Duweisstschon

Hildi schepperte mit der Kaffeekanne. Sie hielt nichts von diesen modernen Kapsel-Espressi.

NEIN. Der Mittagskaffee musste aus voller Kanne kommen. Und dazu die «Dätli», wies hier in ihrer Heimatstadt hiess.

«Wo sind die Mohrenköpfe?»

LANGES, GEREIZTES SCHWEIGEN. Dann Hildi (ziemlich dezidiert):

«ICH MÖCHTE SO ETWAS NICHT MEHR HÖREN. EIN FÜR ALLEMAL, WALTI!»

Walter schoss einen Blick zur Decke: «HILDEGARD MATTMÜLLER – ICH REDE IN MEINEM HAUS NOCH IMMER, WIE ES MIR PASST! ALSO – WO SIND SIE?»

Die Gattin schaute triumphierend: «ES GIBT SIE NICHT MEHR!»

Er juckte vom durchgesessenen Fauteuil hoch: «WAAS – KEINE MO… KEINE… JA VERDAMMT, WIE SAGE ICH DEM JETZT…»

«Es sind Biskuitkugeln mit einer Vanillefüllung und brauner Schokoladenglasur… DIE MEINST DU DOCH, WALTER MATTMÜLLER?»

«Eben! Wo sind sie – Du weisst genau Mo…, ach Scheissdreck! Diese erwähnten Kugeln sind meine Lieblinge zum Nachtisch. Und Bäcker Schneiderhahn kugelt die am besten…»

«NICHT MEHR. ES HAT SICH AUSGEKUGELT. SEITDEM DIE KUGEL ZUM UNWORT GEWORDEN IST, GING DER VERKAUF RASANT ZURÜCK. DIE KUNDEN HATTEN HEMMUNGEN DAS WORT IN DEN MUND ZU NEHMEN…»

WALTER EXPLODIERTE: «Ich will nicht das Wort… ich will die Kugel in den Mund! DAS THEMA MIT DEN KÖPFEN IST DOCH LÄNGST GEGESSEN…»

Hildi schaute ihn streng an: «Aber noch lange nicht verdaut…»

BÄCKERMEISTER SCHNEIDERHAHN WAR PERSÖNLICH AUS DER BACKSTUBE GEKOMMEN:

«Ich weiss, dass Ihr Mann meine SIEWISSENSCHON besonders mochte … ABER ICH HATTE DIE ETHIK-KOMMISSION IM LADEN. Und auch das Büro gegen Rassismus hat mir einen Brief geschrieben… sehr nett… aber doch sehr bestimmt…»

Hildi war damals etwas fassunglos gewesen: «Mein Walti mag zum schwarzen Kaffee nichts anderes. Nur ihre SIEWISSENSCHON…»

«Ja, ich weiss» – der Bäckermeister hatte kleinlaut getönt. «VERSUCHEN SIE’S DOCH EINMAL MIT DEN JAPONAIS…»

Hildi seufzte. «Also wenn’s den Japanern nichts ausmacht … ABER ES IST NICHT DASSELBE!».

Nein. Dasselbe war es nicht.

«WAS SOLL DIESE JAPANISCHE BUTTERCREME?», hatte Walti gestänkert, «die ist viel zu süss. Ich will meinen Mohrenkopf zurück!»

«WALTI!»

Sie machte eine Pause. Und versuchte es im gütigen Ton: «HAST DU DIR SCHON EINMAL GEDANKEN DARÜBER GEMACHT, WAS ALVI DENKT, WENN DU IN SEINER GEGENWART DIESES GRÄSSLICHE WORT DAHERBABBELST…»

Walti schüttelte den Kopf: «Nein. Das habe ich nicht. Alvi ist ein prächtiger, afrikanischer Junge. Und ich stelle keine Fragen… ich nehme ihn wie er ist: schwarz, fröhlich, wunderbar.

ICH WÜNSCHTE MIR MANCH SCHWEIZER KÄSEÄRSCHE WÄREN SO WIE ER UND…»

« WALTER MATTMÜLLER – ‹SCHWEIZER KÄSEARSCH› ist auch rassistisch! Überleg doch einfach, bevor du den Mund aufmachst…»

ES WAR DANN STUMMFILM.

UND DER KAFFEE NACH DEM MITTAGESSEN FÜR LÄNGERE ZEIT GESTRICHEN.

Bis Hildi Mattmüller wieder mit der Kanne schepperte. Und ein Plateau mit weissen Patisseries vor Walter hinstellt: «Was sagst du? – Es sind DUWEISSTSCHON WAS, Walti. Aber Schneiderhahn hat sie hell eingekleidet. Er nennt sie «Schweizer Kugeln».

«Na dann…», brummt Walter.

«In diesen komplizierten Zeiten ist Kreativität gefragt…», lächelt Hildi.

«So gut wie Mohrenköpfe sind diese Schweizer Kugeln aber nicht…»

«WALTER MATTMÜLLER!!!»

Er grinste: «Bitte – das war nur ein Kompliment an die DUWEISSTSCHON…»

Freitag, 7. September 2018