Erna zupfte energisch eine Blüte ihrer Geranie weg: «Hubeeeert…!»
Hubert hockte vor seiner Modelleisenbahn.
Seit er pensioniert war, fuhr hier alles wieder auf Volldampf.
Er hatte die Anlage am ersten Tag, als er nicht mehr Malochen gehen musste, vom Estrich geholt.
Kiste für Kiste hatte er ins Gästekämmerchen der Dreizimmerwohung angeschleppt. Dann warf er das Dörrblumensträusschen auf dem Nachttisch in den Papierkorb. Und kippte das breite Notbett an die Wand.
Auf Ernas entsetztes : «Hubert – was soll das!», bruddelte er nur: «Bei uns kommt eh keiner mehr zum Pennen – entweder sie schlafen auf dem Friedhof. Oder sie machen die ganze Nacht durch…»
Letztere Bemerkung ging an seine Enkeltochter Lilith.
Als die auf den sanften Druck ihrer Eltern («Du solltet mal wieder zu Omi …») bei den beiden Alten aufkreuzte, hockte das Teeny-Girl am Nachmittag stumm am Stubentisch.
Lilith tickerte nervös auf den Handytasten herum.
Das ging etwa sechs Stunden so. Kein Wort übers Wetter oder Omis Ischias… NULL KONVERSATION.
Nur: Getickergeticker.
Nach den Spätnachrichten hatte Lilith sich stark aufgerüscht. Sie klatschte weissen Puder an die Birne. Zog schwarze Lidstriche unter die Glubschaugen. Und verliess das Haus im Kunstleder-Mini und Schuhen mit Solen so hässlich breit und hoch wie ein Wohnblock.
«Wo willst du so spät noch hin?», hatte Erna der Enkelin nachgerufen.
Die Glubschaugen hatten nur gelacht: «Aber Omi – der Tag hat doch erst begonnen!»
UND WEG WAR SIE.
BIS MORGENS UM HALB ZEHN!
Gut. Dafür brauchten die Alten jetzt wirklich kein Gästezimmer mehr. Aber einen Schienenkreis mit dieser keuchenden Dampflokomotive und dem herumwedelnden Hubert (mit einer Bahnhofvorstands-Kelle – ALSO WIRKLICH!), so etwas brauchte Erna auch nicht zu ihrem Glück.
«Hubeeeert!»
ER SCHLURBTE AUF DEN BALKON: «Was iss?»
Erna war kleiner als er. Und wenn sie etwas durchsetzen wollte, stellte sie sich immer auf die Zehen. Stemmte die Fäuste in die Hüften. Und dozierte los: «Ich brauche das Gästezimmer als Näh-Ort. Also lass deine Lokomotive wieder in die Kiste zurück dampfen!»
«ERNA!» – das Adrenalin jagte bis zur Bähnler-Mütze. «DU NÄHST DOCH GAR NICHT MEHR. IMMER SCHLEPPST DU DIESE SCHRECKLICHEN SACHEN AUS DIESEM FUMMELSCHUPPEN AN…!»
«Huuubert …», sie schaute ihn streng an: «ich nähe diese Sachen um. Nur so sind sie chic. Du hast eine Frau, die elegant wie ein Heidi-Klum-Model herumläuft. Und das dank meiner Nähmaschine. Ich kann die nicht immer in der Küche aufstellen. Deshalb brauche ich das Zimmer!»
Das Telefon schellte.
«Ja, ja», rief Erna freudig in den Hörer. «Aber sicher darfst du das … Komm nur, Lilith.»
Dann strahlte sie zu ihrem Mann: «Hubert – die Kleine verbringt das Wochenende bei uns. Und das Beste: Sie bringt einen Freund zum Schlafen mit! Zu Hause darf sie nicht. Du weisst ja wie verklemmt dein Sohn ist…»
DARAUFHIN WAR ENDGÜLTIG AUSGEDAMPFT MIT HUBERTS EISENBAHN IM GÄSTEZIMMER.
Der Dampf ging jetzt anderweitig ab.
Und auch das Strohblumensträusschen kam wieder zu Ehren …