Milieu de table

«Verena!» Wenn er sie «Verena» rief, war er stets stinkig.

Sie strich sich gelassen die Lippen fertig (ein dunkles Mohnrot, passend zum Nagellack). Dann schaute sie prüfend in den Spiegel. Und setzte schon mal prophylaktisch ein Schmollmündchen auf. BEI SCHMOLLMUND WURDE FRANZ IMMER SCHWACH.

DIESMAL NICHT!

Total entnervt hielt er ihr eine Blumenrechnung hin: «Verena – sag mal, spinnst du eigentlich. Du bestellst Blumen für 850 Franken. Dazu kommt ein ‹Milieu de table› für 320. BIST DU KRANK? UND WAS IST EIN MILIEU DE TABLE?»

Sie hätte sich ohrfeigen können. Normalerweise splittete sie solche Beträge auf fünf verschiedene Kreditkarten auf. Was unter 400 Franken war, schluckte Kurt ohne Geschrei. ABER AN JENEM TAG, ALS SIE DIE BLUMEN BEIM FLORISTEN ABHOLTE, FUNKTIONIERTE IM LADEN DAS WIFI-SYSTEM NICHT. Deshalb: «Schicken Sie mir einfach eine Rechnung...»

MIT DER RECHNUNG FLATTERTE PROMPT DER ÄRGER INS HAUS.

Verena stemmte die Hände in die Hüften: «Mausezahn – Du bist ein wichtiger Geschäftsmann. Du willst bei deinen Kunden dick angeben. Ich muss elegante Dinners auf den Tisch zaubern. Und einen prächtigen Rahmen bieten...» Sie holte jetzt tief Luft: «CHIC KOSTET GELD!»

Mausezahn liess das nicht gelten: «Andere Frauen suchen Äste im Wald. Und tüteln die Zweige mit fünf Tulpen zu einem netten Sträusschen auf. ABER DU MUST AUS DEINEM TISCH IMMER GLEICH EINE OPER MACHEN!» Sie weinte ein bisschen. Denn Verena wusste: Das zog fast so gut wie das Schmollmündchen.

BINGO.

Schon knetete er zärtlich ihre Weichteile: «Kätzchen, DU solltest mit dem Geld wirklich etwas besser haushalten. Bei der nächsten Einladung ist die Blumendekoration Chefsache...»

«OH GOTT» – dachte Kätzchen.

Und «Wunderbar!» schluchzte das Biest.

Angesagt waren dann Generaldirektor Huber und dessen dritte Frau. Letztere hiess Bothum. Und kam aus Phnom Penh. WEISS DER TEUFEL, WO HERR HUBER SO ETWAS AUFGEGABELT HATTE!

«Es geht um den Auftrag für 500 Küchen in Würzburg» – erklärte Kurt. «Also gib Gas!»

Verena schaute ihn unschuldig an: «Und die Blumen?»

«Besorge ich!»

OH GOTT!

Er kam knapp eine Stunde vor den Gästen – im Laderaum seines Porsches lagen weisse , schleierzarte Blüten an langen Stängeln.

«LASS MICH NUR MACHEN – DIESE HERRLICHEN BLUMEN WACHSEN GRATIS IM WALD, VRENI! WO SIND DIE VASEN?»

Dann zupfte und rupfte er herum. Das Resultat war, als hätte ein Hurrikan die Pflanzen durchgerüttelt.

Frau Bothum aus Phnom Penh kräuselte beim Essen die Nase: «Ich weiss Ihnen einen guten Floristen...»

Verena zeigte mit der Gabel auf ihren Mann: «Blumen sind sein Ding!»

Als die Gäste gegangen waren, hingen die Blüten schlapp über dem Vasenrand. Und «VERDAMMICH!», jaulte Kurt, «...es juckt mich an Armen, Beinen, am ganzen Ranzen.»

In der Notfallstation wollten sie einiges wissen. Und kamen zur Lösung: «Sie haben Riesenbärenklau gepflückt – Herr Hansen. Die Herkulesstaude ist giftig. Verursacht böse Verbrennungen. Und kann auch Ihre Atemwege abstellen...»

DAS TAT DIE GUTE BLUME DANN AUCH. Und schickte Rolf auf eine Wolke, wo keine Rechnungen mehr ins Haus flatterten.

Nach der Hiobsbotschaft suchte Verena zuerst das Bestattungsinstitut auf. Dann ihre Blumenboutique: «BITTE DEN HERRLICHSTEN KRANZ, DEN SIE ZUSAMMENBASTELN KÖNNEN. DER PREIS SPIELT KEINE ROLLE. FÜR DIESE FEIER LASSEN WIRS MAL KRACHEN!»

Aus alter Gewohnheit teilte sie den Betrag auf fünf Kreditkarten auf. DIESMAL FUNKTIONIERTE AUCH DER WIFI-EMPFANG...

Freitag, 19. Januar 2018