFFER ÖFFNETE, IN DENEN LORE ALL DIE SACHEN AUFBEWAHRTE, DIE – WIE SIE SAGTE – «EIN STÜCK UNSERES LEBENS SIND, FRED!», DA WAR ER AUF HERRN PUMPEL GESTOSSEN.

Herr Pumpel hatte ziemlich mies ausgesehen: Das gekrauste Wollfell des Strick-Bären war von Motten angefressen gewesen.

Und sein linkes Auge fehlte.

ABER HERR PUMPEL WAR IN DESSEN BESSEREN JAHREN STETS FÜR FRED DA GEWESEN. Oft haben die Eltern den Jungen abends alleine im grossen Haus zurückgelassen.

«NIMM HERRN PUMPEL MIT INS BETT!», sagten sie dann. Und gingen sorglos ins Kino.

So wurde Herr Pumpel Freds Vertrauter.

In Pumpels Pelz stammelte der Junge all die schweren Nöte … seine Furcht vor schlechten Noten … oder die Angst, von den Eltern verlassen zu werden.

DIE ALTEN STRITTEN OFT. UND DAS WORT «SCHEIDUNG» GRIFF WIE EINE KALTE HAND AN FREDS HERZ.

Er hat dann Herrn Pumpel in die Ehe mitgebracht.

Lore lachte ihren Mann aus: «Den brauchen wir nicht mehr, Fred – wir haben jetzt einander.»

GUT.

ER HATTE DANN HERRN PUMPEL AUCH KEINE SEKUNDE VERMISST.

Doch jetzt war der Zottelbär hier. Und Fred vermisste Lore. Er würde auch die alte Wohnung vermissen. Er brauchte unbedingt jemanden, dem er diese Gefühle erklären konnte.

ALS SIE IM ALTENHEIM ANKAMEN, SCHAUTE LUCIE ETWAS GENIERT ZUR HAUSLEITERIN:

«Er kann sich nicht von Herrn Pumpel trennen…»

«Herr Pumpel muss mit!», sagte Fred bestimmt.

«Das ist ganz okay», lächelte die Frau. «Wir schauen jetzt alle zusammen mit Herrn Pumpel das Zimmer an…»

Beim Nachtessen im grossen Saal setzte die Hausleiterin Fred zu einer älteren Dame.

Diese lächelte: «Hallo, ich bin Ilse!»

Dann zupfte sie eine etwas verlebte Stoffpuppe von ihrem Schoss: «…und das ist Fräulein Mizzi!»

Herr Pumpel und Fräulein Mizzi wurden gute Freunde.

Freitag, 15. Februar 2019