Von einem Italiener in Wien und Schwüren

Illustration: Rebekka Heeb

Max muss da mal raus.

SEIT ER SICH DIESER 5-STELLE-BEWEGUNG VERSCHRIEBEN HAT, HERRSCHT BEI IHM NERVLICH DAS EIERSAUSEN.

Ich sag ja nichts. Ich finde diese italienischen Parteien alle so, dass man an unseren wieder seine Freude bekommt.

ABER: MAX LANGWEILTE SICH. UND DAS IST DER HÄUFIGSTE GRUND, WARUM MENSCHEN IN DIE POLITIK EINSTEIGEN. DORT LANGWEILT MAN DIE ANDERN.

Also: Die Psychologie füllte Max schon lange nicht mehr aus. Deshalb entschied er sich eines Morgens: «Ich werde Präsident dieses Landes, das ich retten muss!» MEHR IST DAZU NICHT ZU SAGEN.

Vier Monate vor den Wahlen stand er an wackligen Parteitischchen in seinem Quartier auf der Strasse. Er verteilte Wahlpropaganda und dazu ein Bier im Quartier. ALLES FÜRS LAND. ALLES FÜR DIE PARTEI DER 5 STERNE.

Als unpolitisches Kaninchen habe ich mich über die vielen Sterne für Max gefreut. Man stelle sich vor: fünf Stück! Das ist keine Partei, sondern ein Nobelhotel.

Aber dann hat Max mir diesen Clown mit der Wirr-Perücke vorgestellt. Er ist Show-Mann. Und sein Parteichef.

Natürlich ist Politik immer Show-Geschäft – ABER SO KRASS?

DA HÄTTE MAN AUCH FERNANDEL ITALIEN REGIEREN LASSEN KÖNNEN.

Als ich dann die Liste mit den Kandidaten durchlas, sah ich es: alles nur Hausfrauen, Hühnerzüchterinnen, Geigenlehrer und Polizisten. WO WAR MAX?

IMMERHIN HAT ER EINEN «DOKTOR» IN PSYCHO! – Man studiert schliesslich nicht fünf Jahre umsonst die Seele der Italiener, um dann gegen einen Mineralwasserlieferanten auf der Parteiliste ausgetauscht zu werden.

ABER HALLO – DA WAR ICH SCHON MAL STINKIG WIE EINE VERGESSENE SARDINE AM STRAND!

Nun gut – sie versprechen ihm die Kandidatur für November. Doch da ist er dann schon mal gut 82, bis er sich zum Präsidenten hoch intrigiert hat. Also kann ich ihm nur noch aus dem Jenseits viel Glück wünschen.

UND ZWEITENS: Man kennt doch die Italiener und ihre «Vi giuro – Ich schwörs euch»-Versprechungen!

Luft! Luft! Luft!

Ein Beispiel: Klärchen, meine Nachbarin zur Rechten in der Birmannsgasse, ist auf Robertos ewiges «Ich schwöre es dir!» reingefallen.

ROBERTO HATTE VOM EWIGEN SCHWÖREN FINGER WIE GEMÜSEGURKEN – DICK ANGESCHWOLLEN!

Und Klärchen, dieses naive Schweizer Huhn, ist auf die italienischen Gurken reingefallen. Na ja, jedenfalls: hopsasa: Freifahrt ohne Helm. Und schon war das arme Klärchen im vierten Monat.

«Ich heirate dich, o Clara bella mia!» – SCHLUCHZTE ROBERTO DIE HONIG-OPER.

«SCHWÖRE ES MIR!» – das wiederum ist der ewige Rütli-Song.

Das Ende vom Lied: Klärchen hat jetzt drei Mädchen von Roberto. UND ERST VOR ZWEI WOCHEN HERAUSGEFUNDEN, DASS DIESER ARSCH BEREITS IN LECCE VERHEIRATET IST. Dort warten jetzt vier süditalienische Halbbrüder auf die drei nordschweizerischen 50-Prozent-Schwestern.

ICH MEINE: DAS IST ITALIEN MIT SEINEN SCHWÜREN!

Deshalb: ein Esel, der die Schwüre glaubt.

Max ist so ein Esel. Er glaubt, dass er auf der nächsten 5-Stelle-Liste ganz sicher drauf ist:

«Ich steige jetzt schon in den Wahlkampf für den November. Wenn ich am Ruder bin, setze ich durch, dass d u keine Fremdensteuern mehr bezahlen und für die Aufenthaltsbewilligung nicht sechs Monate anstehen musst – JA WAS SAGST DU JETZT?»

Ach Gottchen – mir wäre es schon recht, wenn er bewerkstelligen könnte, dass zumindest eine der sechs Strassenlampen in unserer Römer Gasse funktionieren würde.

Aber ich will ihn in seinem Enthusiasmus nicht bremsen: «Meine Glückwünsche – Signore Onorevole! Kämpfe! Kämpfe!»

«Ich brauche vor der hässlichen Schlacht noch etwas Abgehobenes – deshalb komme ich nach Wien… Mooooment!»

Geschepper. Dann Querflöte. Und Geigen-Bouquet – schliesslich eine Männerstimme aus dem Tenorfach:

«IM PRAAATER BLÜHN WIEDER DIE BÄUUUUME…»

Stille. Dann Max aus Rom: «Ich fliege morgen an. Und will diese blühenden Bäume und das Riesenrad sehen!»

Ich reagiere ziemlich eisig: «Mein Lieber, es blüht noch gar nichts. Und ins Riesenrad lassen sie dich eh nur, wenn du ein Nachtessen in der Gondel bestellst.»

O.k. Das war etwas übertrieben. Aber was sagt Fräulein Henriette von der Gegenüber-Etage immer zu mir: «Mit amma Zuckergoscherl kosch net überleebn.»

Max bellt in den Hörer: «Schwöre mir, dass das mit der Gondelreservierung stimmt.»

Ich strecke die drei Gurken hoch. Und lüpfe das rechte Bein.

Dann zählt der Schwur nämlich nicht.

«ICH KOMME TROTZDEM!», brüllt der 5-Sterne-Kämpfer. «BESTELL SCHON MAL SO EINE RIESENRADFAHRT MIT GALA-DINER.»

Ist ja typisch, Max wird ein grossartiger Politiker seines Landes werden: immer über die Verhältnisse leben und immer etwas zu hoch hinaus.

Dienstag, 17. April 2018