Der Safe

Lale stand auf der Leiter. Eine Kiste in der Grösse einer Hundehütte schaute ihr aus dem Kasten entgegen. Früher hatte an diesem Platz eine fröhliche Auswahl an Pill-Boxes (mit zarten Schleierchen) sowie diverse Breitrandhüte (von Gustav uncharmant als «die Klodeckel!» abgestuft) ihr Adrenalin ins Rollen gebracht. JETZT WAR ES EIN SAFE!

Gustav hatte den Gräuel an die Mauer zementiert. JAWOHL: ZEMENTIERT!

Als er mit der Kleisterei fertig war, setzte er ein zufriedenes Grinsen: «Jetzt sollen die ruhig kommen – den kriegt keiner weg!»

FÜR DIE SCHÖNEN HÜTE SEINER GATTIN WAR IM SCHRANK KEIN PLATZ MEHR. Gustav hatte die wunderbaren Kostbarkeiten einfach in die andere Ecke gequetscht.

EIN GEFÜHLSLOSER BÜFFEL! WAS WUSSTE SO EIN MANN SCHON, WAS AUF DEM KOPF EINER FRAU ABGEHT! Deshalb ziemlich schrill: «Gustav! GUUUUSTAAAV!»

Da kam er auch schon herbeigedüst. « Lalilein – in den Wolken?»

Sie atmete auf der hohen Leiter tief durch: «WAS SOLL DIESER MIST?! UNSER GANZES SPARGUTHABEN BELÄUFT SICH IM DREISTELLIGEN BEREICH. UND DU BAUST HIER EINEN PANZERSCHRANK WIE BEI ROCKEFELLERS!»

Gustav machte nun eine grosse Geste und holte weit aus (er war vierter Nachrückender im Grossen Rat und somit rednerisch selbstverliebt):

«Also – ich war doch im Baumarkt. Eigentlich wollte ich nur eine neue Glühbirne für die Stehlampe. Und dann habe ich dieses Sonderangebot gesehen: ‹SESAM SCHLÄGT JEDEM DIEB EIN SCHNIPPCHEN!›»

Er kicherte nun: «Ein Schnippchen als Schnäppchen!»

Ihre Stimme wurde gefährlich leise: «Du hast mir gesagt, es sei nur ein kleines Büchslein! ABER DIESE SCHEISSE HIER NIMMT JEDEN PLATZ FÜR MEINE HÜTE WEG!»

«Ach Lalilein – ich habe alle deine Deckel auf die andere Seite geschoben!»

«GESCHOBEN? – DU HAST SIE ZUSAMMENGEKNETET WIE EINEN ZOPFTEIG!»

Lale kam nun die Leiter runter, war aber noch immer hoch auf der Palme: «... wegen eines bisschen gesparten Feriengeldes betoniert man doch keinen Kassenschrank an die Wand! Die 850 Franken waren unter den Kaffeekapseln sicher versteckt und …» «720 Franken», murmelte Gustav nun kleinlaut. FRAU LALE WURDE EIN GEFÄHRLICHES FRAGEZEICHEN. «Nun ja», wand sich Gustav, «115 Franken kostete der Safe. Und 15 Franken der Zement. Als Kelle habe ich den Teigschaber benutzt ...» «BIST DU VERRÜCKT – DER WAR VON BETTY BOSSI!» Er strahlte sie entwaffnend an, so wie er auch seine Wähler immer wieder rumzukriegen versuchte: «Ach Lalilein – mein Sonnenschein!»

ABER NICHTS DA MIT SONNENSCHEIN. «… und wo ist das Geld jetzt?!»

Nur hatte er wieder die selbstzufriedene Überlegenheit: «Ja wo denn wohl? IM NEUEN SAFE!»

Ihre Stimme wurde eisig: «Und wie bekomme ich diese Kiste auf … August?!»

Ein heiteres Lachen. «Du musst nur den Code von Onkel Max eingeben …»

«Welcher Onkel Max?»

«Der Bruder von Tante Fanny. Er ist am 9. Januar geboren. Zwei Jahre älter als Fanny. Also ein 30er. Oder ist Fanny eine 30erin? Und im Februar? – Na ja, lass mich mal ran …!»

Gustav stieg auf die Leiter. Als SESAM auch beim sechsten Mal nur piepste und so verschlossen blieb wie eine junge Auster, rüttelte Gustav wütend am Schloss. Die Leiter kippte. Resultat: Dreifacher Bein- und zweifacher Hüftbruch!

Lale rief noch aus dem Spital Tante Fanny an: «WANN HAST DU GEBURTSTAG?»

«Aber nein – das ist doch nicht nötig!», antwortete die Ahnungslose gerührt.

Aber SESAM öffnete sich.

Da an Ferien ohnehin nicht mehr zu denken war, leistete sich Lale zwei sehr elegante Hüte.

Und einen neuen Teigschaber.

Freitag, 23. Februar 2018