Vermisstes Schnarchen

Sie lag im Bett.

Hellwach.

Manchmal ging ihr Arm zum Nebenbett.

NICHTS.

Sie spürte dann die Depression, die wie eine zweite, schwere Bettdecke über sie fiel.

Heidi drehte sich nun auf die Seite. Und nahm das Kissen von Ernst in die Arme.

Sie konnte nicht weinen. Ihre Trauer war wie ein ausgetrockneter Brunnen. Nach zehn Minuten erhob sie sich. Schlurbte durch die Wohnung. Und machte sich einen Tee. EISENKRAUT.

Wie viele Male war sie in ihrer langen Ehe in die Küche gewackelt. Hatte sich eine «Verveine» gebraut. Und Kreuzworträtsel gelöst.

DABEI HATTE SIE ERNST INS NIRWANA GEWÜNSCHT!

Jetzt war er dort. Und schnarchte auf Wolke 7.

Heidi seufzte. Vermutlich konnte nun kein Engel pennen. SEINE RÜSSELEI LEGTE DIE STÄRKSTEN ENGELSFLÜGEL LAHM.

Die Schnarcherei war der ewige Zankapfel in ihrer Ehe gewesen.

Anfangs fand sie es niedlich, wenn ihr «Bärchen» da neben ihr kraftvoll daherrüsselte. Und zwischen drei Atemstössen schmatzend ins Kissen sabberte.

MIT DER ZEIT ABER NERVTE ES SIE.

UND JE MEHR SIE SICH DARÜBER AUFREGTE, UMSO WENIGER KONNTE SIE EINSCHLAFEN. DESHALB: TEE MIT EISENKRAUT!

Sie machte sein lautes Gerüssel dann immer mal wieder zum Frühstücksthema: «Du schnarchst!»

Er: «Ich schnarche nicht».

«DU BIST SCHLIMMER ALS EIN PRESSLUFTHAMMER!»

Er: «Du träumst!».

In der kommenden Nacht zeichnete sie die Schnarcherei auf dem neuen, kleinen Diktiergerät auf, das sie für ihre Arbeit brauchte.

Beim Morgenkaffee liess sie dann das aufgezeichnete Konzert ab: «HIER – DER BEWEIS!»

Er: «Das bin nicht ich! Frag doch Max…»

Grosse Augen, grosse Ohren: «MAX?»

«Er pennte in der Rekrutenschule neben mir. Und er sagte stets, es sei eine Freude, mit mir zu schlafen, weil ich so still sei…»

Es hatte keinen Sinn, mit Ernst zu diskutieren.

«…NASENDILATOREN…ANTI-SCHNARCH-BÄNDER…SCHLAFSPANGEN!» – hatte Doktor Marti vorgeschlagen.

Aber Ernst winkte lachend ab: «Unsinn – ich schnarche nicht. Er zwinkerte nun Doktor Marti verschwörerisch zu: «Wie viele Male bin ich in der Nacht aufgewacht. Und da lag meine Frau neben mir: SCHNARCHEND WIE EIN DEFEKTER SCHNORCHEL! – Habe ich je gemeckert…?»

Nun – Heidi war nicht blöd. Sie organisierte sich Telefonanrufe von ihrer verwitweten Freundin Martha, die in Wuppertal wohnte.

«Ich muss der Guten beistehen…sie hat es schwer!» erklärte Heidi jeweils beim Frühstück.

Er :«FAHR’ NUR…HAT’S GENUG BIER IM KÜHLER?»

So wurde Wuppertal-Elberfeld der Ort, wo Heidi paradiesisch schlafen konnte!

Hier erreichte sie dann auch die Nachricht, dass ihr geliebter Ernst die Reise über den Regenbogen angetreten habe. Herzinfarkt. Vor dem Eiskasten. Beim sechsten Bier. Da sie gut ausgeschlafen war, nahm sie es gelassen.

DOCH DANN – ES LAG NUR NOCH DAS KISSEN DA.

UND ERNSTS GERÜSSEL FEHLTE!

Heidi erhob sich stöhnend. Und humpelte zu ihrem Schreibpult.

Dann knipste sie das Diktiergerät an.

MAN HÖRTE LAUTES SCHNARCHEN.

Sie legte das Maschinchen auf Ernsts Kopfkissen. Und drückte einen Kuss darauf.

ENDLICH KONNTE SIE EINSCHLAFEN.

Und schnarchte selig vor sich hin.

Freitag, 21. September 2018