Er kam mit Rosen.
Das tat Max nie.
Also büschelte Leonie die Blumen leicht irritiert in die Vase.
Max bereitete mittlerweile das Happy-Hour-Gesöff des Tages zu.
Es war Gin Tonic.
Es war immer Gin Tonic.
Als er ihr vor drei Jahren zaghaft vorschlagen wollte: «Vielleicht sollten wir auch auf diesen SPRITZ umsteigen. Alles spritzt jetzt…» – Also, da hatte Leonie ihm zugelächelt: «Aber Max – wir mixen uns seit 30 Jahren Gin Tonic. Weshalb sollen wir etwas Neues anfangen?»
Er hatte geseufzt. Und einen zünftigen Schuss mehr Gin reingeschüttet – so viel Neues dann doch!
Nun hält er Leonie also das Glas hin: «Hier, Liebes – ich möchte mich scheiden lassen…»
«Ja gerne…», lächelt sie, «…die Kinder kommen am Wochenende. Willst du grillen?»
«Leonie – ich möchte nicht grillen. Ich möchte die Scheidung!»
JETZT ERST SICKERTE DIE AUSSAGE REIN WIE DER GIN INS BLUT.
Für einen Moment blieb Leonie stumm. In ihrem Kopf hämmerte es: «Der arme Kerl… er ist überarbeitet…!»
Sie lächelte etwas unsicher: «Aber Max – wenn das einer deiner Feierabend-Witze sein sollte, dann habe ich schon bessere gehört… Wir sind jetzt 34 Jahre miteinander verheiratet und…»
«Eben!»
«WAS EBEN!» – ihr Ton wurde nun hochprozentig wie der sackteure Gin aus der Premium-Serie.
«ICH BRAUCHE EINE VERÄNDERUNG. IMMER IST ALLES GLEICH. NATÜRLICH LIEBE ICH DICH. ABER WIR SCHLAFEN BEI UNSEREM EWIGEN TROTT EIN…»
Er machte eine kurze Pause.
«Sie heisst Lilli», seufzte er dann. Und stierte auf die kleine Perserbrücke unter dem Fernsehtisch. «Sie macht mich jung… heiss… es ist so total anders und…»
Er zuckte mit der Schulter: «Sie ist nicht etwa ein dummes Teenie-Girl, Leonie – sie ist sogar zwei Jahre älter als du. Aber alles ist neu…»
Es wurde am Wochenende nicht gegrillt.
Und die Kinder lachten: «Ach Mami – der hat die Midlife-Crisis… Kommt schon gut!»
KAM ES NICHT. UND MAX ZOG AUS.
Also läutete Leonie eines Tages an Lillis Haustüre: «Ist Max da?»
Eine Frau in Jeans und weissem Shirt lachte ihr entgegen: «Aber nein. So weit sind wir nicht. Er wohnt im Hotel… Ich muss schon sagen, Leonie, Sie haben ihn stark verzogen. DIESES VERWÖHNPROGRAMM GIBTS BEI MIR NICHT…»
«Sie hat die bessere Figur», dachte Leonie. Und: «Ihre Augen sind wie Feuer!»
Lilli holte Leonie aus ihren Gedanken: «Kommen Sie rein – ich mache uns einen Abenddrink!»
Als Leonie nach zwei Stunden heimging, fühlte sie sich erstmals nach vielen Jahren frei. Übermütig. Fast happy.
SIE WÜRDE AM NÄCHSTEN TAG MIT LILLI EIN ROCKKONZERT BESUCHEN.
Vier Wochen später tauchte Max niedergeschlagen zu Hause auf. Mit Rosen. Schon wieder.
«HALLO LEONIE, MEIN LIEBES…»
«So eine Überraschung?», lächelte ihm seine Frau zu. «Aber müssen es immer Rosen sein?»
Sie zeigte aufs Sofa: «Lilli brauche ich dir ja nicht vorzustellen… Sie ist bei mir eingezogen. Du hattest ja so recht: man braucht hin und wieder mal was anderes…»
Nun ging sie zum Buffet. «Magst du einen Abenddrink? Noch immer Gin Tonic? Ich bin jetzt auf «Spritz»…