Von Basler Polizisten und einer Umfrage…

Illustration: Rebekka Heeb

Ein Polizist hat mir den Tag gemacht.

Die Leute reagieren ja oft bissig auf die Polizei. Und wenn sie ein Knöllchen am Scheibenwischer haben, ist die ganze Welt ohnehin «so was von shit».

JUNGE MENSCHEN SIND ohnehin GEGEN UNIFORMIERTES.

Sie haben zwar alle dieselben Tattoos.

TRAGEN DIESELBEN JEANS.

Und halten ein iPhone vor der Birne.

Es ist i h r e Art von Uniform.

ABER POLIZEI-BLAU – DAS GEHT NICHT! ALSO HER MIT DEN PFLASTERSTEINEN!

Mir tun dann die Polizisten leid, wenn sie mit Flaschen beworfen, Molotow-Cocktails beschossen und Schimpfwörtern bombardiert werden:

«HAUT AB IHR SCHWEINE!»

Ich habe noch nie einen Polizisten «HAUT AB IHR SCHWEINE!» zu dem dampfenden Mob brüllen hören. Ich habe auch noch keinen den Schlagstock oder die Pistole ziehen sehen.

UND DESHALB MAG ICH POLIZISTEN. UND AUCH POLIZISTINNEN.

OBWOHL ERSTERE IN DEN UNIFORMEN BESSER AUSSEHEN! ALSO DAS MÜSST IHR ZUGEBEN!

Da flattert also ein Brief ins Haus. Vom Staat. Und ich sei auserwählt.

DU FÜHLST DICH DA WIE DIE GEBENEDEITE, ALS IHR DER ENGEL ERSCHIEN.

Es ist hier nicht der Engel, der mich auserkoren hat. Sondern das Schicksal.

Sie schreiben, ein System des Zufalls habe mich im Computer ausgespuckt. Und ich soll doch die Freundlichkeit haben, die Basler Polizei zu bewerten.

ICH MAG POLIZISTEN.

ABER ICH MAG SOLCHE UMFRAGEN NICHT.

SIE WERDEN DANN ALS «STUDIEN» IN DIE GESCHICHTE EINGEHEN.

Und diese sind genauso vielsagend wie dieser Propeller-Mann am Fernsehen, der vor den Wahlen immer wieder erklärt, wie die Menschen abstimmen würden.

UND DANN KOMMT ALLES DOCH GANZ ANDERS.

Studien sind der Kassandra-Hokuspokus und nur für denjenigen gut, der sie teuer bezahlt. Und in Auftrag gegeben hat.

Der chinesische Glückskeks mit der eingebackenen Konfuzius-Füllung trifft es besser…

DESHALB – ICH ZERKNÜLLE DEN BRIEF MIT DEM ZUFALLSFAKTOR.

Und ab in den Papierkorb!

Meine Liebe zu den Uniformos begann schon im Kindergarten.

Der Mann hiess Herr Feigenwinter.

Er war riesengross, weil die Grösse damals bei den Polizisten vorgegeben war. Alle Bewerber unter 175 Zentimeter hatten höchstens als PLATZ-PLATZ!-Kommandant in der Polizeihundeschule oder auf den Posten als Regierungsrat eine Chance.

Polizist Feigenwinter ging mit uns Kindern also zum Fussgängerstreifen.

Hier lehrte er jeden, wie er richtig über die Strasse zu gehen habe, damit er noch lebend auf der andern Seite ankommt:

Links schauen. Rechts schauen.

Dann auf den Strich gehen.

UND NICHT STEHEN BLEIBEN – ODER GAR SCHWATZEN!

Heute käme noch «HANDY WEGWERFEN!» dazu. Aber so etwas gabs damals noch nicht. Es war diese düstere Zeit, als einer vom obern Stock noch an die Gasleitung klopfte, wenn ein Telefonanruf für das Parterre gekommen war.

Man glaubt es kaum – aber wir haben überlebt!

So wurden wir also schon mit sieben Jahren von Herrn Feigenwinter in den Verkehr des Lebens eingeführt.

WIR ALLE LIEBTEN HERRN FEIGENWINTER BEDINGUNGSLOS.

Er war lustig. Klopfte Sprüche. Und strich uns auch über den Kopf, ohne dass so etwas als suspekt galt. Und er gleich auch ein Verfahren am Hals hatte.

NATÜRLICH WAREN ES ANDERE ZEITEN.

Ich meine – heute müsste Herr Feigenwinter die Kinder fliegen lehren, damit sie unfallfrei auf der anderen Seite auf dem Trottoir ankommen.

Zebrastreifen sind reine Schönmalerei geworden. Velofahrer surren, ohne auch nur eine Sekunde das Tempo davor zu verlangsamen, darüber.

Und wenn mal ein Auto davor anhält, dann auch nur, weil das Handy neben dem Fahrersitz düüdelt.

Mit 13 Jahren hat mir die Polizei eine Karte zugeschickt, auf der zu lesen war: «GRATULATION – DU BIST EIN SUPER VELOFAHRER!»

Na ja – so in etwa.

Jedenfalls mussten wir an einem Nachmittag einen Veloparcours abradeln. Polizisten standen am Trottoir. Und machten sich Notizen über «Zeigen beim Abbiegen».

Ich weiss nicht, ob es diese Art von Prüfungen heute noch gibt. Jedenfalls fielen damals zwei Stunden Physik aus.

ALLEINE SCHON D A S WAR EIN GRUND, DIE POLIZEI ZU LIEBEN!

Mit 15 Lenzen hat man mich in einer Männerbar aufgegriffen.

Zutritt war unter 20 Jahren nicht erlaubt. ABER NATÜRLICH WOLLTE ICH ES WISSEN. Wir waren zu dritt – unser Klassenprimus (heute Psychiater) und mein Schulbankfreund (jetzt Richter) begleiteten mich.

Wir liessen uns in dem verrauchten Schuppen von den Herren freien. Und die Korken knallten.

Es knallte auch die Tür: «Ausweise bitte!»

Auf dem Claraposten hockten wir dann um Mitternacht in einem kleinen Zimmer.

Ein Polizist schaute jeden von uns streng an – dann nahm er mich ins Visier: «Ihr habt kapiert, dass ihr in so einem Schwulenlokal nichts verloren habt. Ihr seid minderjährig. Wissen eure Eltern, dass ihr dort gewesen seid…?»

«Klar», sagte ich.

Der Polizist gab mir eine Kopfnuss: «Du lügst – haut ab nach Hause – und wehe, wenn wir euch noch einmal aus dieser Bar rausholen müssen…!»

Sie verzichteten darauf, den Alten daheim anzurufen.

DAFÜR LIEBTE ICH DIE POLIZEI AUCH!

Und nun das: Ich fläze mich ahnungslos auf der Insel im Liegestuhl. Da knallt mir Innocent ein Fax auf die Badehose: «Bitte – ich sags ja immer. DU BIST EIN RASER! Jetzt hast du den Dreck…»

In kurz: Sie haben mich in München bei Tempoübertretung geblitzt. Und den Polizeiposten in Basel alarmiert.

Der schickte mir ein Schreiben: bitte unverzüglich melden!

IN GEDANKEN SEHE ICH MICH WIEDER IM KLEINEN ZIMMERCHEN AUF DEM CLARAPOSTEN. DIESMAL MIT HANDSCHELLEN. UND GESCHORENEM KOPF.

Dabei wollten wir nach Sizilien. Und dort ein bisschen Ferien geniessen.

SCHÖNE FERIEN DAS!

Ich wähle die Telefonnummer, bei der ich mich melden soll.

Ein Polizist nimmt ab. Bittet mich einen Moment um Geduld. Dann kommt er wieder: «Ich hab es jetzt vor mir…»

WAS IST ES?!

Er hüstelt: «Das darf ich Ihnen am Telefon nicht sagen … Personenschutz, verstehen Sie…»

«Ich möchte aber nach Sizilien … und das verhaut mir jetzt alles…»

Er merkt, dass ich bald heule. Und dann sagt er das, was mir den Tag macht:

«Melden Sie sich, wenn Sie in Basel sind – s chunnt scho guet!»

Ich habe mich jetzt in Basel gestellt.

Es waren 23 Stundenkilometer zu viel. Frau Merkel verdient an mir.

ABER DAS IST MIR WURSCHT!

Ich werde mich nachträglich bei der Studie melden. Und mein Votum abgeben:

DIE BASLER POLIZEI IST O.K.!

Dienstag, 31. Juli 2018