Lilli betrachtete ihre Grosstochter. In den Augen der Nonna funkelte Stolz. Es funkelte Liebe.
UND ES FUNKELTE EIN BISSCHEN UNWILLEN.
Lara lümmelte auf der Coach.
In den Händen das Handy.
Die Grossmutter seufzte: «Lara…»
Keine Antwort.
Nur eine sonore Stimme aus dem Telefönchen. Diese sagte «SWEET!»
Dann: «Dingdong…!» «LARA!» Lilli wurde nun doch stinkig.
Immerhin kam die Enkelin nur selten zu Besuch.
Heute hatte die Nonna den Aufpasser-Job, weil Laras Eltern mit Golffreunden für zwei Tage ins Elsass gefahren waren.
SEIT EINER STUNDE DÜDELTE ES JETZT AUF DER COACH: «DINGDONG…!...SWEET…DINGDONG»
«Lara!!»
«Nicht jetzt – Mummi!»
«Wollen wir ein Spiel spielen?»
Die Enkelin schaute gequält von ihrem Handy auf: «Ich spiele doch. Ich bin auf 3500 Punkten…» Wieder fingerlte Lara auf den Tasten rum.
Kürzlich hatte Lilli gelesen, dass die Zeigefingerkuppen neuer Generationen um vier Millimeter breiter sein würden, als diejenigen der Vorfahren.
Künftig also: Frosch-Finger dank Handyspiele!
DAFÜR LOHNTE ES SICH DOCH, DIE WELT ZU RETTEN!
«Wir könnten Monopoly…»
«ICH SPIELE KEINE GAMES, DIE AUF KAPITALISTISCHEM SCHEISS AUFBAUEN…»
Aha.
«Ich habe noch das Hütchenspiel aus meiner Kinderzeit! Lara schaute gequält auf: «Mummi – du meinst das V e r h ü t u n g s spiel. Das hatten wir doch schon in der Sexualkunde im Kindergarten…»
IRGENDWIE WAREN DIE WERTE HEUTE ANDERS GESETZT!
«Schwarzer Peter…», warf Lilli noch zaghaft ein.
Nun wurde die Enkelin total sauer: «DAS IST EIN RASSISTISCHES SPIEL! HAT EURE GENERATION NICHTS DAZU GELERNT…»
«Game over!», sagte die Stimme aus dem Handy. «Verdammter Shit!», nervte sich Lara.
Dann mit vorwurfsvollem Blick zur Grossmutter: «Wegen deines Gebabbels habe ich jetzt 350 Kilos Candy vergeigt…»
Lilli SCHÜTTELTE DEN KOPF:
«Zu meiner Zeit sass man noch an einem Tisch. Und hat miteinander gezockt. Das war spannend. Auch wenn dein Grossvater immer mal die Spielfigürchen an die Wand geworfen hat…»
«MUMMI!»
Lilli lächelte in Erinnerung: «…und dein Vater hat seiner Schwester rasend vor Wut das Eile-mit-Weile-Brett über den Schädel geknallt… HEUTE IST ER PRÄSIDENT IM GOLFCLUB…!»
LARA SEUFZTE: «Mummi – hast du ein Handy?»
«Ich benutze es nie. Nur wenn dein Vater mich anruft…ER HAT MIR SEINEN EIGENEN TON EINGERICHTET. UND ICH WEISS: D A S IST HUGO!»
«Gut», sagte die Enkelin energisch, «ich lade dir ein Spiel runter…das hilft, deine Gehirnzellen zu trainieren!» «Meine Hirnzellen sind mir recht so, wie sie sind!», antwortete Grossmutter.
VIER STUNDEN SPÄTER SASSEN DIE ZWEI AUF DER COUCH.
BEIDE STIERTEN AUF IHRE HANDYS. UND: «DINGDONG…!»
Schliesslich schaute die Enkelin auf: «Mummi – ich habe Kohldampf!»
«Nicht jetzt!», knurrte die Nonna.
DINGDONG!
Bebend vor Wut warf die Grossmutter ihr Handy auf die Couch: «ICH HÄTTE FAST 400 CANDY-PUNKTE GESCHAFFT!»
«Game over!», sagte der Apparat.
ABENDS SPIELTEN SIE «EILE MIT WEILE».
Das Handy düdelte den Hugo-Ton.
«NICHT JETZT!», brüllten die beiden. Der Vater wurde abgedrückt. Vier Mal flogen die Figürchen an die Wand.
DAS COMPUTERSPIEL MAG DIE BEWEGLICHKEIT DER GEHIRNZELLEN AUFPOLIEREN.
«Eile-mit-Weile» aber fördert das Temperament…