10 Kilo!
Doktor Füssli hat meine Flossen begutachtet:
«10 Kilo müssen mindestens runter. Sonst kann ich das nicht reparieren…»
Ja, wie stellt sich der das vor?!
ÜBERHAUPT – DIE ANDERN WISSEN IMMER GANZ GENAU, WIE DAS GEGENÜBER ABSPECKEN KÖNNTE!
«Sauf ein Glas Wein STATT IMMER DIESEN GRÄSSLICHEN HIMBEERSIRUP!» (Innocent)
«Lass einfach die Dickmacher weg!» (meine studierte Freundin Maria)
ABER WAS S I N D DICKMACHER?
Ich muss eine Gurke nur anschauen und bin schon im neunten Monat.
Felix, mein Leibarzt, klopfte die Wampe ab: «Du solltest jeden Tag 10 Kilometer laufen!»
ABER W I E MIT KAPUTTEN FÜSSEN?!
Die müssen doch zuerst wieder mal funktionieren.
UND DIE FUNKTIONIEREN NUR, WENN DOKTOR FÜSSLI SIE REPARIERT HAT.
Füssli aber: «10 KILO RUNTER!»
Es sind diese Momente im Lebens, wo man kapiert, dass der Mensch auf tönernen Flossen steht.
HERR FÜSSLI WILL SOFORT OPERIEREN – «…das heisst, wenn Sie die 10 Kilo runter haben!»
DIE OP WIRD SOMIT AUF EIN JAHR VERSCHOBEN!
Nun stiere ich wie der Hund vor der Wursterei in alle diese Schaufenster mit den Bienenstichen, Cremetorten und Schokoschnitten.
«GIFT… GIFT… GIFT!», FLÜSTERE ICH VOR MICH HIN. DAS HAT MIR MEIN FITTER VETTER BEIGEBRACHT.
Er war in der Theorie überhaupt sehr gross – in der Praxis aber eine Niete.
Ich fiel vor ihm flehend auf die Knie:«Mach mir Drainagen. Knete mir durch Reibung die 20 Pfund runter…»
Und was sagt dieses Hirn, dem ich jeden Morgen einen Orangensaft presse, damit er seine verklebten Augen öffnen und den trainierten Arsch auf den Velosattel schwingen kann: «BEI DIESER MASSE KNETE ICH DREI LEBEN LANG. UND ES WIRD IMMER MASSE SEIN. ICH RATE DIR ZU NULL…»
Null? Zero?
«Ja. Schalte zweimal pro Woche einen Nulltag ein. Und alles wird gut. Auch dein Leberwert…»
WAS HAT MEIN LEBERWERT MIT DEN FÜSSEN ZU TUN?
Aber er ist jetzt nicht mehr zu stoppen: «…neuste Studien haben ergeben, dass ein Nulltag jeden wieder ins Lot bringt. Überhöhte Zuckerwerte sausen in den Keller… und auch der Teint profitiert… ich schalte jeden Freitag einen Nulltag ein. Und schau mich an!»
WENN DER ANBLICK MEINES VETTERS DAS RESULTAT VON EINEM NULLTAG IST, MÖCHTE ICH SOFORT WIEDER ZUR TORTE GREIFEN:
Er ist zwar dünn wie eine Pappschnur.
Aber sein Haar ist es auch.
Und der Teint, mit dem er so dick angibt, hat die holprige Konsistenz eines Kieswerks.
KOMMT DAZU, DASS ICH AUF STUDIEN EH NICHTS GEBE. IMMER KOMMT EINE NEUE. DIE ÜBERHOLEN EINANDER WIE DIE FAHRER IN DER FORMEL 1.
Also: nicht mit mir.
«Wie Sie wollen», sagt Doktor Füssli.
«Mach, was du willst», blafft Innocent.
«… sag dann nicht, ich hätte dich nicht gewarnt» – so der Vetter.
Also ziehe ich mich von den Schweizer Kuchen zurück.
Und fahre nach Italien.
Denn dort sind die Biscuits und Süssigkeiten so staubig, dass einem die Lust bald einmal vergeht.
IN DER CHIESA DELLA PIGNA FLEHE ICH DANN ZUR GOTTESMUTTER.
Sie ist den Kummer der andern gewohnt. Papierlose Flüchtlinge, Mütterchen mit 80-Euro-Renten und der täglich neu gehörnte Gianni, dessen Frau eine Nymphomanin ist und auch vor einem Holzbein keinen Halt macht (so keifen die Dreckschleudern im Quartier), Mutter Maria also hört sich auch m e i n e Fussnote an.
UND WELCHES ZEICHEN SCHICKT SIE MIR?
Vor der Kirche lädt Umberto zehn Kisten Cola bei der «Bar della Pigna» ab.
KEIN GEWÖHNLICHES COKE. NEIN. – C O L A Z E R O!
Da wusste ich: Sie hat mich erhört.
SEITHER ALSO NULL KALORIEN.
ABER VIEL BOCK AUF ESSBARES!
Erst jetzt weiss ich, wie es dem trockenen Trinker zumute ist, wenn die Umgebung fröhlich mit Bier, Schnaps und sonstigen Seligkeiten anstösst. UND ER HOCKT VOR EINEM GLAS MINERALWASSER.
Und erst jetzt kapiere ich die Herzensnöte des katholischen Klerus, wenn eine Schulklasse knapp bekleideter Engländerinnen die Hormone tanzen lässt. Und der liebe Gott sagt: ZERO!
Ich sitze mit meinen Lieben am Tisch. Habe für sie Pasta Norma gekocht. Und die Auberginen extra fett frittiert.
Ich habe die Nase tief in die Teigwaren gesteckt. Und dann geweint.
Die andern verschlingen dreifache Portionen.
ICH NULL.
«Armer Humpelpumpel», gibt mir Innocent aufmunternd eine Kopfnuss, «nimm wenigstens ein Salzgürkchen!»
Dann lieber gar nichts!
UND: «ES MACHT MIR ÜBERHAUPT NICHTS AUS…», sage ich.
DAS IST FETT GELOGEN.
Denn natürlich macht es dem asketischsten Wurm etwas aus, wenn er sich dürr hungert und vor ihm eine gierige Meute Pasta Norma reinzieht!
Immerhin: NACH ACHT WOCHEN SIND ZWEI KILOS WEG!
Ich jage in Innocents Schlafzimmer. Reisse ihm den Apnoe-Schlauch vom Kopf: «Ich bin jetzt schlank – vier Pfund weniger. Was sagst du nun?!»
Er schaut mich strafend an: «Ist das ein Grund, deinem lieben Freund den Stecker aus der Nase zu reissen!»
Also rufe ich Doktor Füssli an: «Vier Pfund sind runter…»
DER: «JA, JA. ES IST EIN LANGER WEG …UND DER AUF PLATTEN FÜSSEN!»
Also rede ich wieder zur heiligen Mutter: «Mit Deiner Hilfe habe ich jetzt vier Pfund geschafft… ABER KEINER LOBT MICH… das ist so frustrierend… SCHICK MIR EIN ZEICHEN!»
Als ich die Chiesa della Pigna verliess, war das Erste, was mir begegnete, ein Gelato-Männchen.
MUSS ICH MEHR SAGEN?