Bienenstich

Waltraud schrie. ZETERMORDIO.

Alex reagierte nicht. Er war Waltrauds ZETERMORDIO gewohnt.

«Ich könnte tot sein» – kam sie jammernd in sein Arbeitszimmer gestürzt. «DA IST EINE BIENE AM VORHANG!»

Auch diese Oper kannte er: «DAS DRAMA DER BIENEN!»

«Im Apothekerkästchen stehen zehn Fläschchen Gegenmittel, Waltraud – also brems runter…»

«Ich pfeife auf Gegenmittel… Wer weiss, ob die überhaupt etwas nützen… ICH WILL KEINE BIENE AN MEINEM VORHANG. GEHE HIN. UND TÖTE SIE…!»

Auch das tönte wie in der Oper.

Waltraud hatte in jungen Jahren gesungen. Im Bach-Chor. Bei einem «Te Deum» fand sie Alex. Und verlor später die Stimme.

SEITHER NUR NOCH SCHNEIDENDES KEIFEN. TRILLERNDES ZETERMORDIO.

Die Ehe mit ihr wurde schwer. Doch Waltrauds Bankkonto war noch schwerer.

Es war in der Provence gewesen, als ihr beim Frühstück eine Biene um den Honig summte.

«MACH DIE KALT!»

«ICH TÖTE NICHT!»

«ENTWEDER DU SCHLÄGST DIE JETZT FLACH – ODER WIR SIND GESCHIEDEN!»

Die Biene muss es irgendwie gespürt haben: Diese Kreischgeige will mir mies … Deshalb: ab auf ihren Arm!

UUUUND: ZUSTICH!

Waltraud wurde nun bleich. Hyperventilierte. Und hatte eine dicke Zunge.

Für Alex wunderbar. So schwieg sie.

Im Spital von Aix en Provence gaben sie ihr die Spritze. Und viele Ermahnungen: «Sie sind allergisch, Madame… Das führt zu einem anaphylaktischen Schock… Und könnte das Ende vom Lied sein…»

Seither bei jedem Bienensummen: HYSTERISCHES GESCHREI.

Als Nachbar Tobler, mit dem Alex gerne zwei, drei Bierlein im Garten teilte, als der Hobby-Imker also die Kiste mit den drei Bienenvölkern anschleppte, wusste Alex: DAS GIBT ZOFF.

Gab es auch.

«FACKLE DIESE VÖLKER AB, ALEX!»

«ICH TÖTE NICHT!»

«ICH LASSE MICH SCHEIDEN UND ZIEHE AUS!»

Er holte dann das Gegenmittel in der Apotheke. Aber sie beruhigte sich nicht.

Denn: «EINES TAGES BRINGEN DIESE VERDAMMTEN BIENEN MICH UM!», jammerte sie.

WALTRAUD WUSSTE NICHT, WIE RECHT SIE HATTE.

«Worauf sind Bienen besonders heiss…?» fragte Alex schliesslich Tobler bei einem Bierchen im Garten.

«HONIG NATÜRLICH!»

Alex kaufte drei Gläser. BIO.

Als Waltraud schlief – sie zog sich jede Nacht bis früh morgens sämtliche Krimi-Serien auf allen Kanälen rein und stand so stets halb tot nie vor dem Mittagessen auf –, als die Gattin also unangenehm schnarchend in den Kissen lag, verteilte Alex fünf Tellerchen im Zimmer. Mit BIO-Honig.

Dann öffnete er das Fenster.

DIE BIENEN LIESSEN SICH NICHT LANGE BITTEN.

Alex hatte auch einige Topfen aufs Bett und auf Waltrauds Nachthemd geträufelt.

Er schloss nun die Fenster wieder. Und machte sich aus dem Staub.

Die Schlafzimmertüre schloss er von aussen ab.

BÖSER ALEX!

Natürlich wieder: ZETERMORDIO. KREISCHEN. HÄMMERN AN DIE TÜRE.

Bienen mögen keine Hektik.

UUUUUND: ZUSTICH!

Das Geschrei verstummte. Nur noch Geröchel. Und: «ANAPHYLAKTISCHER SCHOCK MIT TÖDLICHEM AUSGANG!» – schrieb Doktor Fröhlich auf den Totenschein.

«Mein herzlichstes Beileid», streckte ihm Tobler am Gartenzaun die Hand entgegen.

«Wollen wir ein Bier…?», strahlte Alex.

Tobler kam mit einem Glas Honig in den Garten: «Hier – Sie haben ja mit unsern Bienen doch Unannehmlichkeiten…»

«Nicht nur», sagte Alex.

Freitag, 24. August 2018