Von Innocents Katzenliebe und allerlei Brüsten

Illustration: Rebekka Heeb

«Himmel – ich bin zu spät. Sie klopft schon.»

Es ist Innocent, der im Schlafanzug durchs Haus hühnert. Auf dem Pyjama spielt ein Hund Handball – chinesische Stickerei.

HYSTERISCH VERWIRFT ER NUN DIE HÄNDE. Und gräbt im Eisschrank nach Pouletbrüsten. IN SALZBURG: DIE LIESL. HIER: DIE POULETBRUST.

Schon schnippelt er alles zu kleinen Stückchen,wirft Suppensternchen ins brodelnde Wasser der Pasta-Pfanne. UND «DLAGGDLAGGDLAGG» KLOPFT ES JETZT ZIEMLICH ENERGISCH AN DIE KÜCHENTÜR.

Das Energische ist eine rot-weisse Tigerkatze. Sie ist wild. Stets griesgrämig drauf. Und mit einem Besitzanspruch auf unseren Gartenfauteuil wie Politiker auf den ewigen Regierungsthron.

«Miezimiezi», gurrt Innocent nun durch den Wasserdampf. «Gudigudi kommt ja schon …»

Ich bin noch immer fassungslos: Während dieser fette Koloss von einer Inselkatze vollgestopft wird wie die Leber einer polnischen Gans, muss ich in der Küche auf meinen Espresso warten.

UND ORANGEN SIND AUCH NOCH KEINE GEPRESST!

Ja wo sind wir denn? In einem schrägen Film?

Dabei hat Innocent bis noch vor wenigen Monaten mit Katzen nichts am Hut gehabt. HUNDE: JA. Da wurde er immer schwach. Wenn ihm ein Dackel krummbeinig entgegenwackelte, das Schwänzchen vibrieren liess und fröhlich wuffte, teilte Innocent sein Filet mit ihm.

Als Kind hatte man ihm den Hund verweigert. Seine Mutter spielte die miese Nummer der Allergischen. ALLERGIEN SIND IMMER DIE TRUMPFKARTE DER EINFALLSLOSEN.

«Ich bekomme Atemnot, wenn ich mit einem Köter rausmuss», hatte die Schwiegermutti ihre Familie tyrannisiert.

JEDENFALLS: KEINEN HUND FÜR DEN BUB. SONDERN EINEN GOLDFISCH.

Innocent spülte das golden Flutschige die Toilette runter. Und weinte bitterlich. Nun besassen aber seine Nachbarn mit dem fröhlichen Namen «Pimmelbauer» ein Kätzchen: das Pimmelbauer-Mariechen.

FRAU PIMMELBAUER WAR SEHR SOLZ AUF IHRE PERSER-LADY. Sie liess sie dauerwellen. Band ihr jeden Tag eine andere Seidenschleife um den Hals. Ja, Pimmelbauer-Mariechen war die Miss Cat des Quartiers.

WENN DIE PIMMELBAUER MIT MARIECHEN IM GARTEN AUFTAUCHTE, STAND KLEIN-INNOCENT AN DER HECKE.

Er streckte sich über den Buchsbusch, streckte die mageren Ärmchen aus. Und rief: «Tante Pimmelbauer, Tante Pimmelbauer, Inncoent will lieb Mariechen streicheln …»

MIT DIESEM GESCHMUSE BEKAM ER DIE WEIBER SCHON DAMALS RUM.

Die Nachbarin, die nicht nur eine schöne Katze, sondern auch ein grosses Herz hatte, streckte dem kleinen Buben das Riesenvieh mit der Seidenschleife entgegen.

Und da Innocent schon in jüngsten Jahren auf alles, was ihm liebevoll entgegengestreckt wurde, losging, wollte er Mariechen sofort umarmen.

DOCH MARIECHEN WAR KEINE SOLCHE! Sie knallte ihm eine. GESCHREI UND ZETERMORDIO.

Jedenfalls war dies das frühe AUS von Innocents warmen Gefühlen für coole Perserkatzen.

Als uns dann vor fast einem halben Jahrhundert auf der kleinen Insel im toskanischen Meer Hunderte von Wildkatzen heimsuchten, als ich die verlausten Biester mit Tonnen von Ravioli, Truthahn-Fleisch und Whiskas-Büchsen wieder aufrüstete – tobte sich Inocent die Gurgel wund: «HIER WIRD NICHT GEFÜTTERT. ICH HABE EINE KATZENALLERGIE – KAPIERT?!»

Er ist der Sohn seiner Mutter. Und jetzt: «Wo-iss-Miezimiezi? Feinifeini fertig!»

Die Mieze erwartet ihn mit mürrischem Katzengesicht vor der Küche. Sie weiss: Jammijammi gibt der Alte beim Wildsauplatz. UND NATÜRLICH HÄTTE SIE DAS FRESSEN AM LIEBTEN GLEICH HIER. UND BEQUEMER.

Aber auf den Wildsauplatz habe ich bestanden: Denn es kommt vor, dass mein Freund diesem vollgefressenen Tiger an einem Sonntag auch Vongole füttert. UND ICH WILL NICHT EINEN STINKIGEN MUSCHELSCHALENRESTENBERG VOR MEINER KÜCHE HABEN. DAS DANN DOCH NICHT!

So wackeln also die beiden ausserhalb der Wohnzone auf das Feld, wo sich an schönen Abenden der Keiler die Sau zur Frau nimmt. Dort höre ich Innocent noch immer zirpen: «Schön langsam, Miezimiezi, es nimmts dir keiner weg.»

Innocents grosse Wandlung war bedingt durch den Besuch unserer Freundin Örsi, welche in Fachkreisen als Lady Cätterli zum katzenhaarigen Allgemeinschrecken wurde.

DIE DAME AUS DER LEGENDÄREN ÖL-DYNASTIE FÄHRT NICHT NUR AUF PORSCHE, SONDERN AUCH AUF KATZEN AB.

Als sie im Herbst bei uns aufkreuzte, kreuzten auch die Miezen an. Doch diese verweigerten stoisch die Nahrungsaufnahme, wenn Lady Cätterli mit ihren Silberkübeln voll von gewürfelten Rinderfilets und leicht angeschmorten Kalbshaxen die Tierchen herbeisülzte: «Venga, venga – cattini, carini – venite!»

Vielleicht mochten die Miezen den leicht englischen Akzent der Öl-Kaiserin nicht. Oder sie hatten etwas gegen rote Papagalli-Schlitten. Jedenfalls war es Innocent, der die Katzen dann eigenhändig mit zwei Fingern fütterte. Und bei ihm schnurrten sie. Strichen ihm ums Bein. Und hinterliessen ein Heer von Flöhen, sodass wir alles Bettzeug sechs Mal handwaschen und mit «Anti-Laus» behandeln mussten.

Als die Katzen-Lady etwas ruppig wieder abdüste, kamen auch die Katzen nicht mehr. BIS AUF EINE. UND DAS IST DIEJENIGE, DIE NUN JEDEN MORGEN AN DIE TÜR KLOPFT!

JA SIND WIR DENN EIN KATZENHOTEL?

Innocent ist so hin und weg, wie ich ihn nur noch auf Brusthöhe mit Liesel erlebt habe.

«MORGEN BEKOMMT SIE VONGOLE, DAS MAG SIE AM LIEBSTEN», verkündet er nach der Fütterung.

«KANN ICH JETZT ENDLICH MEINEN ESPRESSO UND DEN SAFT HABEN?», knurre ich.HÖCHSTE ZEIT, DASS DER ALTE KATZENSCHMUSER WIEDER MERKT, WER HIER DER LÖWE IM HAUS IST!

Dienstag, 23. Januar 2018