Der 70. Geburtstag

ES WAR IHR GEBURTSTAG. DER 70!

Hans schepperte bereits in der Küche herum.

Sie hatte ihn schon früh gehört.

Einmal krachte Geschirr auf den Steinboden. Und: «OH JEH – DA WIRD SIE DEN GONG BEKOMMEN!», tönte es nun.

LAUTES MOTORHEULEN.

«Himmel – er wird die Scherben doch nicht mit dem Handstaubsauger…»

Dann verstummte dieser auch schon. Und: «SHITSHITSHIT… DER IST HINÜBER», brüllte es aus der Küche.

Sie war dann doch gerührt, als er auf dem alten Servicebrett eine Tasse Kaffee ins Zimmer balancierte. Die Tasse zitterte. Daneben war eine Zitrone, in die er eine flackernde Weihnachtskerze gerammt hatte.

Und: «HAPPY BIRTHDAY…», röhrte er jetzt. Das Singen war nicht die Stärke von Hans.

Das Servieren auch nicht. Das Tässchen kippte. Auf der Bettdecke breitete sich eine braune Wolke aus.

«MACHT NICHTS!», lächelte Nelly tapfer. (Sie hatte erst vor zwei Tagen die Betten frisch bezogen.)

ES WAR DER GUTE WILLE, DER ZÄHLTE. Und das strahlende Lachen von Hans: «ICH BIN HALT EIN VOLLDEPP!» Dann nahm er sie in die Arme.

Sie schielte unter seinem Ellbogen hindurch. NEIN. KEIN KLEINES PÄCKCHEN IM BIJOU-FORMAT AUF DEM SERVIER-BRETT!

Seit Wochen schon hatte sie alle ihre Freundinnen alarmiert: «Sagt ihm, dass mein Herzenswunsch dieser kleine Goldring mit dem Saphirtropfen sei – HANS IST JA NICHT DER MERKIGSTE…»

An einem Samstag war sie mit ihm dann in die Stadt gefahren. Vor der besagten Bijouterie hatte sie wie zufällig ins Schaufenster geschaut: «Oh Hans… dort… dieser Ring mit dem herrlichen Saphir…!» «Ja, ja!» – nuschelte er. Und zog sie weiter zum «Braunen Mutz». Das Bier war stärker als der Saphir.

Jetzt streichelte er ihr Haar. Dieses war ganz im Gegensatz zu Nelly mit den Jahren dünner geworden: «Das Geschenk steht im Vorgarten!»

DAMIT WAR DER TRAUM VOM SAPHIR-RING ENDGÜLTIG AUSGETRÄUMT: «Wenn du mir wieder so einen grässlichen Kamelienbaum schenkst, lasse ich mich scheiden…»

Es war kein Kamelienbaum. Es war schlimmer: EIN VELO.

«Du hast doch einen an der Waffel!», tobte sie. Und heulte gleich los: «Was soll ich mit diesem Göppel…?!»

«Du willst immer abnehmen…»

Nelly schnäuzte sich die Nase. Und wurde stinkig: «Ich rackere mich ein Leben lang für dich ab... Und zu meinem 70. Geburtstag fällt dir nichts anderes ein als zwei Gummipneus und Sattel…?!»

Nelly war jetzt richtig stinkig: «In unserm Alter ist Velo fahren ein Unsinn. Wenn ich diese alten Weiber jeweils mit ihren verbissenen Mienen vorbeistrampeln sehe, bekomme ich den Kotzer …NEIN. HANS MEIER – ICH GEHÖRE NICHT IN DIESE KATEGORIE!

IM ÜBRIGEN IST DIESER RADELSTUHL HIER EINE BILLIGE OCCASION … DER HAT JA NICHT MAL EIN MOTÖRCHEN UND…»

Hans grinste jetzt: «Das Rad gehört deiner Enkelin, Liebes…» Er zwinkerte mit den Augen: «…es hat eine schöne Seitentasche für kleine Überraschungen…»

«OH HANS – DU GUTER!»

Zehn Minuten später hatte sie den Ring am Finger.

Und zog summend das Bett neu an.

Einen neuen Handstaubsauger bekam sie dann als Supplement.

Freitag, 10. August 2018