Als junges Couple kochten wir nicht.
Wir ernährten uns von Toast. Und von Eiern.
DAS WARS.
UND DAS WAR GUT SO, WIE MEIN FREUND – DER BERLINER – WOWI SAGEN WÜRDE.
Innocent war stark in Eiern. Hart. Weich. Drei Minuten. Oder als Omelette mit Frischkäse und Tonnen von Trockenkräutern.
Mit der «Omelette Surprise» hat er den schönen keuschen Kerl über den Tisch gezogen.
Na ja – keusch ist relativ. Aber schön ganz sicher.
Jedenfalls lagen wir nach der ersten «Surprise» zusammen auf dem neuen Spannteppich. Wir stanken nach Knoblauch (die Omelette hatte es in sich) und tranken den Kaffee am Boden.
Die Lage war orientalisch – der Kaffee: Pulver von Nestlé.
Im Eiern war Innocent stärker als im Espresso.
DIE FAMILIE DER INNOCENTS WAR NUN NICHT GERADE DAS, WAS MAN KULINARISCHE HOCHFLIEGER NENNEN KÖNNTE.
Jaganzimgegenteil!
Oder um es klar auszudeutschen: Die Mutter konnte auf Weihachten Datteln halbieren. Und diese mit gekauftem Marzipan füllen.
NOCH HEUTE HAT INNOCENT TRÄNEN IN DEN AUGEN, WENN ER EINE GEFÜLLTE DATTEL SIEHT: «Die Mammi war so etwas von einer prima Köchin...»
DIE ERINNERUNGEN TRÜBEN DIE BITTERE REALITÄT – DIE MAMMI KONNTE NÄMLICH EINE KAROTTE NICHT VON EINER METTWURST UNTERSCHEIDEN.
Deshalb hatten sie auch eine Köchin. Doch die kochte nur Toast. Und Rührei. Wobei wir wieder beim Ei wären. Und dem englischen Touch der Innocents.
Der Vater, ein schöner Mann mit dichtem Haar und noch dichteren Ohren, hatte nämlich sein Leben bis zur Heirat in London verbracht. Dort soll er von Tee, Toast und Tonnen von Eiern gelebt haben.
ALS IHN DER BANKER-BERUF IN DIE KLEINE STADT AM RHEIN ZURÜCKRIEF, EIERTE ER WEITER.
Und deshalb darf ich ruhig sagen: Es war kein grosses, gastronomisches Umfeld, das Innocent in seinen Jungjahren geprägt hat. Es war Toast mit Ei. Auch wenn er heute immer und überall behauptet, er habe «die gute Küche» in unsere Partnerschaft getragen.
O.k. Die Küche schon. Die war neu.
Und (ausser der Omelettenpfanne) unangetastet wie der anfänglich erwähnte, keusche Jüngling.
Bald schon hatte das junge Paar Besuch. Viel Besuch. Und der wollte verköstigt sein.
RAN AN DIE EIER!
Innocent entwickelte wunderbare Gerichte mit dem Hühnerprodukt, das damals weder als «Bio» noch «Freiland» oder gar «glücklich gelegt» deklariert war.
SONDERN EINFACH NUR ALS «EI».
Innocent kreierte Aufläufe mit hartgesottenen im Büchsenspinat. Als Couverture schüttete er eine Béchamel darüber. Sie wurde aus etwas, das man «das Tubenwunder» nannte, zusammengerührt: Tubenschlirg... Maggi... Milch... und rühren!
Der Kleister kam auf den Spinat mit den halbierten Eiern. Dann noch eine Handvoll geriebener Emmentaler darüber. Und ab in den Ofen!
DIE GÄSTE HATTEN TRÄNEN IN DEN AUGEN!
Denn weil Innocent schon damals ein ziemlich scharfer Mann war, würzte er mit dem, was man «Teufelspfeffer» nannte. Und er würzte stark.
ALSO WEINTEN ALLE.
Sie trockneten die Tränen erst wieder, als Innocent mit dem wunderbaren Marmorkuchen («nach dem Rezept meiner lieben Mutter») auftauchte. Die Schwarte war so furztrocken, dass man Büchsen-Kompott dazu servieren musste. Die Büchsen stammten noch aus der Militärküche, wo mein guter Freund preiswert einen Stock an Resten aufkaufen konnte.
Es wurde erst besser, als der «Mutter-Kuchen» mit Cognac weich geträufelt wurde. UND BEI COGNAC HAT INNOCENT NIE GEGEIZT.
Das Resultat: Nach zwei Portionen Dessert sangen die Gäste die Marseillaise...
IMMERHIN – MIT DEN JAHREN EIERTE INNOCENT MIT BRAVOUR!
Er wagte sich an Soufflés mit Salm oder Käse. Und als das Militär die alten Resten an die Aktion «Brot für Brüder» schickte und so keine Marmorcakes mehr zur Verfügung standen, pröbelte er so lange an einem Zitronensoufflé herum, bis es perfekt war.
DIESES MAL WEINTEN DIE FREUNDE VOR LUST UND FREUDE.
Ich muss zugeben: Die Küche für unsere Gäste in den ersten zwanzig Jahren war arg eierlastig. Aber damals hat noch niemand über Cholesterin grosse Opern geschrieben. Erst später lernten wir, dass das Gelbe vom Ei gerade dieses nicht ist: sondern des Teufels!
Also haben wir die Eier weggelassen. Und müssen jetzt wieder kochtechnisch neu buchstabieren – denn Thomas, mein fitter Vetter, bringt mir jeden Morgen eine neue Studie zum Tag. Und da heisst es seit einem Jahr: «EI IST GESUND!»
Wie schon Goethe so treffend schrieb: «Eieiei!»
Es war etwa vor 20 Jahren als uns Liesel nach einem «Rosenkavalier», der fürchterlich Hunger machte, zum «Friesacher» führte: «Ihr kennts jo die Knöderl... ober des könnts olles vergessen... es geht nix über die Noggerln vom Friesacher...»
«Ach Lieselchen, was du immer weisst», sülzte der Eierkocher. Und äugte nach den hochgestemmten Busen dieser Schlampe. Sie hatte die Möpse im Dirndl zusammengezurrt und mit dem Gummizug raufgezogen – so glänzte ihre Auslage wie zwei Bowling-Kugeln aus Baumwollrüschen ...
«ACH LIESELCHEN – NOGGERL VOM FRIESACHER SIND GENAU DAS, WAS MIR VORSCHWEBT...» – soweit Innocents traniges Gelaber.
Aber es war klar, dass er lieber Liesels Knödel gehabt hätte.
NUN DENN – EINES MUSS MAN LIESEL LASSEN: SIE WEISS, WO ES GUT IST. UND WO JEDER GUT ISST.
Jedenfalls kam da ein gebräunter Eischnee-Berg in einer Porzellan-Form. Und Innocent flüsterte mir zu: «Das kann ich tausend Mal besser...»
Zu Hause hat ers dann immer wieder versucht.
Mal mit weniger Eiweiss. Mal mit mehr Eigelb. Mal mit gepudertem Zucker. Dann ganz ohne.
JEDENFALLS: DIE SACHE SAH ZU BEGINN STETS WUNDERBAR STEIF UND VIELVERSPRECHEND AUS.
DOCH DANN FIEL SIE IN SICH ZUSAMMEN WIE DIE LUST VON OPA SCHMID, WENN DIE OMA IN DEN WOLLSTRÜMPFEN INS BETT STIEG...
Das Eigemisch blubberte als trauriger See in der feuerfesten Glasform herum.
Und die Gäste weinten wieder.
Aber gottlob war da immer noch irgendwo ein alter Marmorkuchen. Und Cognac.
SCHON BALD SANGEN ALLE WIEDER!