Klausentag

«HAMMER!» – Luc betrachtete Sven.

Der hatte sich den weissen Rauschebart umgebunden. Und posierte in seinem roten Klausen-Outfit.

«DIE WEIBER WERDEN AUF UNS FLIEGEN!», rieb er sich die Hände. Und zitierte Goethe nach seiner Art:

«Einen geilen Klaus

Küsst doch jede Maus!»

Das Ganze war Svens Idee gewesen.

Dieser hatte Zoff mit der Freundin.

S i e wollte ein Kind.

E r nicht.

Sven hatte klar argumentiert: «Dann sind wir gebunden, Liz… Kinder verlangen den Alten alles ab.

Ich bin da noch nicht so weit…»

Liz hatte ihn lange angeschaut: «Gut. Sag mir, wenn du so weit bist – Sven. Wir sollten eine Pause einlegen…»

Und so zog er jetzt als Gelegenheitssingle von Bar zu Bar. Von Busen zu Busen.

Nun wollte Sven am Klausen-Tag mit seinem engsten Kumpel die Frauen aufmischen.

Beim «Kostüm-König» suchten sie sich die elegantesten Rotmäntel aus.

Und im Supercenter deckten sie sich mit weissen Bärten und roten Süssherzen ein:

SIE WOLLTEN ES ALS SCHOKOKLÄUSE KRACHEN LASSEN!

UND LOS GEHTS!

Doch Aufregung: «Eine Glocke! Wir brauchen etwas, das schellt…»

Es war nichts aufzutreiben. Also montierte Sven die Fahrradklingel ab.

SO SCHELLTEN DIE BEIDEN KLÄUSE MIT EINEM SACK VOLLER HERZEN DURCH DIE STADT.

Sie baggerten junge Frauen, die von der Arbeit heimkamen, an:

«Du heisses Kätzchen… ein Küsschen für den lieben, alten Nikolaus?»

Gekicher.

Oder auch: «Fickt euch! – Klausentag ist kein Morgestraich…!»

Die zwei klingelten fröhlich weiter.

Da spürte Sven etwas an seinem Knie.

EINE DUNKLE HAND HIELT IHN AM ROTEN SAMTMANTEL FEST: «Bist du der Nikolaus?»

Sven ging in die Hocke. Er sah in zwei rabenschwarze Augen. Sie musterten kritisch den Rauschebart: «Ist der echt?»

Für einen Moment war Sven sprachlos. Dieser kleine, schwarze Bengel plapperte fliessend seinen Dialekt.

Der rote Klaus brummte nun mit tiefer Stimme: «Aber sicher ist der echt! Wie heisst du?»

Der Kleine grinste: « ICH BIN JA NICHT BLÖD… ICH HEISSE LAMIN. UND LEBE SEIT VIER JAHREN HIER. BIN AUS SAMBIA GEFLOHEN…»

«Aha», hustete Sven verunsichert. «Wo sind deine Eltern jetzt?»…

Der Kleine wurde leiser: «Weiss nicht… Im Boot nach Italien waren beide noch da… Dann kam der Sturm…»

Er machte eine lange Pause.

«Ich wurde gerettet… Seither lebe ich bei meinem Onkel hier…»

Lamin lächelte nun: «Er ist gut zu mir. Die Menschen hier sind alle gut. Und das Leben auch …»

Schliesslich flüsterte das Kind: «…Aber ich vermisse meine Eltern… Ich brauche sie… Ohne die Hand meiner Mutter ist es schwer, einzuschlafen…»

Luc und Sven hatten dem Kleinen stumm zugehört.

Luc nahm den Bart ab: «Das wars dann wohl… Ich mag nicht mehr…»

Sven aber öffnete den Sack mit den Schokoladen-Herzen: «Da Lamin – nimm dir, so viel du willst…»

Jetzt lachte der Kleine wieder: «Kann ich auch die Klingel haben?»

Die zwei Kläuse tranken dann an der Hipp-Hopp-Bar noch ein Bier. Sie waren ungewohnt still.

«ZUMINDEST WARS EINE ERFAHRUNG», sagte Luc endlich.

«Ja», nickte Sven.

Er zückte sein Handy:

Dann: «Liz – bist dus?

Ich denke, ich bin so weit…»

Freitag, 30. November 2018